Darum gehts
- Schweizer Armee setzt Drohnenprojekt trotz Verzögerungen und Einschränkungen fort
- Drei wichtige Funktionen werden nicht umgesetzt, darunter das automatische Ausweichsystem
- Von sechs geplanten Drohnen könnten nur drei ohne Auflagen betrieben werden
Die Medienkonferenz ist beendet
Damit sind Pfister, Loher und Michaud fertig. Die VBS-Vertreter bitten die Anwesenden anschliessend noch zur Drohnen-Demonstration.
«Auch wir haben nicht alles richtig gemacht»
Die Firma Elbit habe durchaus einen grossen Teil der Verantwortung, sagt Pfister. Die «Helvetisierungen», also die zusätzlichen Funktionen, die die Schweizer Armee forderte, seien jedoch ebenfalls Teil des Problems. «Die Lieferantin ist schwierig, aber wir müssen auch unsere Hausaufgaben machen.»
Ist die Projektweiterführung im Sinne Pfisters?
«Ein Abbruch wäre für mich einfacher gewesen», sagt Verteidigungsminister Pfister. «Aber sie können nicht ohne Risiken politisieren. Wir erhalten so mehr, als wenn wir abbrechen würden.» Ein Verzicht auf die Drohnen hätte zu einer Fähigkeitslücke bei der Armee geführt. Wichtig sei nun besonders der Nachvertrag, der mit der Lieferantin ausgehandelt werden muss.
Bleiben die Kosten bei 300 Millionen Franken?
Werden die Kosten dank der Zugeständnisse durch die Lieferantin Elbit doch noch tiefer? «97,5 Prozent der Zahlungen sind bereits verpflichtet», sagt Loher. Das Geld gehe also definitiv nach Israel. Die Lieferantin übernehme danach aber den Grossteil der Kosten des Unterhalts.
An wie vielen Tagen bleiben die Drohnen am Boden?
Durch die fehlenden Zulassungen und den Verzicht auf Funktionen können die Drohnen nicht immer abheben. «Wenn es Bodennebel und Vereisung gibt, wird es schwieriger», sagt Loher. Eine absolute Zahl könne zum jetzigen Zeitpunkt aber nicht genannt werden. Man arbeite aber daran, die Tage möglichst tief zu halten.
Warum können nur zwei Drohnen uneingeschränkt eingesetzt werden?
Vier der sechs Drohnen fehlt eine vollständige Zulassung. Sie dürfen nur unter Auflagen abheben. «Wir verifizieren, inwiefern die Einschränkung bleibt und ob sie aufgehoben werden kann», sagt Rüstungschef Loher.
Drohnen sollen ab 2027 vollständig in Betrieb sein
Laurent Michaud, Chef Kommando Operationen, ist für die Inbetriebnahme der Drohnen zuständig. «Ein Verzicht würde zu Lücken in der operationellen Fähigkeit unserer Armee führen», sagt er. Die Drohnen könnten trotz der Abstriche zuverlässig einen Grossraum abdecken. Beispielsweise könnten die Fluggeräte die Fläche des Kantons Basel-Landschaft innerhalb einer Stunde aufklären.
Die Stadt Zürich könnte gar innerhalb von zehn Minuten optisch aufgenommen werden – auch im Infrarotbereich. Die Auffindung von Personen und Fahrzeugen sei auch in der Nacht aus einer Distanz von bis zu 50 Kilometern möglich. «Die nötigen Ausbildungsgrundlagen und die Infrastruktur bestehen», sagt Michaud. Per 2027 sollen die Drohnen vollständig im Betrieb sein.
Rüstungschef Loher: «Abbruch letzte Option, aber nicht ausgeschlossen»
«Das DS-15 hat eine Zukunft – und es fliegt», sagt Rüstungschef Urs Loher. Ein Abbruch würde in einem «Scherbenhaufen in Millionenhöhe» resultieren.
Loher erklärt, dass die Drohne auch ohne das automatische Ausweichsystem «Detect and Avoid» im kontrollierten Luftraum unbegleitet fliegen könne. Nur unter 3000 Meter über dem Flachland und 4000 Metern im Alpenraum brauche es ein Begleitflugzeug. Das System für GPS-unabhängige Starts sei ebenfalls ein vernachlässigbarer Verzicht. Und das geplante Enteisungssystem sei in der vorgeschlagenen Form gar nicht umsetzbar gewesen.
«Ein Abbruch gilt als letzte Option – ganz ausgeschlossen ist er aber nicht», sagt Loher. Neben bereits bezahlten Konventionalstrafen und Kompensationen brauche es weitere Zugeständnisse. Die Lieferantin Elbit übernehme daher etwa die Fixkosten des Servicevertrags über mindestens acht Jahre.
Pfister: «Zentrale Funktionen der Drohnen bleiben»
Herausforderungen benennen und aktiv angehen: Das sei das gesetzte Ziel von Bundesrat Martin Pfister, wie er verlautet. «Seit meinem Amtsantritt, habe ich im VBS einen Fokus auf das Projektmanagement gesetzt.»
