Darum gehts
- Trump fordert Pharmakonzerne zur Preissenkung auf, auch Schweizer Unternehmen betroffen
- Pharmabranche sorgt für 60 Prozent der Schweizer Exporte in die USA
- 17 Pharmakonzerne haben 60 Tage Zeit bekommen, um Medikamentenpreise zu senken
Die Uhr tickt: 17 Pharmakonzerne auf der ganzen Welt haben 60 Tage Zeit, um ihre Medikamentenpreise auf dem US-Markt zu senken. Das fordert US-Präsident Donald Trump (79). Davon betroffen sind auch die beiden Schweizer Pharmariesen Roche und Novartis. Bundesbern muss bereits in den nächsten zwei Tagen ein Wundermittel für einen Last-Minute-Deal im Zollstreit mit den USA finden. Trump lässt die kleine, reiche Schweiz nicht so leicht davonkommen. Könnte die Schweizer Pharmaindustrie vorpreschen und bis zum Donnerstag mit Preissenkungen in den USA den Weg zu einem Deal ebnen?
Der US-Markt ist für die Pharmabranche eine Goldgrube. Nirgendwo sonst können sie höhere Preise für ihre Medikamente verlangen. Die Bevölkerung bezahlt damit einen grossen Teil der Pharmaforschung, von der Patientinnen und Patienten auf der ganzen Welt profitieren.
Schweiz als ideales Ziel für ein Exempel?
Trump ist das bereits seit Monaten ein Dorn im Auge: Er kürzte bei der Krankenversicherung und versprach der US-Bevölkerung im Gegenzug, die Gesundheitskosten zu senken. Am letzten Donnerstag hat sich Trump die Pharmabosse zur Brust genommen und sie in einem Brief aufgefordert: runter mit den Preisen, und zwar auf das Niveau anderer vergleichbarer Länder. Novartis-CEO Vasant Narasimhan (48) und Genentech, eine Tochterfirma von Roche mit CEO Thomas Schinecker (50), haben einen solchen Brief erhalten.
Die Pharmaindustrie ist für fast 60 Prozent der Schweizer Exporte in die USA verantwortlich und trägt massgeblich zum grossen US-Handelsdefizit bei. Das mache die Schweiz zum idealen Ziel, um den Widerstand des Pharmasektors gegen Preissenkungen in den USA zu brechen, hält Raiffeisen-Chefökonom Fredy Hasenmaile (58) fest.
Roche und Novartis halten sich bedeckt
Barbara Gysi (SP, 61) sieht die Konzerne in der Pflicht. «Es ist sicher richtig, dass man jetzt auch Forderungen an die Pharmabranche stellt», sagt die Präsidentin der Gesundheitskommission des Nationalrats. «Die Pharmabranche muss bei den hohen Medikamentenpreisen in den USA reagieren.» Ein Deal dürfe am Ende aber nicht auf Kosten der Schweizer Patientinnen und Patienten gehen.
Dass die Pharmafirmen die Medikamentenpreise in den USA zusammenstreichen müssen, scheint unausweichlich. Trump droht mit schwerwiegenden Konsequenzen, falls sie sich weigern. Doch sind Roche und Novartis dazu gewillt? Die Konzerne halten sich auf Anfrage bedeckt. Fragen, ob man dem Bundesrat Unterstützung anbietet, bleiben unbeantwortet.
Pharmabranche und Bund führen Gespräche
Immerhin: Die Verbände Interpharma und Scienceindustries sitzen mit den Behörden am Tisch, wie sie auf Anfrage bestätigen. Gestern Montagmorgen fand eine Besprechung mit der Direktorin des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco), Helene Budliger Artieda (60) statt. «Wir stehen im engen Austausch mit den Behörden, um den Bundesrat nach Kräften zu unterstützen», schreibt Interpharma. Ob es dabei auch um die Preispolitik der Branche geht, ist nicht in Erfahrung zu bringen.
Die Pharmaindustrie habe sehr früh sehr grosse Investitionen in den USA angekündigt, «dies letztlich auch als Support für die Verhandlungen der Schweizer Delegation», heisst es vonseiten Scienceindustries.
Damian Müller (FDP, 40) hält nichts davon, nun die eigene Industrie unter Druck zu setzen. «Wir müssen jetzt extrem aufpassen, dass wir nicht die falschen Schlüsse ziehen und unserer wichtigen Pharmaindustrie selbst schaden», mahnt der Präsident der Gesundheitskommission des Ständerats. Die Zollverhandlungen und die Medikamentenpreise dürfe man nicht vermischen. Die US-Behörden seien zuständig für die Regulierung ihrer Medikamentenpreise und nicht die Schweiz.
Nichtstun scheint keine Option
Auch Elisabeth Schneider-Schneiter (61) bricht eine Lanze für die Branche. «Wir können unsere Pharmaunternehmen nicht zu vorauseilenden Preissenkungen in den USA drängen. Falls die ausländischen Firmen nicht nachziehen, sind sie nicht mehr konkurrenzfähig». Die Mitte-Politikerin sitzt für den Kanton Basel-Landschaft im Nationalrat. «Mit einem solchen Deal schneiden wir uns ins eigene Fleisch. Dann stehen in der Schweizer Pharmaindustrie Tausende Arbeitsplätze, Innovation und Wohlstand auf dem Spiel.» Müller sowie Schneider-Schneiter haben Mandate der Pharmabranche inne.
Ein Deal auf Kosten der Pharmabranche wäre mehr Zäpfchen als Wundermittel. Ein grosser Schaden droht aber ebenso, wenn die Pharmaunternehmen Trumps Drohungen ignorieren und er den Zollsatz von 39 Prozent auf ihre Branche ausweitet. Berechnungen der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich zeigen: Die Schweizer Wirtschaftsleistung würde um mindestens 0,7 Prozent sinken. Der Schaden wäre also noch deutlich gravierender als durch die Zölle für alle anderen Branchen. Nichts zu tun, scheint ebenso wenig eine Option zu sein.