Darum gehts
Gerald Scheiblehner, haben Sie den Schock schon überwunden
Gerald Scheiblehner: Welchen? Es gab mehrere.
Ich hätte jetzt mit dem Preisschock im Restaurant angefangen. Sie haben zum Trainingsauftakt gesagt, Sie würden nur noch Käse und Brot im Hotelzimmer essen.
Ach! Ja, dieser Schock ist überwunden. Inzwischen liegt sogar ein Stück Wurst im Kühlschrank (lacht). Schliesslich habe ich jetzt eine eigene Wohnung.
Welche anderen Schocks haben Sie denn noch so erlebt seit Ihrem Wechsel zu den Grasshoppers?
Kein direkter Schock, aber es war sehr, sehr wenig Zeit, in so ein neues Team eine Struktur zu bringen. Das war schon heftig. Wir haben dann viele Trainingseinheiten absolviert, was für mich eigentlich unüblich ist. Aber wenn ich nicht zwei Einheiten am Tag eingeplant hätte, hätte ich all die neuen Menschen nicht schnell genug kennengelernt.
Wo stehen Sie denn mit Ihrer Mannschaft im Moment? Ihre Handschrift ist sichtbar, aber noch scheint nicht alles zu passen.
Das wird Gott sei Dank noch ein wenig dauern. Sonst wäre die Arbeit ja schon zu Ende. Aber gegen den FC Zürich hat man schon über fast das gesamte Spiel das Bild gesehen, das wir uns vorstellen. Ich habe spasseshalber gesagt, dass es jetzt nicht mehr so schwierig ist, gute Szenen für die Videoanalyse zu finden. Da haben wir zu Beginn wirklich suchen müssen.
Ein Sieg hilft sicher auch, damit die Spieler weiterhin all die Kilometer abspulen, die Ihr intensives Spiel verlangt.
Wenn du so viel Aufwand betreibst, musst du dich auch belohnen. Sonst kann es in die andere Richtung gehen. Du brauchst überzeugte Leute. Und um Überzeugung zu schaffen, brauchst du Siege. Ich selbst habe mir keine Sorgen gemacht, weil ich weiss, dass unser Spiel schlussendlich erfolgreich sein wird. Die Frage ist nur: Wie viel Geduld hat die Mannschaft, und wie viel Geduld hat der Verein? Das Derby war darum der perfekte Zeitpunkt für unseren bereits zweiten Sieg! Eigentlich hat uns ja niemand zugetraut, dass wir so schnell für ein grosses Spiel vor so einer Kulisse bereit sein werden.
Ihnen eilt aus Österreich aber der Ruf voraus, dass Sie einem Team extrem schnell Ihre Idee vermitteln können.
Mir macht es einfach Spass, mit einem Team zu arbeiten. Da gehören ja nicht nur die Spieler dazu, sondern auch das Trainerteam und der Staff mit Physios und so weiter. Das heisst: Es geht um Führungsarbeit. Dieses Thema war für mich schon immer spannend. Du musst dich ständig selbst reflektieren, es tun sich so viele verschiedene Themen auf. Aber am Ende geht es immer darum, dass man wertschätzend miteinander umgeht und dass klar ist, wer Chef ist.
Sie waren als Trainer lange im Amateurbereich tätig. Hilft Ihnen heute eine Erfahrung, die Sie dort gemacht haben?
Seit ich Profitrainer bin, geniesse ich es einfach. Ich darf mich jetzt den ganzen Tag mit Fussball beschäftigen, nicht bloss abends nach 40 Stunden Arbeit in der Woche. Der Wechsel zum Profitrainer kam mir vor wie Urlaub. Zu Beginn konnte ich die Profitrainer nicht verstehen, die immer von zu viel Arbeit geredet haben.
Trainer klagen doch immer, ihr Tag müsse 48 Stunden haben.
Natürlich kann man sich, übertrieben gesagt, 24 Stunden mit Fussball beschäftigen. Aber irgendwann einmal ist ein Thema auch zerredet. Es wird nicht besser, wenn man sich zehnmal über denselben Gegner Gedanken macht. Man muss schauen, dass man auch genügend Energie hat. Und Energie tanken heisst für mich, nicht immer nur über dasselbe Thema zu sprechen. Es gibt ja zum Glück noch andere Dinge, die interessant sind auf dieser Welt.
