Darum gehts
- Autobahnpilot in der Schweiz erlaubt, Forschungsprojekt zu fahrfremden Tätigkeiten startet
- Ablenkung am Steuer ist Hauptursache für schwere Verkehrsunfälle
- Es stellen sich ganz neue Fragen, was künftig erlaubt sein wird
Netflix schauen, wenn das Auto selbst fährt? E-Mails schreiben? Oder ein Nickerchen auf der Autobahn machen? Noch ist das klar verboten – und undenkbar. Doch Assistenzsysteme sind längst Alltag, automatisierte Fahrsysteme werden es mehr und mehr. Jüngster Schritt: Seit dem 1. März 2025 ist der «Autobahnpilot» in der Schweiz theoretisch erlaubt, auch wenn hierzulande bislang noch kein entsprechendes Fahrzeug angeboten wird.
Das Bundesamt für Strassen (Astra) wagt sich nun an eine brisante Frage: Es will klären, welche «fahrfremden Tätigkeiten» zulässig sein sollen – und auch, wie sich Ablenkung im Auto und von aussen technisch vermeiden oder einschränken lässt. Ein Forschungsprojekt dazu startet Anfang 2026. Die Behörde im Departement von SVP-Bundesrat Albert Rösti (57) bestätigt dies gegenüber Blick.
Wenn der Mensch eingreifen muss
Wer am Steuer etwa mit dem Handy hantiert, gefährdet sich selbst und andere. Schon heute ist Ablenkung ein echtes Problem. Sie gehört zu den Hauptursachen schwerer Verkehrsunfälle: Bei Unfällen mit Todesopfern ist Ablenkung nach Alkohol und Geschwindigkeit der dritthäufigste Grund, bei jenen mit Schwerverletzten sogar die häufigste Ursache.
Und das Risiko der Unaufmerksamkeit dürfte weiter steigen, wenn sich Lenker zu sehr auf das System verlassen. «Studien zeigen, dass mit zunehmender Systemzuverlässigkeit die Aufmerksamkeit abnimmt und fahrfremde Tätigkeiten zunehmen», hält das Astra fest.
Die Automatisierung von Fahrzeugen ist in fünf Stufen unterteilt. Im Fokus steht derzeit Stufe 3 («bedingt automatisiert»), die in der Schweiz nun eben zugelassen wurde. Dabei darf der Fahrer das Lenkrad streckenweise loslassen, muss aber jederzeit bereit sein, wieder einzugreifen. Auf Stufe 4 («hochautomatisiert») ist nur noch ein Eingreifen im Notfall erforderlich.
Heikel wird es, sobald etwas in die Hand genommen wird. Zwar dürfte ein kurzer Blick aufs Handy mit den neuen Systemen erlaubt sein – ganz so klar ist das aber keineswegs. Welche Tätigkeiten konkret erlaubt oder verboten sind, ist nicht eindeutig geregelt. Das Gesetz nennt keine Beispiele. Die Beratungsstelle für Unfallverhütung kommt zum Schluss: Erst Gerichte werden dereinst «in ihren Urteilen Beispiele von zulässigen respektive verbotenen Tätigkeiten nennen».
Die Zwickmühle: Zwar entlastet das automatisierte Fahren den Menschen vom ständigen Aufpassen – zugleich muss er jederzeit bereit sein, die Kontrolle wieder zu übernehmen. Er muss selbst erkennen können, wann die Verkehrslage ein Eingreifen erfordert.
Gefährliche Ablenkung verhindern
Hier setzt der Bund an: Mit seinem Forschungsprojekt, das an externe Fachleute vergeben wird, soll geklärt werden, welche fahrfremden Tätigkeiten künftig unter bestimmten Bedingungen zulässig sein könnten – abhängig vom Automatisierungsgrad und der jeweiligen Verkehrssituation. Besonders im Zentrum stehen dabei technische Lösungen, die gefährliche Ablenkung verhindern oder zumindest erschweren sollen. Wie diese aussehen, ist noch völlig offen.
Die Behörden wollen die «wichtigsten Ablenkungsquellen» identifizieren. Die Studie soll «wirksame, realisierbare Massnahmen» liefern, ohne den technischen Fortschritt zu bremsen. Gewünscht sind auch Empfehlungen für die Gesetzgebung und für künftige Kontrollstrategien. «Welche Massnahmen untersucht werden, legen die beteiligten Expertinnen und Experten zu Beginn der Forschung fest», erklärt das Astra gegenüber Blick.
Verkehr soll sicherer werden
Schon heute läuft eine weitere Studie zum Thema Ablenkung – mit Fokus auf mögliche Kontrollen. Geprüft wird etwa, ob sogenannte Handy-Blitzer einsetzbar wären: Kameras, die automatisch erkennen, wenn ein Fahrer verbotenerweise aufs Display blickt.
Das Astra betont: Von Assistenzsystemen wie von automatisierten Systemen erhoffe man sich eine Verbesserung der Verkehrssicherheit. «Sie sind vielmehr Chance denn Risiko», so eine Sprecherin.
Besonders viel Potenzial sieht der Bund bei automatisierten Fahrzeugen, die Gefahren selbst erkennen und etwa im Notfall sicher auf dem Pannenstreifen stoppen können. So oder so: Bis sogar vollautomatisierte Autos – dann spricht man von Stufe 5 – unterwegs sind, dürfte es in der Schweiz noch ein weiter Weg sein. Nur solche Fahrzeuge werden in der Lage sein, vollständig eigenständig zu fahren. Ganz ohne Lenker.