Auch die Drohnen gehören da dazu. Man ist im VBS laut Pfister zum Schluss gekommen, dass im Projekt weitermachen wie bisher nicht möglich ist. Die Armee hat sich daher entschieden, auf drei Schlüsselfunktionen zu verzichten. «Zentrale Funktionen der Drohnen stehen weiterhin zur Verfügung», versichert Pfister. «Es ist uns aber allen bewusst, dass das Projekt trotz Verzicht nicht zum Selbstläufer wird.»
Nun stehe vor allem die Lieferantin in der Verantwortung. Sie müsse die Ausfälle kompensieren. Rüstungschef Urs Loher habe mit der israelischen Firma Elbit bereits erste Gespräche geführt – ein verbindlicher Vertrag müsse jedoch noch ausgearbeitet und unterzeichnet werden.
Jetzt treten die Armee-Verantwortlichen auf
Im Hintergrund hebt kurz davor eine der sechs Drohnen vom Militärflugplatz Emmen ab. VBS-Mediensprecher Renato Kalbermatten begrüsst die Anwesenden.
Sechs israelische Aufklärungsdrohnen wollte die Armee bis Ende 2019 in Betrieb nehmen. Bis heute ist daraus nichts geworden: Das Hightech-Projekt ADS-15 verzögerte sich immer und immer wieder. Die Beschaffung der 300 Millionen Franken teuren Fluggeräte wurde für das Verteidigungsdepartement (VBS) zur Herkules-Aufgabe.
Der neue VBS-Chef Martin Pfister (62) delegierte daher dem Bundesamt für Rüstung (Armasuisse) direkt nach seinem Amtsantritt, das Projekt erneut zu durchleuchten. Es sollen Optionen aufgezeigt werden. Auch ein Abbruch war für den Mitte-Bundesrat denkbar. Jetzt ist klar: Das Millionen-Projekt wird weitergeführt – jedoch mit grossen Abstrichen.
Drei Funktionen werden nicht umgesetzt
Bereits im Juli stellte Rüstungschef Urs Loher (58) klar, dass ein Abbruch des Drohnen-Projekts die «schlechteste Möglichkeit» sei. Denn der Grossteil der rund 298 Millionen Franken wurden bereits an die israelische Firma Elbit überwiesen.
Die Beschaffung abzubrechen und den bereits investierten Betrag zurückzufordern, könnte in «langwierigen Rechtsstreitigkeiten» mit der israelischen Lieferantin enden, teilt Armasuisse nun mit. Stattdessen sollen die Drohnen in einer abgespeckten Variante in Betrieb genommen werden.
«Konkret wird auf drei Funktionalitäten verzichtet, die von der Herstellerin ursprünglich zugesichert waren, sich aber kaum mehr umsetzen lassen», schreibt Armasuisse in einer Mitteilung. Auf das automatische Ausweichsystem «Detect and Avoid», das System für GPS-unabhängige Starts und Landungen sowie auf Enteisungsgeräte für die hiesigen klimatischen Bedingungen soll verzichtet werden.
Drohnenflug nur unter Auflagen
Damit unterliegen die Hightech-Drohnen einigen empfindlichen Einschränkungen: Im sogenannten «unkontrollierten Luftraum» – also auf einer Flughöhe bis 3000 Metern im Flachland und 4000 Metern in den Alpen – benötigen die Geräte ein Begleitflugzeug. Und bei eisigen Temperaturen sowie bei Bodennebel sind gar keine Flüge möglich.
Damit nicht genug: Wie Armasuisse mitteilt, harzt es trotz der Verzichte weiterhin bei der Software und der Steuerung. «Es ist nicht auszuschliessen, dass die Lieferantin weitere Meilensteine nicht erreicht», so das Bundesamt. Weitere Verzögerungen sind also vorprogrammiert.
Ebenfalls hat Elbit laut Armasuisse bis heute nicht nachweisen können, dass die Drohnen regelkonform gefertigt wurden. Heisst: Die Armee-Drohnen heben nur unter Auflagen ab. «Konkret ist ein Notfallschirm vorgeschrieben, eine Mindestflughöhe ist einzuhalten, Notlandepunkte müssen erreicht werden können und eine lange Verweildauer über sehr dicht bewohntem Gebiet ist zu vermeiden», so Armasuisse.
Vorteile würden dennoch überwiegen
Zumindest bei zwei der sechs Drohnen könnte die Zulassung zu einem späteren Zeitpunkt doch noch eintreffen. Bei einem weiteren Modell steht laut der Armee ein Austausch in Aussicht. Damit bestehe die Chance, dass immerhin die Hälfte der gekauften Drohnen irgendwann regulär abheben könnte.
Dennoch hält das VBS daran fest: Mit dem Entscheid würden die Vorteile gegenüber den Nachteilen überwiegen. Neben einfachen Aufklärungsmissionen im Ernstfall könnten die Drohnen auf Sparflamme der Armee etwa auch zu Ausbildungszwecken oder zur Überwachung von Armeestandorten dienen.
Ebenfalls sei denkbar, dass die Fluggeräte bei Katastrophenfällen, den Zoll- und Polizeibehörden sowie dem Geheimdienst als Unterstützung dienen. Wann es tatsächlich so weit ist, lässt Pfisters Truppe aber noch offen.