Schoggi, Kräuterbonbon und Uhren
Wir sind die Gesichter des Zoll-Schocks

Der drohende Zollhammer von 39 Prozent trifft die Export-KMU hart. Blick hat mit einigen Vertretern aus der Industrie, Uhren- und Konsumbranche gesprochen. Das sind die Gesichter hinter dem Zoll-Schock.
Publiziert: 10:00 Uhr
|
Aktualisiert: 11:40 Uhr
Teilen
Anhören
Kommentieren
1/5
Rund 40 Prozent der hierzulande produzierten Ricola-Bonbons landen in den USA.
Foto: Pius Koller

Darum gehts

  • US-Zölle von 39 Prozent bedrohen Schweizer KMU-Exporte
  • Unternehmen prüfen Produktionsverlagerung und Preiserhöhungen als Reaktion
  • Über 20 Prozent US-Exportanteil bei mehreren betroffenen Firmen
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.

Sofern es keinen Last-Minute-Deal gibt, tritt am 7. August der US-Zollsatz von 39 Prozent auf Schweizer Importe in Kraft. Das ist ein Härtetest für die Schweizer Volkswirtschaft, deren Rückgrat Hunderttausende kleine und mittlere Unternehmen (KMU) bilden. Diese stellen zwei Drittel der Arbeitsplätze in der Schweiz. 

Im Fokus des Zoll-Hammers stehen nun jene Export-KMU, die sowieso schon wegen der starken Abwertung des Dollars gegenüber dem Franken unter Druck sind. Dazu zählen hoch spezialisierte Betriebe aus der Uhren- und Schmuckindustrie, Lieferanten von Maschinen und Werkzeugen sowie Konsumgüter. Sollte es bei den 39 Prozent bleiben, könnten die Gewinne dieser Firmen massiv belastet werden – eine Produktionsverlagerung aus der Schweiz und damit ein Jobabbau drohen. Umso wichtiger ist es, betroffenen KMU ein Gesicht in dieser Krise zu geben. 

Ricola-Chef Thomas Meier

  • Firma: Ricola Schweiz AG aus Laufen BL
  • Hauptprodukte: Kräuterbonbons
  • Anzahl Angestellte: über 450
  • Anteil US-Export: 40 %
Thomas P. Meier ist seit 2019 Chef von Ricola.
Foto: STEFAN BOHRER

Fast die Hälfte seines Umsatzes macht der Kräuterbonbon-Hersteller Ricola in den USA. «Die neuen US-Zölle treffen Ricola stark», hiess es schon Mitte Mai bei der Publikation der Jahresergebnisse. Chef Thomas P. Meier (53) hat eine Tariffs-Taskforce gegründet, in der er mit den Amerika-Regionalchefs über Gegenmassnahmen brütet, wie die «Handelszeitung» schreibt. Für allfällige Preiserhöhungen will Meier die Preiselastizitäten ausloten. 

Maestrani-Chef Christoph Birchler

  • Firma: Maestrani AG aus Flawil SG
  • Hauptprodukt: Lebensmittel, Schokolade
  • Anzahl Angestellte: 160
  • Anteil US-Export: weniger als 10 %

«Die angekündigten US-Zölle sind für unser Familienunternehmen – ebenso wie für die gesamte Branche – zweifellos eine grosse Herausforderung», sagt Geschäftsführer Christoph Birchler (50). Mit 39 Prozent wäre die Wettbewerbsfähigkeit im US-Markt nicht mehr gegeben. Zurzeit bereitet sich der Schoggi-Produzent von Minor und Munz deshalb auf verschiedene Lösungsszenarien vor. «Bei Maestrani haben wir noch einen kleinen zeitlichen Spielraum – unsere Vertriebspartner in den USA verfügen derzeit über Lagerbestände», so Birchler. 

