Darum gehts
- 15-jähriges Mädchen auf Swiss-Flug von Mumbai nach Zürich vergewaltigt
- Opfer erstarrte während der Tat, Täter wurde am Flughafen festgenommen
- Indischer Geschäftsmann zu 1,5 Jahren bedingter Freiheitsstrafe verurteilt
Auf einem Flug der Swiss von Mumbai nach Zürich wird im März dieses Jahres ein Mädchen (15) vergewaltigt. Ihr Sitznachbar, ein indischer Geschäftsmann (44), drang mit den Fingern in ihre Vagina ein und rieb ihre Hand mehrfach über sein bekleidetes Glied. Es passierte mitten in der Kabine, im Beisein anderer Fluggäste und der Crew.
Wie ist so etwas möglich? Warum hat niemand die abscheuliche Tat bemerkt? Die Swiss spricht gegenüber Blick von einem «tragischen Vorfall», den man sehr ernst nehme. «Unsere Kabinenmitarbeitenden sind darauf sensibilisiert und geschult, auffällige Situationen an Bord zu erkennen und sofort zu handeln», so Mediensprecherin Silvia Exer-Kuhn. Die Crew führe regelmässige Kontrollgänge durch.
Laut Informationen der Swiss war das Mädchen auf dem Flug nicht allein, sondern hatte einen Elternteil dabei. Dennoch kam es zur Vergewaltigung durch den fremden Passagier. Dieser wurde nun vom Bezirksgericht Bülach ZH verurteilt.
«Ein Überlebensmechanismus»
In der Anklageschrift, die Blick vorliegt, wird von einem «Schockzustand» gesprochen. Das Mädchen habe die Tat wort- und reglos über sich ergehen lassen. Und so blieb sie wohl unbemerkt.
Barbara Morawec Repp (45) ist selbständige Therapeutin und arbeitete über zehn Jahre lang für die Opferhilfe. «Dieses Erstarren sehe ich häufig bei Betroffenen von sexualisierter Gewalt», erklärt sie gegenüber Blick. «Das ist ein Überlebensmechanismus, der ganz automatisch abläuft.» In Situationen, die als lebensbedrohlich wahrgenommen würden, entscheide das Unterbewusstsein innert Sekunden: flüchten, kämpfen oder erstarren. «Wenn das Gehirn keinen Ausweg sieht oder sich nicht zwischen Flüchten und Kämpfen entscheiden kann, wählt es das Erstarren», so Morawec Repp. Die betroffene Person könne diese Prozesse nicht steuern.
Unter die Hose gegriffen
Die Zürcher Staatsanwaltschaft beschreibt in ihrer Anklageschrift, wie sich die Tat abgespielt hat. Demnach war das Mädchen am 17. März von Zürich nach Mumbai unterwegs. Sie spricht kurz mit dem indischen Geschäftsmann, legt sich dann schlafen.
Der 44-Jährige legt einen Arm um sie. Das Mädchen reagiert nicht. Später deckt sie sich zu, lehnt sich in ihrem Sitz zurück, döst. Er streichelt ihren Oberschenkel. Dann steckt er seine Hand in ihre Hose, wo er «während mehrerer Minuten» ihren Intimbereich streichelt und mit den Fingern in sie eindringt, heisst es in der Anklage.
Wenn ein Opfer einen solchen Schock erlebt, Angst hat oder sich überwältigt fühlt, können laut Therapeutin Morawec Repp die Überlebensmechanismen getriggert werden. Das Mädchen erstarrte. «Erschwerend dazu kommt, dass Mädchen in unserer Gesellschaft häufig immer noch dazu erzogen werden, möglichst nicht aufzufallen und den Fehler bei sich zu suchen», so die Expertin.
Crew rief die Polizei
Der indische Passagier führt schliesslich die Hand des Mädchens in seinen eigenen Schoss. Durch die Hose reibt er mit der Hand der 15-Jährigen über sein Glied.
«Bei sexualisierter Gewalt geht es immer um Machtausübung und nicht um Sexualität», erklärt Barbara Morawec Repp. Zwischen Opfer und Täter bestehe stets ein Machtgefälle. «Bei Kindern ist das noch verstärkt. Sie denken häufig, dass Erwachsene schon wissen, was sie tun.»
Das Mädchen wendet sich nach dem Vorfall an ein Crewmitglied, wie die Swiss gegenüber Blick bestätigt. Man habe sich daraufhin sofort um sie gekümmert und sie umgesetzt, weg vom Täter. «Ein Kabinenmitarbeiter hat ihn daraufhin ununterbrochen beobachtet», so Swiss-Sprecherin Exer-Kuhn weiter. Man habe die Polizei informiert, die den Täter am Flughafen Zürich festgenommen habe.
1,5 Jahre bedingt
Der Geschäftsmann wird wegen Vergewaltigung und sexuellen Handlungen mit einem Kind zu einer bedingten Freiheitsstrafe von eineinhalb Jahren verurteilt. Heisst: Er muss vorerst nicht ins Gefängnis.
Expertin Morawec Repp hat zahlreiche Opfer von sexuellen Übergriffen begleitet. Diese litten im Nachhinein oft an Schuld- und Schamgefühlen, sagt sie. «Wenn man sich selber die Schuld gibt, kann man sich ein wenig Macht zurückholen. Man redet sich ein, einen Ausweg gehabt zu haben. Aber dieses Denken ist auf Dauer ungesund. Denn die Opfer tragen nie eine Mitverantwortung.»
Dass die 15-Jährige die Tat gegenüber der Crew geschildert und man sie ernst genommen habe, sei eine riesige Ressource. «Denn oft braucht es bei Minderjährigen mehrere Anläufe, bis ihnen geglaubt wird.» Dass der Täter verurteilt wurde, könne sich ebenfalls positiv auf die psychische Genesung auswirken, so die Expertin.