Darum gehts
- Die USA drohen der Schweiz mit Zöllen – Staatssekretärin Budliger Artieda verhandelt über Deal
- Der Bundesrat plant Kurzarbeit als mögliche Massnahme gegen Zollhammer
- 39 Prozent Zölle für die Schweiz könnten Zehntausende Jobs gefährden
Der Schweiz stockt der Atem. Ausgerechnet in der Nacht zum Nationalfeiertag holte US-Präsident Donald Trump (79) zum Schlag aus: 39 Prozent Zölle für die Schweiz.
Jetzt steht eine Frau besonders im Fokus: Bei Staatssekretärin Helene Budliger Artieda (60) laufen derzeit alle Fäden zusammen. Sie soll in letzter Minute einen Deal aushandeln, um den Zollhammer zu verhindern.
Ob das realistisch ist? In Bern herrscht teilweise noch immer Optimismus. Am Dienstag kündigte der Bund an, dass Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter (61) und Wirtschaftsminister Guy Parmelin (65) nach Washington fliegen.
Allerdings bereitet der Bundesrat einen Plan B vor, sollte der Zollhammer trotzdem niedersausen. Denn klar ist: Zehntausende Jobs sind dann gefährdet.
Auch hier zieht Budliger Artieda die Fäden: Die Chefin des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) leitete am Montagmorgen höchstpersönlich eine Telefonkonferenz mit den Vertretern betroffener Branchen. Dabei informierte sie nicht nur über die neusten Entwicklungen. Die Staatssekretärin lotete auch aus, welche Massnahmen der Wirtschaft helfen würden, wenn der Deal scheitern sollte.
Kurzarbeit – und dann?
Verschiedene Massnahmen würden derzeit abgeklärt, heisst es aus informierten Kreisen. Das bedeutet aber auch: Konkret ist noch nichts. Zuoberst auf der Liste des Bundesrates steht eine Lösung, die sich in der Covid-Zeit bewährt hat: die Kurzarbeitsentschädigungen. Mit ihnen will der Bundesrat Entlassungen verhindern, wie er am Montag mitteilte. Seit Sommer 2024 können Betriebe bereits 18 Monate – statt wie zuvor 12 Monate – Kurzarbeit eingeben. Das hat der Bundesrat soeben um ein Jahr verlängert. Die Stahl- und Aluminiumbranche fordert gar eine Ausdehnung der Frist auf 24 Monate.
Für Mitte-Chef Philipp Matthias Bregy (47) ist klar: Der Bundesrat muss weiterverhandeln, im Wissen darum, dass es schwierig wird. Innenpolitisch sieht der Mitte-Chef die Kurzarbeit aber durchaus als Hebel, um wirtschaftliche Schäden zu umgehen, wie er gegenüber Blick sagt.
Anders sieht es die SVP. Die Volkspartei lehnt es ab, die Kurzarbeit für Betroffene zu verlängern. «Diese Leute arbeiten dann nicht und fehlen dem Arbeitsmarkt», sagt Fraktionschef Thomas Aeschi (46).
Wie lange trägt das Modell Kurzarbeit? Diese Frage stellt sich Samuel Bendahan (45), Co-Präsident der SP-Bundeshausfraktion. Die Strategie der Kurzarbeit unterstütze er, sie funktioniere jedoch nur kurzfristig. «Im Endeffekt ist es allen ein Anliegen, die Arbeitsplätze zu erhalten und die Betroffenen zu schützen.»
Internationale Verträge: Von der EU bis zu Freihandelsabkommen
Als weitere Massnahme wird immer wieder der Zugang zu neuen Märkten dank Freihandelsabkommen genannt. Tatsächlich erzielte der Bund dort Erfolge – und führt weiterhin Gespräche. Allerdings dauern diese monate- oder jahrelang. Die kurzfristige Hilfe ist also beschränkt.
Etwas greifbarer ist die Forderung einer verstärkten Zusammenarbeit mit der EU. Schliesslich liegt ein Vertragswerk auf dem Tisch. Dass die Schweiz nun rasch für klare Beziehungen zu ihrem wichtigsten Handelspartner sorgt, wird seit dem Zollschock in Bern verstärkt gefordert. Für SP-Fraktionschef Bendahan ist «eine gestärkte Verbindung mit der EU» zentral. Auch GLP-Fraktionschefin Corina Gredig (37) lobt die EU als verlässliche Partnerin.
Keinen Beschleunigungsbedarf sieht dagegen FDP-Präsident Thierry Burkart (49). «Auch die aktuelle Entwicklung mit den USA entbindet uns nicht von einer seriösen Analyse der EU-Verträge», sagt der Aargauer Ständerat. Die Haltung zu den Bilateralen im FDP-Lager werde nach wie vor am 18. Oktober entschieden.
Wenig überraschend schwebt SVP-Fraktionschef Aeschi ein anderer Plan B vor. Vor der Annäherung an die EU, wie es der Bundesrat mit den Bilateralen III vorhat, warnt er. «Damit sind nur weitere Kosten verbunden für die Schweiz.» Der Bundesrat müsse nun ein Entlastungspaket planen, welches Firmen helfe, die in der Exportindustrie tätig seien.
Die Einigkeit in der Krise?
Vorerst liegt der Spielball beim Bundesrat. Die Fraktionen selbst führen untereinander keine Diskussionen für gemeinsame Vorstösse. Bendahan ist der Ansicht, dass «eine Diskussion dringend nötig» wäre.
Man operiere auf der Verhandlungsebene via Bundesrat, sagt FDP-Präsident Burkart. Dafür «muss man Trump etwas anbieten, damit er einen Deal verkündet und intern einen Sieg verkünden kann», meint Burkart. «Ob der Deal zu 100 Prozent umgesetzt werden kann, ist – wie bei der EU – nicht entscheidend, aber wir sollten jetzt auch nicht panikartig handeln.»
Für Mitte-Chef Philipp Matthias Bregy steht fest: Ein Plan B ist die Verantwortung des Bundesrates, nicht des Parlamentes. Dem schliesst sich GLP-Fraktionschefin Corina Gredig an: «Jetzt steht der Bundesrat in der Pflicht.» Dabei sei es nicht hilfreich, öffentlich einen Plan B zu wälzen oder Verhandlungen mit Boykottforderungen zu belasten, findet Gredig.