Darum gehts
- Bellerivestrasse in Zürich: Baustellenparcours sorgt für Verkehrschaos bis 2026
- Bürgerliche sehen Baustelle als Symbol für rot-grüne Verkehrspolitik
- Das Gewerbe im Zürcher Seefeld meldet empfindliche Einbussen
Von der Zürichsee-Prachtstrasse zur Stau-Hölle! Die Bellerivestrasse am rechten Seeufer führt von der Goldküste in die Stadt Zürich. Doch aktuell ist sie für viele ein Ärgernis: Seit Mitte August quält sich der Verkehr durch einen Baustellenparcours – und so dürfte es bis Herbst 2026 weitergehen. Statt vier Spuren bleiben nur zwei. Im Seefeld-Quartier sorgt Schleichverkehr zeitweise für Feierabend-Chaos, dazu ist noch eine wichtige Ausweichroute gesperrt.
Bei manchen wächst der Frust von Tag zu Tag. Autofahrer berichten von mühsamen Fahrten: 20 Minuten für 500 Meter – oder ein Kilometer in einer Dreiviertelstunde. «Es nervt, Zürich halt!», bilanzierte ein Leidtragender gegenüber Blick.
«Gewerbler können nicht einfach ausweichen»
Wer vermögend ist und schön wohnen will, zieht es gerne an die Goldküste. Über die Bellerivestrasse pendeln Bankerinnen und Manager nach Zürich – ins Herz der Schweizer Wirtschaft. Kein Wunder, sprechen manche schon vom teuersten Stau des Landes. Doch betroffen sind auch Kleingewerblerinnen und Anwohner.
Für Bürgerliche ist die Baustelle längst mehr als ein Verkehrsproblem: ein Symbol für Zürichs rot-grüne Verkehrspolitik, die das Auto Schritt für Schritt aus der Stadt drängen wolle. Deshalb werden sie nun politisch aktiv.
«Es ist ein grosses Ärgernis! Die Gewerbler können nicht so einfach ausweichen», sagt Goldküsten-Bewohnerin und SVP-Nationalrätin Nina Fehr Düsel (44) zu Blick. Dass die Sanierung von Wasserleitungen genau gleichzeitig mit anderen Baustellen durchgeführt wird und ganze eineinhalb Jahre dauert, findet sie fraglich.
Tatsächlich werden unter der Bellerivestrasse marode Wasserleitungen ersetzt. Laut Stadt eine unumgängliche Notsanierung – erst vor zwei Wochen sei es erneut zu einem Rohrbruch gekommen.
Hart trifft die Mega-Baustelle das Seefeld: Mehrere Zufahrten sind gesperrt – offiziell, um Autos auf der Hauptachse zu halten. Doch im Quartier stauen sie sich nun zeitweise auf der Dufourstrasse. Auch der Kreuzplatz ist nur eingeschränkt passierbar, die Zollikerstrasse bis zur Stadtgrenze gesperrt.
Und im Seefeld stehen ab 2026 weitere Bauarbeiten an, die Parkplätze kosten und zu einer Verschmälerung einer Strasse führen – wegen der geplanten Revitalisierung des Hornbachs, wie am Mittwoch bekannt wurde.
Wie schlimm ist die Situation wirklich?
Claudio Zihlmann (36), FDP-Fraktionschef im Kantonsrat und selbst Seefeld-Bewohner, kritisiert die Baupolitik der Stadt scharf: «Die Bauarbeiten rund ums und im Seefeld waren in den letzten Monaten extrem dicht – zudem war noch die Rad-WM, die das Quartier abriegelte. Letztlich trifft das vor allem das Gewerbe und die Bewohnenden.»
Der Schleichverkehr habe den Strassenfluss im Quartier völlig zum Erliegen gebracht. «Einige Gewerbler berichten von Einbussen bis 60 Prozent», sagt Zihlmann. Man müsse den Betrieben zwischen all den Baustellen auch einmal eine Verschnaufpause gönnen. Von der Stadt fühle man sich «drangsaliert und ignoriert». Sein Fazit: «Bei all diesen Baustellen gibt es einfach keine Koordination.»
Ganz andere Töne kommen vom örtlichen Quartierverein Riesbach. Gegenüber dem «Tages-Anzeiger» heisst es, die Lage werde von bürgerlicher Seite deutlich dramatischer dargestellt, als sie tatsächlich sei: «Das ist Angstmache, um künftige Veränderungen an der Bellerivestrasse zu verhindern.»
Erbitterter Kampf in der Verkehrspolitik
Zuständig für das Dossier: das Departement von SP-Stadträtin Simone Brander (47). Man sei sich der «Unannehmlichkeiten» für Verkehr und Quartier bewusst, erklärt das Tiefbauamt auf Anfrage. Deshalb würden die Arbeiten so rasch und effizient wie möglich vorangetrieben.
Bürgerliche vermuten dahinter mehr. Fehr Düsel wirft der Stadt vor, die Verkehrsplaner würden eine ideologische Absicht hinter den Seefelder Baustellen verbergen. «Es ist kein Geheimnis, dass Simone Brander und andere linke Politiker die Autos aus der Stadt verbannen wollen.» Solche Vorwürfe weisen die Stadtbehörden entschieden zurück.
Schon 2020 plante die Stadt auf der Bellerivestrasse einen «Verkehrsversuch» mit weniger Spuren. Der Kanton stoppte das Vorhaben, es ist bis heute vor Gericht hängig. Nun sorgt ausgerechnet die Notreparatur dafür, dass der Spurabbau trotzdem Realität ist – wenn auch unfreiwillig.
Das Tiefbauamt betont, zwar müssten während der Bauarbeiten ebenfalls zwei Spuren gesperrt werden. Die Verkehrsführung unterscheide sich jedoch vom geplanten Versuch – diesen wolle man deshalb weiterhin gerne durchführen, sollte der Rekurs erfolgreich sein.
Jetzt muss sich der Regierungsrat äussern
Schon bald muss sich die Zürcher Kantonsregierung mit der Situation befassen. Mehrere bürgerliche Kantonsräte haben nun einen Vorstoss eingereicht. Unter anderem soll geklärt werden, welche Auflagen Städte einhalten müssen, damit Bauprojekte besser koordiniert und zeitlich gestaffelt realisiert werden – um Einschränkungen möglichst gering zu halten.
Für FDP-Mann Zihlmann ist klar: Reiche der Austausch der Stadt mit dem Kanton nicht aus, brauche es weitere Schritte. «Man muss unbedingt so schnell wie möglich etwas ändern.»