Gerald Scheiblehner kam 1977 in Linz zur Welt. Von 1996 bis 2001 war er bei Austria Wien, kam aber nur in einer Partie für 25 Minuten zum Einsatz. Seine ersten Schritte als Trainer machte der Österreicher später im Nebenamt im Amateurbereich. Auch als er Profitrainer wird, behält er eine Anstellung bei der Österreichischen Gesundheitskasse. 2018 steigt er mit Vorwärts Steyr in die 2. österreichische Bundesliga auf. 2023 gelingt ihm mit Blau-Weiss Linz der Aufstieg in die 1. Bundesliga. Bereits im Dezember 2024 wird er mit den Grasshoppers in Verbindung gebracht, im Sommer 2025 klappt der Wechsel. Scheiblehner ist verheiratet und hat drei Kinder.
Gerald Scheiblehner kam 1977 in Linz zur Welt. Von 1996 bis 2001 war er bei Austria Wien, kam aber nur in einer Partie für 25 Minuten zum Einsatz. Seine ersten Schritte als Trainer machte der Österreicher später im Nebenamt im Amateurbereich. Auch als er Profitrainer wird, behält er eine Anstellung bei der Österreichischen Gesundheitskasse. 2018 steigt er mit Vorwärts Steyr in die 2. österreichische Bundesliga auf. 2023 gelingt ihm mit Blau-Weiss Linz der Aufstieg in die 1. Bundesliga. Bereits im Dezember 2024 wird er mit den Grasshoppers in Verbindung gebracht, im Sommer 2025 klappt der Wechsel. Scheiblehner ist verheiratet und hat drei Kinder.
Sie haben lange in der Gesundheitsförderung gearbeitet. Stimmt es, dass Sie Ihre letzten zwanzig Prozent Anstellung erst aufgegeben haben, als Sie nach Zürich kamen?
Ja, gezwungenermassen. Weil die Schweiz nicht in der EU ist, war ein Homeofficeplatz nicht erlaubt. Ich war bei der Österreichischen Gesundheitskasse für Gesundheitsförderung zuständig und habe mit Fussballvereinen gearbeitet.
Sie hätten diesen Job also gerne behalten?
Ja. Das waren acht Stunden die Woche, die ich mir selber einteilen konnte. Für mich war wichtig, dass ich ein zweites Standbein behalte. Ich habe das Dienstverhältnis auch nicht beendet. Ich bin derzeit im unbezahlten Urlaub. Sollte es mit dem Fussball irgendwann vorbei sein, ist es zwar nicht mein Ziel, dort wieder 40 Stunden die Woche zu arbeiten, aber es gibt mir ein besseres Gefühl. Vor allem in schlechten Phasen. Weil es für mich nie um die Existenz geht – sondern nur um Fussball.
Sie waren in Linz Trainer eines Abstiegskandidaten, jetzt in Zürich. Was sind die Freuden eines Underdog-Trainers?
Ja, mich haben halt bis jetzt nur die Underdogs geholt. Also war ich bislang als Trainer wohl noch nicht so weit für andere Vereine (lacht). In Linz waren wir in der zweiten Liga allerdings Favorit, da war Druck da, da musste der Aufstieg vom Budget her klappen. Aber es stimmt, ich habe oft mit Mannschaften gearbeitet, denen man wenig zugetraut hat. Und trotzdem haben wir mit gemeinsamer Arbeit viel bewegt. Ich glaube aber, dass das auch bei Spitzenteams möglich ist.
Würden Sie denn als Trainer von Chelsea oder Bayern gleich spielen lassen wie jetzt? Oder geht es mit diesem GC-Kader einfach nicht anders?
