Darum gehts
- Pöstlerin rettet sich vor auffälligem Hund
- Angst begleitet Sabrina Pauli (44) über ein Jahr, sie wird dadurch sogar arbeitsunfähig
- Erst ein Klinikaufenthalt und eine Hundetherapie helfen ihr
Sabrina Pauli (44) aus Gerlafingen SO liebt ihren Job. Sie ist seit 27 Jahren als Zustellerin bei der Post tätig. Doch ein schicksalhaftes Aufeinandertreffen änderte das. «Ich musste zu einem Haus, um Post auszuliefern», erinnert sich Pauli im Gespräch mit Blick. «Ein Hund sprang zähnefletschend auf mich zu und jagte mich.» Ihre Rettung: eine Gartentür.
Zwar schafft es Sabrina Pauli körperlich unversehrt aus der heiklen Situation, die inzwischen rund zehn Jahre her ist. Was jedoch blieb: Angst. Damals ahnte Pauli noch nicht, dass dieser Moment sie weit über den Tag hinaus verfolgen würde. Bis die Angst Pauli lähmt. Ende September 2024 zerbricht die Pöstlerin daran und begibt sich in eine Klinik.
Tod der Mutter
Sabrina Pauli hatte früher selbst Hunde und pflegte eine liebevolle Beziehung zu ihnen. «Doch dieser Vorfall machte etwas mit mir», sagt sie. Die Folge: Sie distanzierte sich von Hunden. «Ich arbeitete weiter als Pöstlerin, die Angst war aber immer da. Mal mehr, mal weniger.»
Doch dann stirbt ihre Mutter vor sechs Jahren an Krebs und Pauli gerät in eine Angst-Spirale. «Plötzlich hatte ich Angst vor allem. Angst vor dem Tod, Angst vor Krankheiten – und meine Hunde-Angst wurde mit jedem Tag ausgeprägter.»
Kontrolle verloren
«Musste ich in ein Haus zu Hunden, raste mein Herz, meine Beine zitterten – nichts ging mehr!» In ihrer Verzweiflung überlegt sich Pauli Strategien, um Begegnungen mit Hunden zu vermeiden. «Beispielsweise lieferte ich die Post in diese Häuser viel eher am Morgen, weil ich wusste, dass bis am Mittag weder Herrchen noch Hund daheim sind.»
Doch die Angst legte sich weiter wie ein Schatten über alles – der Tiefpunkt: das Jahr 2024. Pauli sieht sie sich gezwungen, nach einem neuen Job zu suchen. «Die Angst nahm mir alles, sogar meine Freude an der Arbeit», sagt sie. «Ich hielt Ausschau nach Tätigkeiten, bei denen ich nicht auf fremde Hunde treffen würde.»
Aufenthalt in Klinik
Nach mehreren Panikattacken und Zusammenbrüchen steht für Pauli Ende September 2024 fest: So geht es nicht mehr weiter. «Ich liess mich in die psychiatrische Klinik Langendorf einweisen, wo ich eine Woche sein durfte», sagt Pauli. «Daraufhin habe ich in die Privatklinik Wyss nach Münchenbuchsee BE gewechselt, wo ich intensiv an meiner Angst arbeiten konnten.»
Die Pöstlerin fällt insgesamt drei Monate aus. Es greift die Krankentaggeldversicherung, dennoch folgt die vorsorgliche Anmeldung bei der IV.
Anfang Januar 2025 nimmt Pauli ihren Job mit einem Pensum von 20 Prozent wieder auf. Stetig wird ihre Arbeitszeit nach oben geschraubt. «Nach dem Klinik-Aufenthalt war ich zwar stabiler und boxte mich durch», sagt Pauli. «Ich wusste aber da schon, dass diese Sache mit den Hunden noch nicht geklärt ist.» Also hielt sie Ausschau nach weiteren Möglichkeiten.
Die Hunde-Therapie
Auf ihrer Suche stösst Pauli auf das Dog-Coach-Team rund um Oliver Weber (53) und Ana Lienert (56) in Rothenfluh BL. Damit sie ihre Hunde-Angst in den Griff bekommt, bezahlt ihr sogar die IV die Therapie.
Ziel seiner Therapie sei es nicht, die Angst komplett zu eliminieren. «Angst ist eine normale Reaktion – eine Schutzreaktion», sagt Hunde-Verhaltens-Experte und Angstcoach Oliver Weber. Entscheidend sei, dass die Klienten lernen, mit der Angst vor der Angst umzugehen. Heisst: «Sie lernen, die Symptome einzuordnen und zu regulieren, damit die Angst nicht überhandnimmt.»
So sei das Team auch bei Pauli vorgegangen. Laut Weber war die Pöstlerin beim Kennenlernen schon sehr gut «zwäg». «Sie hatte schon viel mentale Vorarbeit mit einer anderen Therapie gemacht», sagt der Hunde-Experte. «Das Ziel war, dass Sabrina in ihrem Job schnell wieder sattelfest wird, dass sie sich darauf freut und dass sie ihre Aufgabe gut ausüben kann.»
Von Hof zu Hof
Zuerst wurde der Angriff detailliert aufgearbeitet. «Sie konnte noch einmal genau schildern, was da genau passiert ist», sagt Weber. Danach folgte die Theorie – rasch kombiniert mit dem Praxisteil. «Sabrina wurde sehr dosiert wieder an Hunde herangeführt», erklärt Weber. «Sie musste lernen, die Nähe von Hunden wieder zuzulassen.»
Pauli lernt, wie sie auf Hunde reagieren kann. Schliesslich folgten immer wieder kleinere praktische Übungen, um das gelernte umzusetzen. Das Highlight: «Ich durfte mit einer Briefträgerin aus Rothenfluh von Hof zu Hof mitgehen und sie im Kontakt mit den Hunden beobachten.»
Aktuell habe Pauli nur noch mit Flashbacks zu kämpfen und werde da vom Dog-Coach-Team unterstützt. Doch eines ist klar: Die Angst vor Hunden bestimmen das Leben der Pöstlerin nicht mehr.