Darum gehts
- Juso-Initiative könnte reiche Zuzüger abschrecken und Steuereinnahmen beeinflussen
- Superreiche beschäftigen viele Arbeitskräfte trotz Arbeitskräftemangel in der Schweiz
- Oberste 10 Prozent beanspruchen 50 Prozent aller Einkommen weltweit
Alle reden von den Milliardären, die wegen der Erbschaftssteuer-Initiative der Juso nicht mehr in die Schweiz kommen oder diese zu verlassen drohen. Das ist insgesamt eine bunte Schar, aber wir interessieren uns immer nur für einen ganz bestimmten Aspekt: Sie zahlen hier sehr viel mehr Steuern als die normalen Schweizer.
Deswegen melden vor allem die Verwalter der Staatskassen ihre Besorgnis an. So sagte Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter (61) in einem Interview mit dem «Tages-Anzeiger», dass es «verheerend für die Wirtschaft» wäre, wenn wir «in einer ohnehin schon schwierigen Situation» den Standort schädigen – sprich Steuerflüchtlinge abschrecken – würden. Und im Blick warnt die Obwaldner SVP-Nationalrätin Monika Rüegger (57): «Reiche Zuzüger bleiben weg.»
Doch es reicht nicht, einfach in die Schweiz auszuwandern. Man muss auch wissen, wo genau und mit welchen Finanzkonstrukten man die maximale Steuerersparnis herausholt. Dafür gibt es eigens eine Industrie – die Fluchthelfer für Superreiche. Auch deren Saläre und Gewinnaussichten leiden unter der drohenden Erbschaftssteuer.
Für andere Länder schlimmer
Sie versorgen deshalb die geneigte Presse mit alarmierenden Informationen. So konnte man in der «NZZ» lesen: «Juso-Initiative verhindert Zuzüge in die Schweiz. Die Welle von Steuerflüchtlingen aus London ist bisher weitgehend an der Schweiz vorbeigegangen – Italien profitiert.»
Damit spricht die NZZ eine andere Dimension unser Superreichen zwar nicht offen an, deutet ihn aber immerhin an: Mit ihrer Ansiedlung nehmen wir anderen Ländern bzw. Standorten die Steuereinnahmen weg. Und zwar fast ausschliesslich solchen, die – um Keller-Sutter zu paraphrasieren – sich in einer ‹noch schwierigeren Situation› befinden als wir, und für die das noch ‹verheerender› ist.
Zum Vergleich: Unsere Finanzministerin muss mit einer Staatsschuld von 17 Prozent des BIP zurechtkommen. In England sind es 101 und in Italien gar 135 Prozent. Wir jammern auf zu hohem Niveau. So gesehen ist die Juso-Initiative auch ein Akt der – man skandiere mit – in-ter-na-tio-na-len Soli-dari-tät!
Superreiche verschärfen Fachkräftemangel
Zudem: Die Superreichen kommen nicht hierher, um zu arbeiten, sondern sie lassen arbeiten, und zwar nicht zu knapp. Allein der Bau ihrer Residenzen beansprucht Dutzende Arbeitsjahre. Sie beschäftigen auch Chauffeure, Gärtner, Nannys, Steuerberater etc. Und das in einem Land, das über einen massiven Arbeitskräftemangel klagt. Da stimmt etwas nicht.
Ähnliches gilt übrigens auch für die meist sehr gut bezahlten Expats, die hier zwar immerhin arbeiten (danke schön!), aber auch leben und dabei dank ihrer hohen Kaufkraft meist gleich mehrere Arbeitskräfte beanspruchen – die auch erst einwandern müssen. Die 12-Millionen-Schweiz lässt grüssen. Allerdings: Für die Expats ist die Schweiz in letzter Zeit ein raueres Pflaster geworden.
Und dann wäre da noch die globale Dimension des in wenigen Händen angehäuften Super-Reichtums. Die Kaufkraft und der Konsum der einen sind bekanntlich die Jobs der anderen. Weltweit beanspruchen die obersten 10 Prozent gut die Hälfte aller Einkommen und 70 Prozent der Vermögen. In den weniger entwickelten Länder sind diese Anteile noch höher. Wenn nun diese Oberschicht samt ihrer Konsumkraft dorthin zieht, wo die Lebensqualität hoch und die Steuersätze tief sind, dann ist die Unterschicht dieser Länder gezwungen, dieser Nachfrage hinterher zu reisen, notfalls mit der Unterstützung von Fluchthelfern.
Zu dieser globalen Dimension gehört auch die Tatsache, dass der von der Schweiz (mit)angekurbelte Steuerwettbewerb die Vermögen der Superreichen noch schneller anschwellen lässt. Im Gegenzug steigen aber auch die Schulden der Staaten, was sie zu Kürzungen der Sozialausgaben zwingt. Der Teufelskreis dreht sich weiter. Wir befinden uns in der Tat in einer schwierigen Lage, mit voraussichtlich verheerenden Folgen.