Es kommt natürlich auf die Spielertypen an. Grundsätzlich will ich, dass einfach etwas passiert auf dem Platz und dass man gerne zuschaut. Man soll das Gefühl haben, dass das Team gemeinsam auftritt, dass intensiv Fussball gespielt wird. Und ich möchte so schnell wie möglich vors Tor kommen. Ich bin happy mit dem Weg, den ich gewählt habe, weil es mich selber begeistert, wenn ich andere Klubs intensiv spielen sehe.
Sind Sie immer noch in Kontakt mit Oliver Glasner, der momentan mit Crystal Palace die Premier League aufmischt?
Wir kommen aus demselben Bundesland, aus Oberösterreich. Als ich Trainer des zweiten Teams des Linzer ASK wurde, war er Trainer des ersten Teams. Wie seine Mannschaften gespielt haben, hat mich inspiriert. Ich habe sein Coaching bewundert, wie klar er war am Platz. Wir haben eine gute Verbindung, weil wir auch beide mit dem Soziologen Dr. Werner Zöchling arbeiten, bei dem es um Team- und Persönlichkeitsentwicklung geht. Das hat uns irgendwie verbunden. Wir sind auch jetzt noch in Kontakt. Es ist schön, zu sehen, dass er als eher No-Name, als Spieler ohne Länderspiele, so einen Weg als Trainer einschlagen konnte.
Müsste jeder Klub einen Amir Abrashi haben?
Ja, vom Charakter her. Von Amir selbst weiss ja jeder, dass er nur bei GC spielen will. Es ist wichtig, dass es eine Identifikationsfigur im Verein gibt. Das gibt dem Team Sicherheit, weil man weiss: Da ist ein Anker. Er gibt viel positive Energie, junge Spieler können viel von ihm abschauen.
Es wirkt, als ob eine gewisse Nähe zwischen Ihnen beiden herrschen würde.
Mich hat interessiert, ob er eher schon in Richtung einer Karriere danach denkt. Aber er sieht sich klar als Spieler und kennt seine Rolle. Ich war auch gespannt, ob er sich das im Herbst seiner Karriere noch einmal antut, unsere Intensität auf dem Platz. Aber für ihn ist das eigentlich optimal, es kommt seinem Stil entgegen. Leider ist er derzeit mit Verletzungen konfrontiert. Ich glaube, Amir hat so viel Druck gehabt in den letzten zwei Jahren. Er hat sich das alles auf seine Schulter geladen. Jetzt spürt er, dass er nicht mehr alleine ist mit dieser Last. Und in solchen Situationen nimmt sich der Körper oft selber die Zeit, sich einmal zu erholen. Aber ich bin mir sicher, dass er danach wieder durchstartet.
Unter Ihnen ist Fussball ein Nine-to-five-Job geworden. Die Spieler sind sehr lange auf dem GC-Campus.
Das war eigentlich die Idee von Sportchef Alain Sutter. Dieser ganze Tag ist vor allem für die jungen Spieler gedacht, die ja meistens am Handy hängen, wenn sie nicht beschäftigt sind. Es gibt bessere Dinge als Social Media. Wir haben einen Sportpsychologen, Ernährungsberatung, es geht um Regeneration, wir unterstützen sie mit Videoanalysen. Das heisst nicht, dass die Spieler ständig von acht bis fünf da sein müssen. Vor allem die Älteren mit Familie haben ihre freien Nachmittage. Wir wollen einfach die gemeinsame Zeit bestmöglich nutzen, um den Jungs die Möglichkeit zu geben, sich in vielen Bereichen weiterzuentwickeln.
Sie haben für GC Ihre Heimatstadt Linz verlassen. Wie schwer ist Ihnen das gefallen?
Gar nicht. Ich bin schon in Linz verwurzelt. Aber ich habe mich lange darauf vorbereitet, ins Ausland zu wechseln. In meiner Jugend hätte ich als Trainer in Camps in die USA gehen können, war aber ein wenig zu feige. Doch später wurde mein Wunsch immer grösser, und ich habe das mit meiner Familie besprochen. Ich habe gewusst: Wenn man ins Ausland geht, muss man vorbereitet sein. Ich habe zum Beispiel zwei Jahre bei Johnny Ertl Fussball-Englisch gelernt, der einige Jahre in England gespielt hat. Und als sich GC gemeldet hat, war es wirklich ein extremer Wunsch, dass es klappt.
