Darum gehts
- Michael Storer: Australischer Rundfahrer mit grosser Hoffnung für Giro d'Italia
- Storer schöpft Kraft aus Vergangenheit und hat neue Familie in Italien gefunden
- 28-jähriger Bergspezialist wurde letztes Jahr Zehnter beim Giro d'Italia
Er sieht aus wie ein Sekschüler, spricht leise und isst täglich Coco Pops mit Sojamilch: Michael Storer. Doch man sollte sich nicht täuschen lassen. Der 28-jährige Australier im Dienst des Schweizer Teams Tudor ist alles andere als zart besaitet. Im Gegenteil. Sitzt er auf seinem Rad, wird er zum Krieger! «Ich bin ein Rundfahrer. Und da geht es in den Bergen häufig darum, nicht abgehängt zu werden. Das ist das Wichtigste. Also versuche ich, das Hinterrad der Besten zu halten – egal, wie sehr es schmerzt.» Sein Hirn sage ihm immer wieder, er solle aufhören, so hart in die Pedalen zu trampen. «Das wäre zwar sinnvoll, denn ich tue mir selbst weh. Aber letztlich entscheide ich.»
Storer ist die grosse Hoffnung Tudors für die Gesamtwertung beim Giro d’Italia. Im letzten Jahr wurde der Mann aus Perth Zehnter und beeindruckte mit seinem Kampfgeist. «Jetzt will ich weiter nach vorne», sagt er vor seinem Lieblingsrennen, das am Freitag in Albanien beginnt. Ob er es schafft? Sicher ist: Der 1,74 m grosse und 63 Kilo leichte Bergspezialist ist besser in Form als vor einem Jahr. Bei Paris-Nizza wurde er Gesamt-Fünfter und die Tour of the Alps dominierte er mit einem Etappen- und dem Rundfahrtsieg.
Storer ist aber auch bewusst: Die Italien-Rundfahrt ist trotz der Abwesenheit der Superstars Pogacar, Vingegaard und Evenepoel eine andere Hausnummer. Hier darf er sich über drei Wochen keine Schwäche erlauben. Fragt er sich morgens, wenn er mal kein besonders gutes Gefühl hat, nie: Wie soll ich die heutige Etappe bloss überstehen? Storer verneint: «Es ist keine Option, zu zweifeln. Das liegt nicht auf dem Tisch.»
Die italienische Familie hat Storer «adoptiert»
Gut möglich, dass der stille Leader seine Kraft aus der Vergangenheit schöpft. «Ich begann erst mit 13 oder 14 Jahren, richtig Velo zu fahren. Mir gefiel es, mich im Training und in den Rennen stets zu pushen. Ich wollte einfach immer besser werden.» Storers Talent war offensichtlich, er wurde ozeanischer Meister und holte bei der WM 2015 WM-Bronze im Zeitfahren der Junioren.
Um besser zu werden, kehrte er seiner Heimat den Rücken und stieg ins Flugzeug in Richtung Europa. Es ist das Schicksal, das allen Talenten aus Down Under widerfährt. «Ich vermisse Australien. In diesem Jahr werde ich gar nie daheim sein, weil es für meinen Kalender nicht sinnvoll ist.» Immerhin: In seiner Wahlheimat Varese (It) hat er eine zweite Familie gefunden – jene seiner Frau. «Sie haben mich adoptiert», sagt er schmunzelnd.
Übrigens: Der Romand Yannis Voisard (26) wird Storers wichtigster Helfer in den Bergen sein. Er ist der einzige Schweizer im Giro-Teilnehmerfeld.