Darum gehts
- Geheimtipps werden beliebter, können aber wegen Social Media überrannt werden
- Authentische Erlebnisse und Nachhaltigkeit treiben den Trend zu unbekannten Reisezielen
- Drei Experten erklären, was Geheimtipps ausmacht und wie sie sich entwickeln
Immer mehr Menschen haben genug von den Touristenmassen am Eiffelturm in Paris oder auf der Rialtobrücke in Venedig. Stattdessen werden ruhige, authentische Reisealternativen stetig beliebter. Doch was macht solche echten Geheimtipps überhaupt aus? Und wie lange bleibt ein Ort geheim, bevor er von Touristen überrannt wird?
«Um für Reisende überhaupt attraktiv zu sein, brauchen auch Geheimtipps eine solide touristische Infrastruktur», weiss Jürg Stettler (59), der das Institut für Tourismus und Mobilität an der Hochschule Luzern (HSLU) leitet. Sein Kollege Fabian Weber (49), der ebenfalls an der HSLU forscht, ergänzt: «Dazu gehören unterschiedliche Attraktionen, Erlebnis- und Verpflegungsangebote, Unterkünfte oder auch Parkplätze.»
Weber weiss: «Ein richtiger Geheimtipp verbreitet sich oft nur über Mundpropaganda oder in bestimmten Communitys.» Weil diese Orte nicht auf grosse Massen ausgelegt seien, wirken sie oft authentischer – und seien meist günstiger als bekannte Touristenziele.
Menschenmassen auch bei vermeintlichen Geheimtipps
Wenn allerdings über einen Geheimtipp gesprochen wird, dann ist dieser im eigentlichen Sinne gar keiner mehr. «Dieses Risiko besteht natürlich», bestätigt Stettler. «Heikel wird es dann, wenn ein Ort ungeplant ins Visier von Touristen gerät. Beispielsweise durch einen Post auf Instagram, der viral geht.»
Ungewollte Bekanntheit durch Social Media ist laut Weber für die Einheimischen ein Risiko: «Unter Hashtags wie ‹Travel Dupes› kursieren immer mehr alternative Reiseziele.» Wenn solche Destinationen plötzlich einen Hype erführen, werde es für die Verantwortlichen vor Ort schwieriger, Besucherströme zu lenken. «Insbesondere bei kleineren, oft ländlichen Destinationen kann das zu Problemen führen, wenn sie nicht über die entsprechenden Kapazitäten verfügen», so Weber.
Reiseexpertin Emanuele Mele (34) von der Fachhochschule Wallis sieht vor allem einen Trend hin zu kleineren, weniger bekannten Ferienzielen. «Für manche kann das Alltagsleben der Einheimischen sogar fesselnder sein als traditionelle Touristenattraktionen», erklärt sie. Auch spiele der Preis eine Rolle, der bei eher unbekannten Destinationen tiefer sei.
Vorsicht bei der Geheimtipp-Vermarktung
Eigentlich mache es keinen Sinn, Destinationen als Geheimtipp zu vermarkten, sind sich die befragten Expertinnen und Experten einig. «Versucht man, sich über Reiseplattformen oder Social Media als Geheimtipp zu verkaufen, geht der geheime Aspekt schon mit dieser Handlung verloren», so Stettler.
Für ihn ist klar: Das Label «Geheimtipp» ist bisweilen auch eine Mogelpackung. «Wer damit wirbt und sich so höhere Besucherzahlen erhofft, führt Reisende in die Irre.» Für einige Ferienorte biete das Label «Geheimtipp» aber durchaus eine Chance, sich als Alternative zu bekannten Destinationen zu positionieren.