Er stieg ins Zimmer der Tochter – Mutter holt Polizei, die lässt ihn frei
Darum ist der Fenster-Einbrecher auf freiem Fuss

So etwas will niemand erleben: Ein Wildfremder ist Mitte Oktober in die Wohnung von Familie I. in Benglen ZH gestiegen. Die Polizei verhaftet ihn, lässt ihn aber kurzum wieder frei. Blick-Leser sind fassungslos. Rechtsexperten gehen jetzt auf die Täter-Rechte ein.
Publiziert: 00:01 Uhr
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Aktualisiert: vor 2 Minuten
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Ein Wildfremder ist Mitte Oktober in die Wohnung von Familie I.* aus Benglen ZH gestiegen. Dies im Schlafzimmer der älteren Tochter.
Foto: Zvg

Darum gehts

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Martin MeulReporter News

Da öffnet man die Tür vom Schlafzimmer der Tochter und sieht einen Wildfremden, der gerade durch das Fenster einsteigt – der pure Horror! Genau das ist jedoch Adriana I.* (62) am Abend des 13. Oktobers in Benglen ZH passiert. Sie schreit laut und schlägt den Eindringling in die Flucht und alarmiert die Polizei. Gleichzeitig erfährt die Mutter: Derselbe Mann hat zuvor ihre andere, jüngere Tochter beim Gassigehen mit dem Hund belästigt.

Schnell kann die Kantonspolizei Zürich den flüchtigen Schweizer (35) stoppen, setzt ihn nach der Befragung aber kurzum auf freiem Fuss. Blick berichtet am Mittwoch, die Kommentarspalte explodiert. Was die Leser beschäftigt: Wie kann es sein, dass der Typ frei kommt und nicht in U-Haft sitzt?!

So heisst es dort: «Täterschutz. Typisch Schweiz!» Eine Userin fragt: «Muss denn wirklich immer erst etwas passieren, bevor die Gesetze greifen und angewendet werden?

Täter wohnt in der Nachbarschaft

Zurück zu Adriana I.: Geistesgegenwärtig schiesst die Mutter ein Foto von dem Täter, als dieser ruckzuck aus dem Schlafzimmerfenster flieht. Unheimlich: Der Mann wohnt nur wenige Hundert Meter von der Familie entfernt. Dort kassiert ihn schliesslich auch die Polizei.

Das Motiv des Täters: offiziell unklar. Mutter Adriana I. glaubt jedoch: Der Mann hatte es auf ihre ältere Tochter Petra I.* (25) abgesehen, die gerade im Badezimmer war.

Wie die Kantonspolizei Zürich gegenüber Blick bereits am Mittwoch bestätigte, ist der Mann nach einer Befragung frei gelassen worden. Am Donnerstag führt Sprecher Florian Frei aus: «Die Kantonspolizei Zürich hat in diesem Fall wegen versuchtem Einschleichediebstahls und Hausfriedensbruch an die Staatsanwaltschaft rapportiert.»

Weiter erklärt er: «Mit den Betroffenen sind wir im Kontakt gestanden und haben sie darauf hingewiesen, dass sie sich jederzeit und niederschwellig über den Notruf 117 melden sollen.»

Adriana I. und ihre Töchter machen sich jedoch Sorgen. Denn: Nachbarn haben den Mann schon wieder an der Stelle sitzen sehen, wo dieser die jüngere Tochter Elisa* – wenige Stunden vor dem Fenster-Einstieg – beim Gassigehen mit dem Hund belästigt hatte.

Strenge Voraussetzungen

Blick hat den Fall mit Simon Huwiler (38), Rechtsanwalt und Dozent für Strafprozessrecht an der Uni Bern sowie Strafrechts-Experte André Kuhn (51) von der Kanzlei Penalisti besprochen. Sie weisen darauf hin: Auch die Polizei muss nach strengen Regeln spielen!

So darf die sie einen Verdächtigen lediglich 24 Stunden festhalten, die Staatsanwaltschaft kann die Festnahme auf 48 Stunden verlängern. Alles andere muss vom Zwangsmassnahmengericht überprüft werden. Hier schliesslich das Thema: Untersuchungshaft.

Nur: U-Haft ist ein massiver Eingriff in die Freiheit, der nur unter strengen Voraussetzungen verhängt wird, so die beiden Rechtsexperten.

Kuhn erklärt allgemein: «Für eine U-Haft muss erstens einen dringenden Tatverdacht auf ein Verbrechen oder Vergehen vorliegen. Zweitens braucht es zusätzlich entweder Fluchtgefahr, Verdunkelungsgefahr oder Wiederholungsgefahr.» Ausserdem: «Die Polizei muss sich streng an das Verhältnismässigkeitsprinzip halten!», so Huwiler.

Keine Fluchtgefahr, weil Schweizer

Kuhn zeigt im konkreten Fall von Benglen auf, wie die Justizbehörden Haftgründe abwägen: «Da der Beschuldigte Schweizer ist, besteht kaum Fluchtgefahr. Die Verdunkelungsgefahr fällt wohl auch weg: Es gibt ein Foto des Tatverdächtigen im Haus. Dazu wurden die Involvierten bereits von der Polizei befragt. Eine Beeinflussung für kommende Befragungen ist deshalb nicht zu erwarten.» Und: Wenn der Tatverdächtige nicht einschlägig vorbestraft sei, sei grundsätzlich nicht von Wiederholungsgefahr auszugehen.

«Dass der Beschuldigte nahe am Haus der Familie wohnt, spielt keine wesentliche Rolle», sagt Kuhn. «Ausschlaggebend ist nur, ob die gesetzlichen Haftgründe erfüllt sind.»

Statt einer U-Haft greife die Polizei oftmals auf mildere Massnahmen zurück, wie einer Wegweisung, Rayon- und Kontaktverbot, so Kuhn. Nur: Diese sind jeweils auf drei Monate befristet und müssen regelmässig verlängert werden.

* Namen geändert

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