US-Zollschock in Zahlen
Welchen Kantonen die 39 Prozent besonders wehtun

Der drohende US-Zollhammer würde mehrere Kantone schwer treffen: Bei Uhrenherstellern und Maschinenbauern sind Zehntausende Arbeitsplätze in Gefahr. In den Pharmakantonen steigt die Nervosität. Die Volkswirtschaftsdirektionen im Land bereiten sich vor – und hoffen.
Publiziert: 05.08.2025 um 21:33 Uhr
|
Aktualisiert: 05.08.2025 um 23:13 Uhr
Teilen
Anhören
Kommentieren
1/12
Die US-Zölle würden den wichtigsten Arbeitgeber im Kanton hart treffen.
Foto: keystone-sda.ch

Darum gehts

  • US-Zölle treffen einige Kantone ungemein härter als andere
  • In Nidwalden und in den Uhrenkantonen droht ein grosser Wirtschaftsschaden
  • In den Kantonen Aargau und Basel-Stadt fürchtet man sich vor Pharmazöllen
  • Die Konjunkturforschungsstelle rechnet mit einem merklichen Wirtschaftseinbruch
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
RMS_Portrait_AUTOR_377.JPG
Martin SchmidtRedaktor Wirtschaft

Das wird teuer: Ab Donnerstag fällt auf viele in den USA begehrte Schweizer Produkte ein Zoll von 39 Prozent an. Darunter Nespresso-Kapseln, Lutschbonbons von Ricola, Uhren von Breitling, Swatch oder Rolex sowie Gruyère-Käse. Nur ein Last-Minute-Deal mit US-Präsident Donald Trump (79) kann die hohen Zölle noch abwenden.

Schlägt der Zollhammer zu, trifft er einige Regionen in der Schweiz deutlich härter als andere. Am heftigsten schlagen die Zölle voraussichtlich im Kanton Nidwalden ein. Der kleine Kanton verdient fast jeden zweiten Franken im Export in den USA. Das liegt in erster Linie am wichtigsten Arbeitgeber: die Pilatus Flugzeugwerke mit Sitz in Stans.

Deren Flieger sind den USA heiss begehrt. «Entsprechend wäre das Unternehmen von hohen US-Zöllen stark betroffen», sagt Othmar Filliger (60), Volkswirtschaftsdirektor von Nidwalden. Ein Zollsatz von 39 Prozent wäre für die Nidwaldner Wirtschaft eine «sehr hohe Handelsbarriere» und «eine enorm grosse Herausforderung». Die Regierung will Pilatus und andere allfällig betroffene Firmen bei Bedarf mit der Einführung von Kurzarbeit unterstützen.

Diese Branchen leiden am meisten

Pilatus verfügt zwar über ein Endmontagewerk in Broomfield im US-Bundesstaat Coloardo und kann so zumindest einen Teil der Zölle abfedern. Doch der Grossteil der Wertschöpfung geschieht in Stans, wo das Unternehmen fast 3000 Angestellte beschäftigt. Dort sind die Sorgen gross. Bevor die Zölle nicht in Kraft sind, hält man sich mit Einschätzungen in den Medien zurück. Man wird bis zur letzten Minute hoffen, dem Zollhammer zu entrinnen.

Die Pilatus Flugzeugwerke zeigen: Das Qualitätssiegel «Swissmade» wird wegen der Zölle plötzlich zur Hypothek. «Am stärksten treffen die Zölle die Maschinenbauer, Hersteller von Apparaten, Elektronikgeräten und Präzisionsinstrumenten sowie Uhrenproduzenten im mittleren und unteren Preissegment, die stark in die USA exportieren», sagt Hans Gersbach (65), Ko-Leiter der Konjunkturforschungsstelle (KOF) an der ETH Zürich.

Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.