Emmi-Chefin Ricarda Demarmels

  • Firma: Emmi Group aus Luzern
  • Hauptprodukte: Milchprodukte wie Käse
  • Anzahl Angestellte: 12'000, in CH 3000
  • Anteil US-Export: k.A.
Ricarda Demarmels ist seit 2023 Chefin der Emmi-Gruppe.
Foto: zVg

Die Emmi Group, die von CEO Ricarda Demarmels (45) geleitet wird, produziert eigenen Käse in den USA. Damit erwirtschaftet das Unternehmen 85 Prozent des US-Umsatzes. Die übrigen 15 Prozent des Umsatzes macht Emmi zusätzlich mit Käsespezialitäten, die sie aus der Schweiz exportiert. Dabei liefert der Produzent vor allem Käse wie Gruyère in die USA. Nun passt die Luzerner Firma erneut die Preise an, hiess es kürzlich gegenüber der Agentur SDA. Bereits im zweiten Quartal 2025 sah sich der Käseproduzent gezwungen, die Preise wegen der drohenden Zölle und dem starken Franken anzuheben. Schweizer Käse wie Gruyère, Emmentaler oder Appenzeller sind durch das AOP-Qualitätssiegel geschützt. Die Produkte stehen für höchste Qualität und Schweizer Handwerkskunst. 

Victorinox-Chef Carl Elsener

  • Firma: Victorinox aus Ibach SZ
  • Hauptprodukte: Taschen- und Küchenmesser, Uhren und Reisegepäck
  • Anzahl Angestellte: weltweit 2250, in CH 1250
  • Anteil US-Export: mehr als 20 %
Carl Elsener übernahm die Leitung bei Victorinox 2007.
Foto: Philippe Rossier

Die drohenden US-Zölle aus der Trump-Ära zwingen Victorinox zum Umdenken – der Schwyzer Taschenmesserhersteller setzt verstärkt auf operative Effizienz, Automatisierung und engere Partnerschaften im Vertrieb. Für Chef Carl Elsener (67) ist die Verlagerung der Produktion aber keine Option: «Das Swiss Army Knife ist untrennbar mit dem Qualitätsversprechen ‹Made in Switzerland› verbunden. Daran halten wir fest.» 

Kuhn-Rikon-Chef Tobias Gerfin

  • Firma: Kuhn Rikon aus Rikon ZH
  • Hauptprodukte: Pfannen, Kochgeschirr, Messer und Küchenhelfer
  • Anzahl Angestellte: 270
  • Anteil US-Export: 20 %
Tobias Gerfin ist CEO von Kuhn Rikon.
Foto: Kuhn Rikon

Geschäftsführer Tobias Gerfin (59) spricht bei den drohenden Zöllen von einem «weiteren Rückschlag». Bereits im Juni hat die Zürcher Firma die Preise in den USA um 20 Prozent angehoben. Trotzdem rechnet Gerfin mit einem spürbaren Umsatzverlust. «Eine eigene Produktion in den USA macht bei der grossen Unsicherheit unternehmerisch keinen Sinn», sagt der Chef. Die Zölle seien zwar unangenehm – ihm mache vor allem die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung Sorgen. 

Grovana-Chef Christopher Bitterli

  • Firma: Grovana Uhrenfabrik AG aus Tenniken BL
  • Hauptprodukt: Armbanduhren
  • Anzahl Angestellte: 25
  • US-Exportanteil: 20 %
Christopher Bitterli ist Chef der Uhrenfabrik Grovana.
Foto: Grovana

Der Zollhammer von US-Präsident Trump trifft CEO Christopher Bitterli (67) hart: «Der Zoll von 39 Prozent bereitet mir grosse Sorgen – vor allem die Ungewissheit. Es ändert sich gefühlt täglich etwas. Die USA sind kein verlässlicher Partner mehr.» Zusätzlich belastet der schwache Dollar das Unternehmen. Unter diesen Bedingungen sei fraglich, ob sich der Export von Uhren in die USA noch lohnt. Eine Produktion vor Ort ist wegen des «Swiss Made»-Labels ausgeschlossen. 

Thermoplan-Chef Adrian Steiner

  • Firma: Thermoplan aus Weggis LU
  • Hauptprodukt: Kaffeevollautomaten
  • Anzahl Angestellte: mehr als 500
  • Anteil US-Export: mehr als 30 %
Adrian Steiner ist Geschäftsführer von Thermoplan aus Weggis LU.
Foto: Thermoplan

«39 Prozent sind der absolute Super-GAU», sagt Chef Adrian Steiner (49) zu Blick. Seine Firma beliefert Starbucks seit 1999 exklusiv mit Kaffeevollautomaten. Dem Chef widerstrebt eine Produktionsverlagerung ins Ausland – trotzdem prüft er nun verschiedene Szenarien in Europa und den USA. «Wir setzen alles daran, Kurzarbeit und vor allem Entlassungen zu vermeiden», so Steiner. 

