Darum gehts
- Lage in Gaza prekär. Schweiz schweigt, während andere Länder handeln
- Grünen-Präsidentin kritisiert Schweizer Untätigkeit und fordert Anerkennung Palästinas
- Grüne fordern 100 Millionen Franken für UN-Programme in Gaza
Die Lage in Gaza ist prekär. Die palästinensische Bevölkerung im umkämpften Gebiet verhungere, warnen internationale Experten. Zwar erlaubt Israel aktuell seit Monaten wieder Hilfsgüterlieferungen. Laut Uno-Organisationen decken sie nicht einmal die Hälfte des Bedarfs. Zugleich wollen der israelische Premierminister Benjamin Netanyahu (75) und sein Sicherheitskabinett Gaza bald vollständig einnehmen.
Zahlreiche westliche Länder preschen vor: Grossbritannien, Frankreich und Kanada wollen Palästina als Staat anerkennen – und verurteilen die Pläne Netanyahus. Auch die EU und besonders Deutschland wagen sich langsam, auf Israel Druck auszuüben. Und die Schweiz? Sie sei zu sehr mit dem Zollhammer aus den USA beschäftigt, um sich um ihre humanitären Verpflichtungen zu kümmern, sagen Kritiker. Auch Grünen-Präsidentin Lisa Mazzone (37) stösst das Verhalten des Bundes sauer auf.
Frau Mazzone, die Lage in Gaza spitzt sich weiter zu. Was tut die Schweiz?
Lisa Mazzone: Nichts. Oder noch schlimmer: Sie steht auf der falschen Seite der Geschichte. Sie gibt kein Geld für die UNRWA in Gaza. Sie arbeitet weiter mit dem israelischen Militär zusammen. Und sie weigert sich immer noch, den Staat Palästina anzuerkennen und die Kriegsverbrechen der israelischen Regierungen zu verurteilen. Und das, obwohl immer deutlicher wird, dass Netanyahu auf einen Genozid hinarbeitet. Es gibt eine bewusst verursachte Hungersnot. Sie betrifft Tausende Kinder. Und jetzt werden neue Massaker angekündigt. Andere Staatschefs adressieren dies – Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter schweigt.
Weshalb äussert sich Keller-Sutter nicht?
Es gibt für mich keinen akzeptablen Grund. Offenbar hat die Bundespräsidentin nur Augen für Trump. Dabei ist Trump ja Teil des Problems, weil er selbst zu einer ethnischen Säuberung in Gaza aufgerufen hat. Es braucht ein klares Handeln der Schweiz und eine Verurteilung dieser Unmenschlichkeit, die von Israels Regierung begangen wird. Ich habe das Gefühl, der Bund hat den Ernst der Lage nicht erkannt. Völkerrechtsverletzungen, Kriegsverbrechen, die neue Ankündigung der Annexion des Gazastreifens und einen Genozid – alles blendet er aus. Das ist eine Schande für die Schweiz!
Wie müsste der Bundesrat denn handeln?
Er sollte alles unternehmen, um eine Hilfslieferung in den Gazastreifen zu ermöglichen und einen sofortigen Waffenstillstand herbeizuführen – so wie es viele andere Staaten tun. Der Druck muss massiv erhöht werden, damit die israelische Armee Gaza und Westjordanland verlässt. Auch die militärische Zusammenarbeit muss sofort gestoppt, wirtschaftliche Sanktionen verhängt und Palästina als Staat anerkannt werden. Und der Bundesrat muss klarstellen, dass eine Besetzung des Gazastreifens absolut inakzeptabel ist.
Und was würde sich ändern, wenn die Schweiz Palästina als Staat anerkennt?
Die Schweiz hat immer gesagt, sie wolle eine Zweistaatenlösung. Aber um dazu beizutragen, muss sie Palästina anerkennen. Es ist inkohärent und unglaubwürdig, das nicht zu machen. Für sich alleine reicht das natürlich noch nicht, aber es ist ein wichtiger Schritt im Friedensprozess.
Was ändert sich mit dem Beschluss Israels, Gaza einzunehmen?
Mit dem neusten Regierungsbeschluss droht sich die Situation im Gazastreifen noch weiter zu verschlimmern – wenn das überhaupt möglich ist. Die Schweiz und die internationale Gemeinschaft haben die Pflicht, die Völkerrechtsverletzungen und das menschliche Leid endlich zu beenden. Die Schweiz hat die Entstehung des Völkerrechts massgeblich geprägt. Sie hat dazu beigetragen, dass es Grenzen zur Barbarei gibt. Genau jetzt müssen wir uns gegenüber unserer Geschichte und unserer internationalen Verpflichtungen kohärent zeigen.
Was unternehmen die Grünen auf politischer Ebene?
Wir fordern unter anderem sofortige Sanktionen und 100 Millionen Franken für die Uno-Programme in Gaza. In der Herbstsession werden wir dazu im Parlament einen Vorstoss einreichen. Ich muss aber anfügen: Wir bringen seit anderthalb Jahren unsere Forderungen für mehr Unterstützung der palästinensischen Bevölkerung ins Parlament ein – aber das bürgerlich dominierte Parlament weigert sich, der humanitären Katastrophe angemessen zu begegnen.