Darum gehts
- Trump verschickt Zoll-Briefe. Schweiz wartet noch auf Nachricht
- Präsident lässt Hintertürchen für Anpassungen der Zölle offen
- 14 Briefe versendet, Japan und Südkorea unter den Empfängern
Das Ganze hatte etwas von Reality-TV: Donald Trump (79) verschickte am Montag Zoll-Brief um Zoll-Brief, während der Rest der Welt vor dem Inhalt bibberte. Der US-Präsident, dessen landesweite Popularität auch auf seiner Rolle als strenger Moderator seiner TV-Sendung «The Apprentice» fusst, ging wie der Bachelor mit seinen Rosen vor. Einzeln postete er die Briefe auf seinem Kurznachrichtendienst Truth Social. Bloss war im Vorfeld nicht klar, ob es sich um eine blumige Nachricht oder eine dornige Rüge handelt.
14 solche Briefe versendete Trump – alle mit praktisch gleichem Inhalt. Nur die Höhe der Strafzölle änderte sich von Land zu Land. Und die Schweiz muss weiter auf Post aus dem Weissen Haus warten, das Zittern in Bundesbern geht also weiter. Denn Trump bleibt unberechenbar. Und doch lässt seine Briefaktion einige Schlüsse zu.
Lange Briefe, wenig Inhalt
Donald Trump ist ein Meister der Inszenierung. Niemand ausserhalb des Oval Office wusste im Vorfeld, was der US-Präsident mit seinen Briefen genau bezweckt. Auch nicht der Bundesrat. Kommt mit der Post ein erneuter Zollhammer? Oder ist die Botschaft eher eine wirtschaftliche Liebesbekundung? Jetzt stellt sich heraus: weder noch. Der US-Präsident hat mehrheitlich jene zusätzlichen Strafzölle bestätigt, die er bereits an seinem sogenannten «Befreiungstag» am 2. April verkündet hatte – mit Abweichungen von wenigen Prozentpunkten. Einzig die zwei südostasiatischen Länder Kambodscha und Laos dürften leicht aufgeatmet haben, weil sich ihre Zollraten substanziell reduziert haben. Gut für sie, für den globalen Welthandel aber vernachlässigbar.
Trump bleibt «Taco»
Der US-Präsident mimt gerne den starken Mann. Entsprechend erzürnt war er über die Taco-Memes, die im Mai aufgetaucht waren. «Taco» steht für «Trump always chickens out» – auf Deutsch: Trump macht stets einen Rückzieher. Der Begriff machte in der amerikanischen Wirtschaft die Runde, um das Hin und Her des US-Präsidenten zu beschreiben. Von diesem Zickzackkurs ist Trump bisher nicht weggekommen. So kündigte er in seinen Briefen an, dass die Zölle dann ab 1. August gelten sollen. Ursprünglich hätten sie aber schon diese Woche in Kraft treten sollen.
Und gleichzeitig liess er auch noch ein Hintertürchen offen: «Diese Zölle können – je nach unseren Beziehungen zu Ihrem Land – nach oben oder unten angepasst werden», schrieb Trump den 14 betroffenen Staatsrepräsentanten. Aus rein taktischer Sicht ist dieser Zucker-oder-Peitsche-Ausweg sinnvoll, schliesslich nutzt der US-Präsident die Zölle als Druckmittel. Ein Zoll-Hardliner, der ohne Zaudern agiert, ist Trump damit aber nicht, das Taco-Image kann er also nicht ablegen.
Finanzmärkte interessieren die Trump-Briefe nicht (gross)
Der Schaden von Trumps Zoll-Briefen hält sich an den Börsen stark in Grenzen. Der US-Leitindex büsste am Montag 0,9 Prozent ein. In Japan, wo nach der Post aus dem Weissen Haus mit Zöllen von 25 Prozent mehr Gewissheit herrscht, ist der Nikkei-Index gar positiv aus dem Handel gegangen. Auch die europäischen Börsen zeigen sich relativ unbeeindruckt, obwohl man hier weiter auf neue Botschaften von Trump wartet. Der Schweizer SMI verliert bis nach dem Mittag knapp 0,5 Prozent. Der deutsche Dax legt gar um 0,3 Prozent zu. Der Eurostoxx der 50 wertvollsten Unternehmen des Euro-Raums verharrt auf dem Vortagesniveau.
Diese Nicht-Reaktion steht im starken Kontrast zum Börsengewitter nach Trumps Zollhammer Anfang April. Damals war es zu starken Kursverlusten an den globalen Finanzmärkten gekommen, wovon sich die Börsen erst Monate später erholt haben. Oder noch immer daran sind, die Verluste wieder wettzumachen.
Die grossen Player warten noch – auch die Schweiz
Mit den ersten zwei Briefen wandte sich Trump am Montag an zwei wichtige Handelspartner. Japan und Südkorea gehören zu den grössten Exportländern für den amerikanischen Markt. Die USA importierten vergangenes Jahr japanische Güter im Wert von knapp 150 Milliarden Dollar und südkoreanische Waren für 130 Milliarden Dollar. Auch die Aussenhandelsbeziehungen zu den mittels Brief adressierten Ländern Thailand und Malaysia sind nicht zu vernachlässigen.
Trotzdem kann man bilanzieren: Entscheidende Wirtschaftsblöcke hat Trump bisher ausgespart. So wartet die EU weiter auf Post aus Washington. Gleiches gilt für Indien – immerhin das bevölkerungsreichste Land der Welt. Und auch für die Schweiz, wo der Bundesrat irgendwo zwischen Zweckoptimismus und angespanntem Warten verharrt. Und gespannt ist auf die zweite Folge von Trumps neuer Reality-TV-Serie.