Immer mehr GaultMillau-Köche geben auf
Was ist bei den Spitzenrestaurants los?

Die gehobene Gastronomie in der Schweiz erlebt schwierige Zeiten: Immer mehr Spitzenrestaurants müssen schliessen. Was ist da los? Ein Brancheninsider nennt die Gründe – einer davon überrascht besonders.
Publiziert: 08:55 Uhr
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Aktualisiert: vor 33 Minuten
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Dave Wälti (37), Spitzenkoch Restaurant Verena Olten SO, kündigte die Schliessung an. Die Rechnung gehe nicht mehr auf.
Foto: Digitale Massarbeit

Darum gehts

  • Die Schweizer Spitzengastronomie leidet
  • Gründe sind vielfältig
  • Konkurswelle trifft die gesamte Branche
  • Verbandschef spricht von Strukturwandel
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Martin SchmidtRedaktor Wirtschaft

Die gehobene Küche und Spitzengastronomie leidet: Jüngst hat das Paradies in Baden AG geschlossen. Zudem verkündeten das Veranda in Bern, das Verena in Olten SO oder das Rosi in Zürich das baldige Aus. Das sind nur vier GaultMillau- oder Michelin-Sterne-Lokale von vielen Beispielen. Kaum eine Woche vergeht, in der nicht mindestens ein Spitzenkoch den Bettel hinschmeisst.

Die Gründe für die vielen Schliessungen sind vielfältig, wie die jüngsten Fälle und Gespräche mit Branchenvertretern zeigen: fehlendes Personal, steigende Mieten, ein verändertes Konsumverhalten der Gäste, sinkende Umsätze, hohe Personalkosten. «Wir erleben in der Gastronomie einen Strukturwandel, der auch vor der gehobenen Küche nicht haltmacht», bestätigt Urs Pfäffli (62), Präsident des Zürcher Gastroverbands.

Deutliche Zunahme bei Betriebsschliessungen

Doch längst ist nicht nur die Spitzenküche betroffen: Gemäss der Wirtschaftsauskunftei Crif mussten zwischen Januar und September quer durchs Land fast 900 Gastrobetriebe Konkurs anmelden – das ist gut ein Viertel mehr als im Vorjahr. Die effektive Zahl der Betriebsschliessungen liegt jedoch deutlich höher, da viele Betreiber noch vor dem Konkurs die Reissleine ziehen.

Pfäffli beobachtet zudem einen Trend hin zu Gastroketten: «Gerade für Einzelbetriebe sind die hohen Kosten ein grosses Problem. Deshalb sehen wir immer mehr Gastronomen, die mehrere Betriebe führen und so zum Beispiel im Einkauf deutlich bessere Konditionen aushandeln können.»

Ketten können teilweise auch ihr Personal in mehreren Betrieben einsetzen – und so Kosten optimieren. Eine Lösung, die sich in der sehr personalintensiven Spitzengastronomie nicht anbietet. «Es steckt sehr viel Handarbeit im Produkt und seit Corona sind die Löhne enorm gestiegen», sagt Pfäffli.

«Im Verhältnis zum Aufwand ist Essen oft zu günstig»

In bedienten Restaurants galt früher die Faustregel, dass die Personalkosten unter 40 Prozent der Ausgaben liegen müssen. Mittlerweile machen sie meist mehr als die Hälfte der Gesamtkosten aus. Wer die Marktlöhne nicht zahlt, findet kein gutes Personal – sei es in der Küche oder im Service.

Pfäffli betont, dass die Branche keinesfalls stillsteht, sondern sehr innovativ unterwegs sei. «Spitzenbetriebe setzen auf Regionalität und Nachhaltigkeit.» Zudem werde bei Fleischgerichten oft das ganze Tier verwerten. Da stecke viel Überzeugung und Herzblut dahinter. «Im Verhältnis zum Aufwand ist das Essen oft zu günstig, sodass es sich am Ende nicht rechnet», sagt Pfäffli. Den oft gehörten Vorwurf, die Spitzenküche in der Schweiz sei schlicht zu teuer, lässt er nicht gelten. «Das Gegenteil ist der Fall», sagt er.

Lange Zeit konnten Gastrobetriebe dank des Alkoholverkaufes in die Gewinnzone gelangen. Doch der rückläufige Alkoholkonsum macht ihnen immer öfters einen Strich durch die Rechnung.

«Bevölkerung schaut mehr aufs Geld»

Dem riesigen Aufwand steht oft ein minimaler Profit gegenüber: Restaurants werfen gemäss dem Gastrospiegel im Schnitt eine Rendite von einem Prozent ab. Spitzenrestaurants werden häufig durch Hotelbetriebe quersubventioniert.

Die reiche Schweiz hat die weltweit höchste Dichte an Restaurants mit einem Michelin-Stern. «Doch die Kosten steigen seit mehreren Jahren kontinuierlich und die Marge erodiert», sagt Beat Imhof (53), Präsident von Gastrosuisse.

Die wirtschaftlichen Unsicherheiten hinterlassen Spuren. «Mittlerweile kürzen viele Firmen ihre Budgets für Mitarbeiteressen, und auch die Bevölkerung schaut mehr aufs Geld und konsumiert zum Beispiel weniger oder günstigeren Wein», so Imhof. Ein guter Tropfen als Begleiter zum feinen Essen ist auch für Gourmetrestaurants eine wichtige Einnahmequelle.

Imhof verweist zudem auf die Uhrenindustrie in der Westschweiz. Diese leidet unter den US-Zöllen und das kriegt schlussendlich auch die Gastronomie zu spüren.

Auch viele Neueröffnungen

Ein weiterer Grund für die vielen Konkurse ist eine Änderung im Betreibungsrecht: Seit dem 1. Januar können die Betriebe bei Steuerschulden oder für nicht bezahlte Sozialbeiträge direkt auf Konkurs betrieben werden. Zudem führen nicht zurückbezahlte Covid-Kredite zu Pleiten.

Das Gastroangebot in der Schweiz bleibt aber gross und vielfältig, da es gleichzeitig viele Neueröffnungen gibt. Pfäffli glaubt an die Zukunft: «In der heutigen Zeit von Social Media und Künstlicher Intelligenz bleiben die Restaurants ein wichtiger sozialer Treffpunkt.»

Die Gäste von Verena-Spitzenkoch Dave Wälti (37) müssen sich jedenfalls ab Frühjahr 2026 ein neues Lokal suchen: «Wenn die Auslastung so stark schwankt wie in diesem Jahr, ist mir das finanzielle Risiko zu gross. Ich habe Familie und zwei Kinder, da will ich nicht mit Existenzängsten leben.»

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