Darum gehts
- F-35-Debakel: Schweiz ignorierte Warnungen der Eidgenössischen Finanzkontrolle
- Nun äussert sich Ex-Behördenchef Michel Huissoud
- Fixpreis für F-35-Kampfjets war für USA nie wirklich fix, schätzt Huissoud
Das F-35-Debakel treibt Bundesbern um. Der im Abstimmungskampf versprochene Fixpreis von 6 Milliarden Franken gilt nicht mehr. Die Amerikaner verlangen nun bis zu 1,35 Milliarden US-Dollar mehr. Die Warnungen der Eidgenössischen Finanzkontrolle, wonach es «keine rechtliche Sicherheit für einen Festpreis» gebe, schlug der Bundesrat 2022 in den Wind. Jetzt nimmt Michel Huissoud (67), 2014 bis 2022 Chef der Finanzkontrolle, gegenüber Blick Stellung.
Herr Huissoud, ist das F-35-Debakel, das Verteidigungsminister Martin Pfister am Mittwoch einräumen musste, für Sie auch ein kleiner Triumph – nachdem man nicht auf Sie gehört hat?
Michel Huissoud: Nein, das ist kein Triumph. Es macht mich ehrlich gesagt traurig. Gewisse Personen haben blind vertraut – und dabei die Eidgenössische Finanzkontrolle nicht ernst genommen. Das ist keine sachliche Politik, sondern höchst problematisch. Und übrigens: Es ist nicht das erste Mal, dass Warnungen der Finanzkontrolle ignoriert wurden. Die Vergangenheit zeigt klar: oft wenn man nicht auf sie hört, endet es schlecht.
Die Finanzkontrolle hat noch vor Unterzeichnung des Vertrages gewarnt, dass es für den Festpreis keine rechtliche Sicherheit gebe. Wie kann es sein, dass der Bundesrat dies einfach ignoriert hat?
Es war nicht in erster Linie der Bundesrat: Das Verteidigungsdepartement hat die Warnungen ignoriert. Konkret: das Bundesamt für Rüstung Armasuisse, Projektleiter Darko Savic – der Ende April zurücktrat – und weite Teile des Parlaments. Die Finanzkontrolle wurde zwar von beiden Sicherheitskommissionen angehört, doch die Mehrheit wollte sich nicht vertieft mit dem Thema befassen. Währenddessen schoben sich die Oberaufsichtskommissionen gegenseitig den Schwarzen Peter zu – niemand fühlte sich zuständig.
Können sich die Finanzkontrolleure beim Bund zu wenig Gehör verschaffen?
In diesem Fall ja. Eine wirklich gute Erklärung habe ich dafür ehrlich gesagt nicht. Ich glaube, viele wollten einfach daran glauben, dass die Wahrheit so ist, wie es das Verteidigungsdepartement darstellt. Hätte man das in Frage gestellt, hätte das eine gewaltige Kettenreaktion ausgelöst: Man hätte andere Flugzeuge prüfen müssen, Verzögerungen wären unausweichlich gewesen. Und parallel dazu wurden Unterschriften gegen den F-35 gesammelt – dem wollte man wohl zuvorkommen.
Wie konnte es zu diesem «Missverständnis» zwischen der Schweiz und den USA kommen?
Meine persönliche Einschätzung: Der Fixpreis war für die USA nie wirklich fix. Auch in Verhandlungen mit anderen Ländern ist ein Fixpreis unüblich – das entspricht nicht der gängigen Praxis der USA. Aber weil man in der Schweiz den F-35 unbedingt wollte, sagte man sich wohl: Das wird sich schon irgendwie regeln lassen! Ich kann nicht ausschliessen, dass diejenigen, die damals verhandelt haben, gespürt haben, dass die Gegenseite dem Fixpreis nicht ganz traute. Es könnte gewissermassen eine Flucht nach vorne gewesen sein – und das ist einfach nicht klug, wenn man am Rand des Abgrunds steht.
Liess sich die Schweiz also schlicht und einfach über den Tisch ziehen?
Ich möchte keine Vermutungen anstellen. Vielleicht waren die F-35-Verhandler wie Kinder im Spielzeugladen, die Preisschilder verstecken. Und dann erst an der Kasse merken die Eltern, wie teuer es wird.
Zur Verteidigung des Bundesrats: Verschiedene Gutachten haben den Fixpreis damals bestätigt.
Ja, von diesen Gutachten habe ich auch gehört – gesehen habe ich sie allerdings nie, weil sie unter Verschluss gehalten werden. Ein Gutachten, das nicht veröffentlicht wird, ist für mich kein Gutachten, sondern ein Gerücht.
Auch die USA haben wiederholt und öffentlich zugesichert, es handle sich um einen Fixpreis.
Die Frage ist aber, ob das überhaupt Personen waren, die eine verbindliche Aussage zum Vertrag machen konnten. Wenn jemand vom Kommunikationsdienst etwas über eine vertragliche Beziehung sagt, hat das rechtlich noch keine grosse Bedeutung.
Ist es wirklich möglich, dass den Amerikanern erst 2024 aufgefallen ist, dass sie den Fixpreis anders auslegen als die Schweiz?
Ich vermute: Die USA wussten von Anfang an, dass es für die Schweiz keinen Fixpreis gibt. Am Anfang gab es allerdings noch keine grossen Mehrkosten. Je mehr Zeit verging, desto klarer wurde, dass es teurer wird; und die USA haben angefangen, der Schweiz zu signalisieren, dass es zu Zusatzkosten kommen wird.
Die Schweiz beharrt weiterhin auf dem Fixpreis und strebt nun eine diplomatische Lösung an. Wie schätzen Sie die Chancen dafür ein?
Vielleicht gelingt es der Schweiz ja – das wäre grossartig. Als Steuerzahler würde ich mir das sehr wünschen.
Verteidigungsminister Martin Pfister muss nun ein Versäumnis ausbaden, das nicht seines war. Was raten Sie ihm?
Ich bin kein Berater. Aber ich empfehle Herrn Pfister zumindest, transparent zu sein – und eben etwa diese Gutachten zu veröffentlichen. Das wäre ein gutes Zeichen.