Darum gehts
- Hitzewelle in der Schweiz. Mehr Schweizer bleiben für Sommerferien im Land
- Bergregionen profitieren von Coolcation-Trend für kühlere Nächte und Workations
- Tessin verzeichnet Zuwachs bei kurzfristigen Buchungen und jungen Reisenden
Die Schweiz schwitzt. Die Hitzewelle in Europa führt zu ersten Toten in Frankreich und Italien. Auf der Ferieninsel Kreta und in der Türkei toben Waldbrände. Heiss her gehts auch in der Weltpolitik: Konfliktherde im Nahen Osten verunsichern Reisende ebenso wie die angespannte politische Lage in den USA.
Was heisst das für unsere Ferienentscheide? Bleiben Schweizerinnen und Schweizer dieses Jahr vermehrt in heimischen Gefilden? Einen Rekordsommer wie 2024 bei einheimischen Gästen erwarten Hoteliers zwar nicht, wie Schweiz Tourismus kürzlich prognostizierte. Doch das könnte sich noch ändern, zumal viele ihre Sommerferien in diesem Jahr sehr kurzfristig buchen, wie eine Blitzumfrage von Blick bei Tourismus-Verantwortlichen zeigt.
Schweizer suchen die Sommerfrische
Ernst «Aschi» Wyrsch (64), Präsident des Branchenverbandes Hotelleriesuisse Graubünden: «Unsere Mitglieder erwarteten vor Kurzem für den Sommer noch ein Wachstum von 3,8 Prozent, doch dieser Wert wird höher liegen», sagt er zu Blick. Wenn Meldungen von Temperaturen über 40 Grad im Mittelmeerraum die Runde machen, sei dies in der Nachfrage sofort spürbar. Sowohl von Kunden aus der Schweiz als auch aus den Nachbarländern.
Laut Wyrsch suchen diese die Sommerfrische der Berge und buchen verstärkt Orte auf über 1000 Metern Höhe: «Den meisten geht es vor allem darum, kühle Nächte zu haben.» Auch für «Workations», also Arbeiten an Ferienorten, an kühleren Orten gebe es mehr Nachfrage. Platz hat es auch kurzfristig noch genug, versichert Wyrsch. Weil der Sommer weniger weit im Voraus gebucht werde als der Winter. «Wenn das so weitergeht, können wir in 20 Jahren im Sommer dieselben Preise wie im Winter verlangen», scherzt er.
Ähnlich klingt es bei Christine Abel (57), Direktorin des Hotel Castell in Zuoz GR: «Aufgrund der politischen Situation im Nahen Osten und des dichten Flugverkehrs auf den Ausweichrouten erwarten wir, dass sehr viele Schweizer doch im Land bleiben werden.» Auch aufgrund des prognostizierten Hitzesommers spüre sie vermehrte Buchungen besonders für die Bergregionen.
Die Flucht in kühlere Feriengebiete nennt die Vermarktungsorganisatiion Schweiz Tourismus neudeutsch «Coolcation».
Tourismuskantone sind positiv gestimmt
Der stärkere Trend zu Ferien im eigenen Land ist in allen Schweizer Ferienregionen spürbar. Benjamin Arvis-Maxit (34) von der Region Dents du Midi VS erklärt, dass die Anzahl Schweizer Gäste im letzten Jahr bei 55,4 Prozent lag und im laufenden Jahr bis und mit Juni bereits auf 62 Prozent angestiegen sei. Samuel Hofmann (34), Direktor Goms VS Tourismus, spricht sogar von einem aktuellen Plus von 15 Prozent bei den Tagesgästen im Vergleich zum Vorjahr!
Auch Annette Stoffel (53), Chefin von Hotelleriesuisse Berner Oberland, rechnet «mit zahlreichen Schweizer Tagesgästen, die aus der städtischen Hitze flüchten». Zwar sei auch die Nachfrage aus dem Ausland – etwa aus Nordamerika, Asien oder Arabien – weiterhin sehr gut. Bei arabischen Gästen habe die geopolitische Lage aber «zu ersten Unsicherheiten und wenigen Annullationen» geführt.
Angelo Trotta (60), Direktor von Tessin Tourismus, meldet für den Sommer ebenfalls einen Zuwachs der kurzfristigen Buchungen: «Dieser Trend zeichnet sich aber generell nicht mehr nur im Hochsommer ab.» Besonders erfreulich sei aus seiner Sicht, dass auch junge Menschen vermehrt spontan ins Tessin reisen. Es hat auf jeden Fall noch freie Übernachtungskapazitäten.
Nicht nur spontan, sondern auch länger: Ivan Zorloni (63), Direktor des Grand Hotel Villa Castagnola in Lugano TI, verzeichnet zwar einen spürbaren Anstieg der Nachfrage von Schweizer Familien. Aber auch, dass diese Familien «ihre Ferien bei uns wesentlich länger verbringen als in der Vergangenheit.»
Dieter Rumpel (60), Direktor des Ferienwohnungsvermittlers E-Domizil, stellt fest, dass die Nachfrage in den letzten Wochen massiv angezogen hat: «Auch im Schweizer Alpenraum, aber nicht ausschliesslich darauf fokussiert.» Viele Kurzfristbuchungen kämen von Schweizern, zwar nicht nur für Wohnungen in der Schweiz, aber insgesamt wachse die Nachfrage hierzulande.