«US-Geschäft könnte einbrechen»

Die bekannten Uhrenhersteller befinden sich in den Kantonen Genf, Jura, Neuenburg, Schaffhausen und auch Bern. Hier werden Zeitmesser von Rolex, Vacheron Constantin, Patek Philippe, Jaeger-LeCoultre, Audemars Piquet, Tissot oder Omega hergestellt. Bei den teuren Marken sind die Margen hoch. Zudem sind potenzielle Käufer deutlich weniger preissensibel. Steigen die Preise bei günstigeren Brands durch die Zollaufschläge merklich an, drohen hingegen rasch viele Käufer wegzufallen.

Swissmem-Präsident Martin Hirzel (55) liess im Blick-Interview die Alarmglocken schrillen: «Ich rechne mit einer Entlassungswelle.» Der Techverband vertritt die Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie. Gerade im Kanton St. Gallen dürfte einige Firmen unter Druck geraten. Hier liegt die Hochburg für die Herstellung von Präzisionsinstrumenten. Fast ein Fünftel der kantonalen Exporte geht in die USA. Auch in den Kantonen Zürich und Aargau sowie in der Zentralschweiz ist der Maschinenbau ein wichtiges Standbein.

Der Pharmakanton Basel-Stadt exportiert Produkte für über 20 Milliarden in die USA.
Foto: STEFAN BOHRER

Der Aargau liefert fast einen Viertel aller Exporte in die USA. Dieter Egli (55), der als Landammann der Kantonsregierung vorsteht, wartet deshalb gebannt, ob die Zölle dieses Mal tatsächlich in Kraft treten. «Natürlich besteht die Gefahr, dass das US-Geschäft bei einigen Exportfirmen einbrechen würde. Fast 40 Prozent höhere Kosten durch diese Zölle kann ein Unternehmen im Normalfall weder anderweitig einsparen noch auf die Kunden überwälzen», sagt er.

Basel-Stadt: 20 Milliarden Franken in den USA

Was Egli derzeit ein wenig beruhigt: «Der allergrösste Teil der Exporte in die USA entfällt auf die Pharmabranche», sagt er. Wie lange die Pharmaindustrie noch von Zöllen verschont bleibt, ist fraglich. Am Dienstagnachmittag droht Trump der Branche erneut mit Zöllen. Zuerst mit einem tiefen Zollsatz, der bis auf 250 Prozent steigen soll, falls die Konzerne die Medikamentenpreise nicht senken. Das wäre für den Pharmakanton Basel-Stadt ein harter Schlag. 2024 gingen von hier Waren für über 20 Milliarden Franken in die USA.

Egli steht mit den Aargauer Wirtschaftsverbänden im Austausch. Kommen die Zölle, wollen die Behörden Hand bieten. «Die Kurzarbeit ist dabei ein wichtiges Mittel, um Arbeitsplätze zu erhalten», sagt der Landammann. Mittelfristig müssten die betroffenen Unternehmen neuen Absatzmärkten suchen, was angesichts des globalen Wettbewerbs nicht einfach sei. Mit Verzögerung würden zudem wohl auch andere Branchen, die nicht direkt in die USA exportieren, die Auswirkungen dieser Entwicklung spüren.

Bei Pharmazöllen droht eine Rezession

Gemäss Berechnungen der KOF schrumpft die Schweizer Wirtschaft wegen der US-Zölle um mindestens 0,3 Prozent. Der Schaden könnte gar deutlich grösser ausfallen, sagt KOF-Co-Leiter Gersbach. «Durch die Zölle werden Geschäftsbeziehungen zwischen Schweizer Firmen und US-Unternehmen leiden und in vielen Fällen ganz beendet. Fallen Lieferketten vollständig weg und müssen neu aufgebaut werden, könnte das Bruttoinlandsprodukt sogar um das Doppelte sinken.» Das entspräche einem Rückgang von 0,6 Prozent – ein Verlust, der jede Schweizerin und jeden Schweizer fast 600 Franken kosten würde.

Unserer Wirtschaft droht aber noch grösseres Ungemach. Sollten Pharmaexporte ebenfalls mit 39 Prozent Zoll erhoben, schrumpft die Wirtschaft um mindestens 0,7 Prozent. «Bei Zöllen auf Pharmaprodukte besteht zudem ein reales Risiko, dass wir in eine Rezession rutschen», so Gersbach.

Teilen
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?
Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.