Darum gehts
- WM-Strassenrennen in Ruanda: Luftverschmutzung und Höhenmeter als Herausforderungen
- Schweizer Team mit Hirschi, Schmid und Christen für Überraschungen bereit
- 267,5 Kilometer lange Strecke mit 5475 Höhenmetern zu bewältigen
Hart, härter, Kigali? Das WM-Strassenrennen der Männer beschäftigt die Szene seit Monaten. 267,5 Kilometer – lang, aber nicht furchteinflössend. Die 5475 Höhenmeter schon eher: Werte wie bei einer Königsetappe der Tour de France. Ruanda trägt nicht umsonst den Beinamen «Land der 1000 Hügel». Doch jetzt tritt ein grösseres Problem auf: die Luftverschmutzung. «Ich hätte nicht erwartet, dass es so schlimm wird», sagt die Französin Juliette Labous (26) zu Cyclingnews.
Der Smog reizt nicht nur die Lungen. In Kombination mit 1500 Metern Höhe und schwüler Hitze drückt er jede Leistung. Ein Tag draussen entspricht angeblich einer Zigarette, heisst es. «Die Luftverschmutzung macht alles schwieriger. Sie wird entscheidend», meint Marc Hirschi (27). Der Berner führt mit Mauro Schmid (25) und Jan Christen (21) das Schweizer Trio. Favoriten auf Edelmetall sind sie nicht – gefährlich für jeden Gegner aber schon. «Mit solchen Jungs unterwegs zu sein, macht Spass. Und sie wachsen bei langen Rennen über sich hinaus – das können nicht alle», lobt Nationaltrainer Michael Schär (38).
Wie Hirschi, Schmid und Christen den Smog verkraften? Das Rennen wird es zeigen. Fest steht: Sie sind bereit. Doch was zeichnet sie aus?
Marc Hirschi, d er Pokerspieler
Vier Jahre ist es her, als Hirschi meinte: «Ich hätte nichts dagegen, ohne Funk zu fahren. Man müsste mehr bei der Sache und flexibler sein. Die Rennen wären taktisch offener und aktiver – einfach interessanter.» Bei der WM bekommt Hirschi genau das, was er will. Es gibt keine Funkverbindung, die Fahrer sind dadurch mehr auf sich gestellt und nicht wie Roboter, die Befehle des Sportlichen Leiters ausführen.
Hirschi kommt das entgegen, weil er wie kaum ein anderer auf sein Bauchgefühl hört. Er wird nicht nervös, wenn das Rennen hektisch wird, sondern bleibt stets cool. «Marc ist wie eine schlafende Schlange», beschrieb ihn sein Tudor-Pro-Cycling-Teamkollege Julian Alaphilippe (33, Fr) einmal. Was er meinte: Hirschi beisst zu, wenn der richtige Moment gekommen ist.
Auch diesmal? Er reiste erst am Mittwoch nach Ruanda, davor holte er sich den WM-Feinschliff bei der Luxemburg-Rundfahrt. Und obwohl er eine insgesamt enttäuschende Saison erlebt (nur ein Sieg), zeigte der Mann aus Ittigen Aufwärtstendenz. «Die Form ist nicht schlecht», sagt er gewohnt zurückhaltend. Und: «Das wird ein Ausscheidungsfahren. Am Ende entscheiden die Beine.» Es ist wie auf dem Velo: Hirschi, der Pokerspieler, lässt sich nicht in die Karten blicken.
Mauro Schmid, der Unterschätzte
Beim Einzelzeitfahren stürzte der Zürcher schon in der ersten Kurve – sein Rennen war gelaufen. Danach hamsterte er Bronze mit dem Team im Mixed-Zeitfahren. Und jetzt? «Mauro ist ein Meisterschaftsfahrer», sagt Schär. Was er meint: «Wenn es am Ende des Tages ein Trikot oder eine Medaille zu gewinnen gibt, ist er noch besser als sonst. Ein schönes Phänomen.»
2022 war Schmid im WM-Strassenrennen schon sehr nahe dran an einer Medaille – doch mit seiner Gruppe verschätzte er sich und wurde kurz vor dem Ziel noch eingeholt. Eine bittere Erfahrung. Gleichzeitig weiss Schmid, dass er besonders bei langen, harten Rennen besonders stark ist – ein Diesel halt, der im Finale weniger abbaut als andere. Weil er sehr ruhig ist und auch so fährt, wird Schmid immer noch oft unterschätzt. «Ich will früh in eine Ausreissergruppe gehen», kündigt er an.
Jan Christen, das Supertalent
So angriffig der Aargauer ist, so ungestüm wirkt er aber auch. Mit seinen 21 Jahren kann man ihm dies verzeihen. Aber schafft er es, im Team gut zu funktionieren? Sein Ehrgeiz ist enorm. Kein Wunder, als Junior wurde Christen Radquer-Weltmeister, Europameister auf der Strasse und Vize-Weltmeister im Mountainbike. «Es ist nicht so, dass Jan niemandem zuhört. Im Gegenteil. Wir haben einen super Austausch», so Schär.
Tatsächlich hat Christen im Mixed-Teamzeitfahren überzeugt. «Alle werden auf Tadej schauen», kündigt er an und meint Tadej Pogacar (26, Slo), seinen Teamkollegen bei UAE Emirates. Er ist der Gold-Favorit. «Es ist ein kleiner Vorteil, dass ich ihn so gut kenne. Aber ich denke, dass das Rennen sehr offen sein wird – ich habe mich hier jedenfalls von Tag zu Tag besser gefühlt.»