Darum gehts
- USA plant Zollerhöhung für EU-Waren. Schweiz befürchtet ähnliche Massnahmen
- Swissmem: Bei 31 Prozent Zoll würde ein Viertel der Firmen ihr US-Geschäft einstellen
- Verkraftbar wäre ein Zollzuschlag von 10 Prozent
Am Wochenende ist der Zollhammer auf die EU niedergeknallt: Ab dem 1. August gilt für alle Waren aus der EU ein Zoll von 30 Prozent. Damit hatte niemand gerechnet, weil die EU am Liberation Day nur mit einem Zuschlag von 20 Prozent abgestraft worden war. Zudem waren die Europäer ziemlich zuversichtlich, kurz vor einem Deal mit Zollzampano Donald Trump (79) zu stehen.
Nun beginnt in Bundesbern und in der Schweizer Wirtschaft das grosse Zittern. Denn inzwischen ist klar: Ein Brief von Trump heisst für ein Land nichts Gutes, meist gibt es eine Erhöhung des am 2. April verkündeten Zollsatzes. Damals bestimmte Trump Zoll einen Strafzoll von 31 Prozent für die Schweiz.
Karin Keller-Sutter (61) ist zuversichtlich, dass es für die Schweiz nicht ganz so schlimm kommen muss: «Irgendwie habe ich den Zugang zu Trump gefunden», so die Bundespräsidentin im Interview mit Blick. Nur, ob sich dieser Zugang auch wirtschaftlich und zollmässig auszahlt, das weiss in diesen Tagen niemand.
Die Schweiz muss mit dem Schlimmsten rechnen und kann auf das Beste hoffen – das sind mögliche Szenarien im Zollstreit mit den USA.
Der schlimmste Fall: 31 Prozent oder mehr
Trump hält am Zollsatz von 31 Prozent fest oder legt – wie bei der EU – noch eine Schippe drauf. Das wäre ein deutliches Zeichen an die Schweizer Verhandlungsdelegation: Das Angebot ist aus Trumps Sicht völlig ungenügend. Der US-Präsident erhöht deshalb den Druck. Macht er Ernst, würde ein solcher Zollhammer die Schweizer hart treffen. «Je höher der Zollsatz, desto gravierender die Auswirkungen», sagt Jean-Philippe Kohl (59) Vizedirektor und Leiter Wirtschaftspolitik bei Swissmem, dem Branchenverband der Schweizer Techindustrie. «Zölle führen zu einem vorsätzlichen Zerstören von Geschäftsmöglichkeiten.» Gemäss einer Umfrage von Swissmem würde in diesem Fall ein Viertel der Firmen das USA-Geschäft verlieren – entweder weil sich damit keine Gewinne mehr erzielen liessen oder weil die US-Kunden sich die Schweizer Maschinen schlicht nicht mehr leisten könnten.
Schlimm, aber teilweise verkraftbar: 15 bis 25 Prozent
Bei den aktuellen Entwicklungen müsste die Schweiz bereits mit einem Zollsatz von 15 bis 20 Prozent zufrieden sein. Simon Evenett hält dies für das realistischste Szenario. Er ist Professor für Geopolitik und Strategie am Internationalen Institut für Managemententwicklung IMD in Lausanne. «Für die Wirtschaft wäre das sehr schmerzhaft. Gerade für Branchen mit tiefen Gewinnmargen.» Die Unternehmen wären erneut zu einer Rosskur gezwungen. «Sie müssten in den nächsten Jahren ihre Produktivität steigern und Produkte weiter verbessern», so Evenett. Die Pharmaindustrie wäre von höheren Zöllen ausgenommen.
Kohl von Swissmem rechnet mit einem Zollsatz von 15 bis 25 Prozent. In diesem Fall stünde die Schweiz besser als die EU da, was die Wettbewerbsposition der Schweizer Firmen verbessern würde.
Andererseits: Je höher der Zoll, desto geringer die Nachfrage. Das heisst, auch bei einem Zollsatz in dieser Bandbreite dürften einige Firmen auf das Geschäft mit den USA verzichten. Denn in der Maschinenindustrie liegt die Marge meist deutlich unter 20 Prozent.
Hart, aber bewältigbar: 10 bis 15 Prozent
Mehr oder weniger glücklich schätzen dürfte sich die Schweiz, wenn der aktuelle Status quo beibehalten wird. Das heisst: ein Zollaufschlag von 10 Prozent auf die bisherigen moderaten Einfuhrzölle von ein paar Prozent. Der Vorteil: Zölle in dieser Höhe liessen sich eher auf die Kunden überwälzen, da viele Schweizer Firmen Produkte anbieten, die die amerikanischen Kunden nirgendwo sonst beziehen können. «Das tut zwar weh, wäre aber teilweise bewältigbar», sind sich Kohl und Evenett einig. Das Problem: Zahlen die amerikanischen Konsumenten und Unternehmen die Zölle, müssen sie den Gürtel enger schnallen. Dadurch wird die Nachfrage nach ausländischen Gütern sinken – was auch die Schweizer Exporteure spüren.
Undenkbar ist, dass die Schweiz ganz ohne Zollzuschlag auskommt. Dann würden die Importzölle in die USA auf aus heutiger Sicht fast paradiesische 2 bis 6 Prozent zurückfallen. Doch dieses Szenario ist fern jeglicher Realität, solange der US-Präsident an die heilende Kraft der Zölle für die US-Wirtschaft glaubt.