Darum gehts
- US-Zölle treffen Schweizer Firmen hart: Unternehmen suchen nach Lösungen
- Einige Firmen erhöhen Preise, andere prüfen Produktionsverlagerung oder neue Märkte
- Betroffene Unternehmen rechnen mit Umsatzrückgängen von bis zu 20 Prozent
Vor über zwei Monaten hat US-Präsident Donald Trump (79) den Zollhammer auf die Schweiz niedersausen lassen. Schweizer Firmen ächzen unter den Zöllen von 39 Prozent auf ihre Exporte in die USA. Vor allem kleine und mittlere Unternehmen (KMU) trifft es hart – dabei sind sie das Rückgrat der Schweizer Wirtschaft.
Gemäss der Schweizer Nationalbank (SNB) sind schweizweit ein Fünftel der Firmen direkt betroffen. Diese Firmen setzen nun alles daran, dass die Auswirkungen so gering wie möglich bleiben. Beispielsweise durch eine Aufteilung der Zollkosten, Kurzarbeit oder Produktionsverlagerung. Blick hat bereits im August bei einigen KMU nachgefragt. Wie ist es den Firmen seither ergangen?
Ricola-Chef Thomas Meier
- Firma: Ricola Schweiz AG aus Laufen BL
- Hauptprodukte: Kräuterbonbons
- Anzahl Angestellte: über 450
- Anteil US-Export vor den Zöllen: 40 %
«40 Prozent unserer Wertschöpfung erzielen wir bereits in den USA: Die Bonbons werden in der Schweiz produziert, gehen in grossen Säcken in die USA und werden dort abgepackt. Der Zollhammer trifft uns also nicht in seiner ganzen Härte. Aber wir werden die Preise per 1. Dezember um zehn Prozent erhöhen», sagt Ricola-Chef Thomas P. Meier (53) zu Blick. Dabei sind die in den USA als Premium positionierten Kräuterbonbons rund ein Fünftel teurer als die Produkte der Konkurrenz. «In den USA werden wir noch mehr in die Automatisierung in der Verpackung investieren», so Meier. Hierzulande will Ricola die Produktion ausbauen und hat dafür ein Gelände in Lenzburg AG gekauft: «Obwohl wir in Laufen an der Kapazitätsgrenze sind, nehmen wir in Lenzburg wegen der Unsicherheiten in den USA aktuell etwas den Fuss vom Gas.»
Emmi-Chefin Ricarda Demarmels
- Firma: Emmi Group aus Luzern
- Hauptprodukte: Milchprodukte wie Käse
- Anzahl Angestellte: 12'000, in der Schweiz 3000, in den USA 1200
- Anteil US-Export vor den Zöllen: k. A.
Die Emmi Group, die von CEO Ricarda Demarmels (45) geleitet wird, plant, die gestiegenen Kosten an die Kunden in den USA weiterzugeben. Genaueres will eine Sprecherin jedoch nicht verraten. Dabei produziert Emmi 85 Prozent des US-Umsatzes vor Ort. Dafür beschäftigt die Firma rund 1200 Mitarbeitende in den USA. Die übrigen 15 Prozent des Umsatzes macht Emmi zusätzlich mit Käsespezialitäten wie unter anderen Gruyère, die sie aus der Schweiz exportiert. Doch Emmi rechnet wegen der Zölle mit einem Rückgang der Exportmenge. Die Branchenorganisation Milch hat bereits Massnahmen zur Entlastung des Milchmarkts lanciert. Parallel prüft Emmi die Erschliessung neuer Exportmärkte, um das rückläufige Volumen zu kompensieren.
Maestrani-Chef Christoph Birchler
- Firma: Maestrani AG aus Flawil SG
- Hauptprodukte: Lebensmittel, Schokolade
- Anzahl Angestellte: 160
- Anteil US-Export vor den Zöllen: weniger als 10 %
«Die angekündigten US-Zölle sind für unser Familienunternehmen – ebenso wie für die gesamte Branche – zweifellos eine grosse Herausforderung», sagte Geschäftsführer Christoph Birchler (50) im August zu Blick. Mit 39 Prozent sieht er die Wettbewerbsfähigkeit im US-Markt nicht mehr gegeben. Seit zwei Monaten bereitet sich der Schoggiproduzent von Minor und Munz deshalb auf verschiedene Lösungsszenarien vor. Dank Lagerbeständen hat Birchler noch etwas zeitlichen Spielraum.
Victorinox-Chef Carl Elsener
- Firma: Victorinox aus Ibach SZ
- Hauptprodukte: Taschen- und Küchenmesser, Uhren und Reisegepäck
- Anzahl Angestellte: weltweit 2250, in der Schweiz 1250
- Anteil US-Export vor den Zöllen: mehr als 20 %
«Ab 2026 rechnen wir mit jährlichen Mehrkosten von bis zu 13 Millionen US-Dollar», erklärt CEO Carl Elsener (67). Diese Bedrohung wird durch den starken Franken, den schwachen Dollar sowie die Zölle auf Stahlkomponenten verschärft. Der Exportanteil ist seit dem Zollhammer von zuvor 20 auf 13 Prozent gesunken. Doch dank Lageraufstockungen konnte Elsener die Belastungen kurzfristig etwas abfedern. Um die Zölle zu umgehen, prüft das Unternehmen, ob finale Arbeitsschritte wie die Verpackung in die US-Niederlassung verlagert werden können. Parallel dazu sagt Elsener: «Wir prüfen gezielt auch neue Marktchancen.» Er sieht Potenzial in Indien, Lateinamerika und Südostasien.