Tofwerk-Chefin Katrin Fuhrer

  • Firma: Tofwerk AG aus Thun BE
  • Hauptprodukt: Massenspektrometer (Analysegeräte für Moleküle und Atome)
  • Anzahl Angestellte: 140
  • Anteil US-Export: mehr als 30 %
Katrin Fuhrer ist Gründerin von Tofwerk für Massenspektrometer.
Foto: Tofwerk

Die Thuner Firma produziert ihre Anaylsegeräte ausschliesslich in der Schweiz. Mit einem Strafzoll von 39 Prozent wären die Produkte nicht mehr wettbewerbsfähig. «Wir riskieren, unser US-Geschäft praktisch vollständig zu verlieren», sagt Gründerin Katrin Fuhrer (59) zu Blick. Sie rechnet damit, dass laufende Aufträge wegen den Mehrkosten storniert werden. Mittelfristig will Tofwerk eine Produktion in den USA aufbauen – doch das sei für ein KMU sehr schwierig. «Arbeitsplätze könnten auf Dauer nicht erhalten werden, wenn die US-Zölle so hoch bleiben», so Fuhrer. 

MPS-Chef Gilles Robert

  • Firma: MPS Micro Precision Systems AG aus Biel BE
  • Hauptprodukt: hochpräzise Komponenten für Halbleiterindustrie und Medizintechnik
  • Anzahl Angestellte: 560
  • Anteil US-Export: 20–25 %
Gilles Robert ist CEO der MPS AG.
Foto: SPPJ STUDIO / Sébastien Deloy

Bis in den letzten Monaten boten die USA die besten Entwicklungschancen für das Bieler Industrieunternehmen MPS. «Es bleiben zum Glück andere Optionen für uns in dieser veränderungsvollen Welt», sagt Geschäftsführer Gilles Robert (51). In den Kantonen Bern, Neuenburg und Jura betreibt die Firma fünf Produktionsstandorte. Langfristig müsse man sich deshalb neu orientieren. Aktuell studiert das Unternehmen alle möglichen Szenarien. «Die Umsetzung von industriellen Plänen braucht Zeit und Geld», sagt Robert. 

Fraisa-Chef Thomas Nägelin

  • Firma: Fraisa-Gruppe aus Bellach SO
  • Hauptprodukt: Präzisionswerkzeuge
  • Anzahl Angestellte: 523
  • Anteil US-Export: 8,5 % des Auslandumsatzes
Thomas Nägelin ist Chef der Fraisa-Gruppe.
Foto: Fraisa-Gruppe

Die Solothurner Firma reagiert auf die US-Zölle mit einer Preiserhöhung in den USA – andernfalls würde das Unternehmen rund 1 Million Franken Umsatz einbüssen. Eine Produktion in den USA aufzubauen, hält CEO Thomas Nägelin (64) nicht für sinnvoll: «Um Fraisa mache ich mir keine Sorgen, denn wir sind international aufgestellt, und unser Handlungsspielraum ist deswegen gross genug.» Nun heisst es abwarten: Bekanntlich hätten die Entscheide des US-Präsidenten «ja eine kurze Halbwertszeit». 

Netstal-CEO Renzo Davatz

  • Firma: Netstal Maschinen AG aus Näfels GL
  • Hauptprodukt: Kunststoff-Spritzgiessmaschinen
  • Mitarbeitende: weltweit rund 500, in CH ca. 400
  • Anteil US-Export: 15–25 %
Renzo Davatz leitet das Industrieunternehmen Netstal.
Foto: Netstal

CEO Renzo Davatz spricht von einer sehr grossen Herausforderung für sein Industrie-Unternehmen Netstal. «Wenn es bei den 39 Prozent bleiben sollte, wird das für unser US-Geschäft ein grosser Dämpfer sein», so Davatz (52). Eine eigene Produktion in den USA aufzubauen, sei schwierig und nur bedingt sinnvoll. «Wir werden Wege finden, um die Problematik zumindest teilweise zu entschärfen und abzufedern», so der Chef. 

Teilen
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?
Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.