Spitzenkoch Wälti erklärt, warum er trotz Auszeichnung sein Lokal schliesst
«Ich habe Familie, da will ich nicht mit Existenzängsten leben»

Kaum ausgezeichnet, gehen die Herdplatten im Restaurant Verena in Olten SO schon bald endgültig aus: Spitzenkoch Dave Wälti spricht mit Blick über seine schwerste Entscheidung.
Publiziert: 29.10.2025 um 16:07 Uhr
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Aktualisiert: 29.10.2025 um 20:44 Uhr
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Spitzenkoch Dave Wälti zieht beim Restaurant Verena in Olten SO die Reissleine.
Foto: Digitale Massarbeit

Darum gehts

  • Spitzenkoch Dave Wälti schliesst Restaurant Verena trotz Michelin-Stern aus wirtschaftlichen Gründen
  • Gäste geben weniger aus, trinken weniger Wein, Gruppenreservationen stark rückläufig
  • 80 Prozent weniger Gruppenreservationen für Wintermonate im Vergleich zum Vorjahr
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Martin SchmidtRedaktor Wirtschaft

Spitzenkoch Dave Wälti (37) erlebt im Restaurant Verena in Olten SO derzeit eine emotionale Achterbahnfahrt. Erst vor zwei Wochen durfte er sich über seinen ersten Michelin-Stern freuen. Am Dienstag verkündete er überraschend, dass er das Restaurant aus wirtschaftlichen Gründen im Frühjahr 2026 schliesst. «Wir haben merklich weniger Gäste und die geben pro Kopf weniger Geld aus», sagt Wälti zu Blick. Das zeige sich auch bei Gruppenreservationen. «Vor eineinhalb Jahren fragten Gruppen nach einem Menu für 80 bis 100 Franken pro Person. Heute sind 70 Franken Standard.» Die Gäste trinken auch immer weniger Wein, der für die Margen des Restaurants so wichtig ist.

Die monatlichen Umsätze im Restaurant Verena sind seit April deutlich gesunken. Das September-Geschäft fiel besonders schlecht aus. Doch auch im Oktober blieb es überdurchschnittlich ruhig. «Wir können uns maximal drei schlechte Monate pro Jahr leisten», so Wälti. Umso mehr müsste das Geschäft in den wichtigen Wintermonaten rauschen. Doch ein Blick in die Bücher war für Wälti alarmierend: «Wir hatten für die Wintermonate im Vergleich zum Vorjahr 80 Prozent weniger Gruppenreservationen.» In der kalten Jahreszeit sind Gruppen ein entscheidender Umsatztreiber. «Da war mir klar, dass ich die Reissleine ziehen muss, damit noch ein sauberer Schnitt möglich ist.»

«Finanzielles Risiko zu gross»

Der Michelin-Stern habe am Entscheid nichts geändert. «Über diese Auszeichnung haben wir uns extrem gefreut und wir verzeichnen auch wieder mehr Reservationen», so Wälti. Doch er sei realistisch: Dieser Aufschwung werde nur begrenzt anhalten. «Wenn die Auslastung so stark schwankt wie in diesem Jahr, ist mir das finanzielle Risiko zu gross. Ich habe Familie und zwei Kinder, da will ich nicht mit Existenzängsten leben.»

In Metropolen wie Zürich mag ein Stern einen länger anhaltenden Effekt haben. In Olten fehlt dafür jedoch das Einzugsgebiet – und auch die Touristen. Wälti weiss, wovon er spricht. Der Spitzenkoch hat das Restaurant im November 2022 übernommen und wurde bereits zweimal mit 15-Gault-Millau-Punkten ausgezeichnet. Damit ein Restaurant in Olten läuft, muss es eine breite Gästeschicht ansprechen. Ein Stern könne dabei sogar kontraproduktiv sein. «Solche Auszeichnungen schrecken auch Gäste ab, weil sie denken, dass es bei uns viel teurer ist und die Portionen klein sind», sagt er. «Das ist aber ein Klischee.» 

Schwierige Startphase mit Baustelle vor der Tür

Besonders ärgerlich war für Wälti auch die Startphase nach der Übernahme des Restaurants. 2023 war die Kantonsstrasse vor dem Betrieb während neun Monaten eine Baustelle. «In den drei schlimmsten Monaten habe ich die Hälfte des Umsatzes eingebüsst.» Er habe mehrfach bei den Behörden interveniert. Wirklich geholfen habe das aber nicht. «Da ist man den Behörden einfach extrem ausgeliefert.» Im erfreulichen Folgejahr konnte das Restaurant einen Teil der Einbussen wieder wettmachen. 

Doch seither leidet das Restaurant Verena unter denselben Problemen, wie die gesamte Branche: Weniger Gäste, sinkende Umsätze. Bis im Frühjahr will er mit seinem Team die Gäste aber weiterhin mit Spitzenküche verwöhnen. Ab November mit einem angepassten Konzept ohne À-la-Carte-Angebot nur mit Menu. «Nach der Schliessung, die viel Arbeit mit sich bringt, werde ich mir eine kleine Auszeit für die Familie nehmen», sagt er. Zu tun hat er aber weiterhin: Er betreibt am Bahnhof Bern ein Take-away-Restaurant. Sobald er eine passende Möglichkeit sieht, werde er wieder selbst in der Küche stehen, verspricht er. 

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