Weleda-Chefin Tina Müller
- Firma: Weleda aus Arlesheim BL
- Hauptprodukte: Naturkosmetik und Gesundheitsprodukte
- Anzahl Angestellte: weltweit 2200
- Anteil US-Export vor den Zöllen: k. A.
Naturkosmetikhersteller Weleda unter CEO Tina Müller (56) leidet ebenfalls unter den US-Zöllen – die USA ist ein wichtiger Absatzmarkt für die Basler Firma. Vorteilhaft sei jedoch, dass die Bestseller – Skin Food Original und Skin Food Light – in Deutschland produziert und von dort in die USA exportiert werden, teilt Weleda mit. Zwei Produkte der Skin-Food-Linie werden vor Ort über einen US-Lohnhersteller gefertigt. Die Preise hat der Hersteller bislang nicht angepasst – die Nachfrage in den USA bleibt ungebrochen hoch. Eine neue Produktionsstätte plant die Firma dort aber nicht.
Grovana-Chef Christopher Bitterli
- Firma: Grovana Uhrenfabrik AG aus Tenniken BL
- Hauptprodukte: Armbanduhren
- Anzahl Angestellte: 25
- US-Exportanteil vor den Zöllen: 20 %
Der Zollhammer trifft die Uhrenmanufaktur Grovana hart: «Die Geschäfte mit den USA sind im Moment zum Erliegen gekommen», sagt Christopher Bitterli (67). Dabei ist der CEO nicht bereit, die höheren Kosten alleine zu tragen: «Ich bin der Meinung, dass die Preise angehoben werden müssen, sodass es die US-Konsumenten spüren.» Ein weiterer Teil soll zudem vom Importeur übernommen werden. Trotz der unsicheren Lage verzichtet der CEO auf Kurzarbeit: «Die Mitarbeiter sind unser wertvollstes Kapital.» Die entgangenen US-Exporte konnte Bitterli mit mehr Verkäufen in Europa und in Fernost kompensieren. Trotzdem hofft der Unternehmer noch auf eine bessere Lösung.
Thermoplan-Chef Adrian Steiner
- Firma: Thermoplan aus Weggis LU
- Hauptprodukte: Kaffeevollautomaten
- Anzahl Angestellte: mehr als 500
- Anteil US-Export vor den Zöllen: mehr als 30 %
«Thermoplan verzeichnet einen spürbaren Umsatzrückgang, da die Kunden mit ihren Bestellungen auf eine mögliche Änderung des Entscheids warten», erklärt CEO Adrian Steiner (49). Auch die gesamte Zulieferkette leide unter dem Zollhammer – denn Thermoplan bezieht 80 Prozent der Komponenten in der Schweiz. Einige Partner seien bereits in Kurzarbeit. «Aufgrund der aktuellen Gegebenheiten sind wir gezwungen, potenzielle alternative Produktionsstandorte zu evaluieren. Wir müssen uns bewegen», ergänzt Steiner. Auf die USA verzichten, kann Thermoplan nämlich nicht.
MPS-Chef Gilles Robert
- Firma: MPS Micro Precision Systems AG aus Biel BE
- Hauptprodukte: hochpräzise Komponenten für Halbleiterindustrie und Medizintechnik
- Anzahl Angestellte: 560
- Anteil US-Export vor den Zöllen: 20–25 %
Der Zollhammer hatte bisher eher wenig Einfluss auf MPS. Doch das könnte sich bald ändern: «Mit jeder weiteren Woche verringert sich die Chance, dass sich etwas an der Zollpolitik ändert», sagt CEO Gilles Robert (51). Das könnte dazu führen, dass sich Kunden nach Alternativen umschauen. Das Problem: «Eine richtige Alternative zu den USA gibt es aktuell nicht», sagt der CEO weiter. Dennoch werde MPS versuchen, sich mehr an der EU auszurichten. Jetzt baut Robert auf die Politik: «Ich hoffe, dass dies genügen wird, um unsere Rahmenbedingungen zu gewährleisten.»
Fraisa-Chef Thomas Nägelin
- Firma: Fraisa-Gruppe aus Bellach SO
- Hauptprodukte: Präzisionswerkzeuge
- Anzahl Angestellte: 523
- Anteil US-Export vor den Zöllen: 8,5 % des Auslandsumsatzes
Fraisa hat einen Teil der Mehrkosten an die US-Kunden weitergegeben: Dafür hob das KMU zweimal die Preise an – insgesamt um 15 Prozent. Dabei liefert Fraisa nur 30 Prozent aus Schweizer Produktion, der Rest kommt aus der EU. Trotzdem rechnet CEO Thomas Nägelin (64) mit einem Fünftel weniger verkaufter Waren: «Die zusätzlichen negativen Effekte durch den schwächeren Dollar tragen wir zudem selbst.» Neben den USA will der CEO die Präsenz in Europa ausbauen. «Auf willkürliche Massnahmen soll man nicht mit willkürlichen Angeboten reagieren.» Die Verlängerung der Kurzarbeit findet er zudem eine gute Sache, da es den leidenden Unternehmen Zeit verschaffe.