Haben Sie eine Vorstellung, wohin Ihre Reise gehen soll?
Nein, nein, gar nicht. Mein Ziel ist, dass wir hier gemeinsam etwas erreichen. Im Fussball brauchst du dir keine Ziele zu setzen, weil es eh anders kommt. Für mich ist ein Traum in Erfüllung gegangen, dass ich es von einem Klub wie Blau-Weiss Linz ins Ausland geschafft habe. Im Ausland kennt man diese kleinen Vereine meistens nicht, und deswegen steht man als Trainer nur sehr selten auf der Kandidatenliste. Ich schätze es sehr, dass Alain Sutter sich getraut hat, mich zu holen. Mir gefällt es hier, auch die Stadt ist cool.
In Medienkonferenzen wirkt Ihr Humor sehr trocken. Als Grantler gehen Sie aber noch nicht durch, oder?
Nein, ein Grantler ist einer, der schlecht aufgelegt oder eher negativ gestimmt ist. Ich bin ein sehr positiver Mensch. Das hilft, wenn man bei Underdogs arbeitet. Aber ich falle nicht jedem um den Hals, bei mir kommt die Freude erst ein paar Stunden oder Tage nach einem Spiel. Und ich nehme das Geschäft und mich selber auch nicht zu wichtig. Ich arbeite sehr gerne mit meinem Team. Aber ich brauche den Job nicht, damit ich im Fernsehen bin oder in der Zeitung stehe.
Also sind Sie nach dem Derby-Sieg nicht durch Zürich spaziert, um sich auf die Schulter klopfen zu lassen?
Doch, das bin ich schon, aber nicht, um mir auf die Schulter klopfen zu lassen. Ich bin sogar zum ersten Mal sehr spät unterwegs gewesen. Weil ich wusste, wie wichtig das Derby ist. Ich habe mich sehr mit dem Thema beschäftigt, weil ich glaube, dass man ein Derby nur gewinnen kann, wenn man die nötige Energie dafür aufbringt. Das musst du dann als Trainer vorleben.
Was war der Unterschied zum Linzer Derby?
Ich habe mitbekommen, dass es in Zürich schon viel Gewalt gegeben hat zwischen den Fans. Was ich schade finde. Ich finde, man sollte als Fan ein Stadt-Derby extrem wertschätzen. In Linz hat es das lange nicht gegeben – und die Fans haben sich gefreut, als es das wieder gab. Da war es echt immer ein Fussballfest, egal, wer gewonnen hat. Rivalität, das passt für mich. Aber wenn es Richtung Gewalt und Angst geht – das finde ich schade. Ich hoffe, dass man in Zukunft auch in Zürich Fan-Märsche sieht und man mit einem GC-Leibchen durch die Stadt gehen kann, ohne Angst zu haben, angepöbelt zu werden.
Aber Ihr Abend nach dem Derby in der Stadt war gut?
Der war gut. Der war auch lange. Ich finde, man muss auch mal feiern, man muss Freude haben. Wenn ein Sieg nur noch eine Erleichterung ist, ist der Job zur Belastung geworden. Wir haben den Tag nach dem Sieg freigegeben. Mir hat gefallen, dass die Spieler danach gemeinsam gefeiert haben. Ich habe sie noch zufällig getroffen. Das sind dann Erinnerungen, die bleiben: dieses Gefühl, diese Energie. Von diesem Derbysieg werden die Spieler noch lange erzählen.
Mannschaft | SP | TD | PT | ||
---|---|---|---|---|---|
1 | 9 | 6 | 19 | ||
2 | 9 | 9 | 18 | ||
3 | 8 | 7 | 15 | ||
4 | 8 | -1 | 14 | ||
5 | 9 | -2 | 13 | ||
6 | 9 | -3 | 13 | ||
7 | 8 | 3 | 12 | ||
8 | 8 | 1 | 12 | ||
9 | 8 | 2 | 9 | ||
10 | 8 | 1 | 8 | ||
11 | 9 | -5 | 8 | ||
12 | 9 | -18 | 2 |