Darum gehts
Sieben Seiten – und eine politische Botschaft mit Sprengkraft: In New York fordern arabische Staaten erstmals offiziell ein Ende der Hamas-Herrschaft im Gazastreifen. Nicht hinter verschlossenen Türen. Nicht zwischen den Zeilen. Sondern glasklar, schriftlich und unterzeichnet von Staaten wie Ägypten, Katar, Saudi-Arabien, Jordanien und der Türkei – allesamt bislang eher als stille Vermittler denn als laute Kritiker der Hamas bekannt. Warum dieser abrupte Kurswechsel?
Die Allianz gegen Hamas wächst
In der «New York Declaration», einer Stellungnahme bei einer Uno-Konferenz, verurteilen die 17 Unterzeichner nicht nur den Terroranschlag der Hamas vom 7. Oktober 2023. Sie fordern auch, dass die islamistische Organisation ihre Waffen niederlegt und die Macht an die Palästinensische Autonomiebehörde (PA), geleitet von Mahmud Abbas (89), übergibt – begleitet von einer internationalen Stabilisierungstruppe.
Für Nahost-Experte Reinhard Schulze von der Universität Bern ist es keine plötzliche Kehrtwende, aber eine sichtbar gewordene Neuordnung. «Schon vor Wochen zeichnete sich ab, dass die arabischen Staaten nicht nur die Freilassung der Geiseln fordern, sondern auch ein Ende der militärischen und politischen Herrschaft der Hamas», sagt Schulze. «Die Erklärung von New York bringt das nun schwarz auf weiss – und vor allem: mit einer breiten geopolitischen Allianz.»
Denn neben den arabischen Staaten zählen auch westliche Demokratien wie Frankreich, Grossbritannien und Kanada zu den Unterzeichnern. Israel und die USA blieben der Konferenz hingegen fern. Ein Schulterschluss zwischen der EU und der Arabischen Liga – gegen die Hamas. Für Schulze ein deutliches Zeichen: «Erstmals seit langem entsteht eine substanzielle Interessenspartnerschaft zwischen der arabischen Welt und Europa – ohne die Interessen der USA zu berücksichtigen.»
Kein Druck – sondern Einsicht
Der Wandel kommt nicht aus dem Westen – sondern von innen. Länder wie Katar hätten lange versucht, zwischen Israel und der Hamas zu vermitteln. Doch nun zeigen sie der Islamistenorganisation die Rote Karte. Warum? «Hamas hat versucht, selbst ihre Vermittler unter Druck zu setzen», erklärt Schulze. Auf diesen Druck habe vor allem Katar negativ reagiert. «Und Saudi-Arabien gibt sowieso schon längst den Takt vor.» In diesem Takt marschieren indessen auch Ägypten, die Emirate – und zunehmend eben auch die Türkei.
Dazu kommt ein ideologischer Bruch. Der religiöse Ultranationalismus der Hamas sei vielen arabischen Staaten ein Dorn im Auge: zu radikal, zu staatszersetzend. Wer Stabilität will, braucht Kontrolle – keine islamistischen Milizen. Und so rückt die Palästinensische Autonomiebehörde wieder ins Zentrum. Sie soll auch Gaza künftig verwalten. Schon heute ist sie für das Westjordanland zuständig.
Frieden oder Illusion?
Ist das eine naive Wunschvorstellung? Vielleicht. Aber der Optimismus ist nicht grundlos. «Die arabischen Staaten haben die Erklärung nicht nur unterzeichnet, weil sie überzeugt sind – sondern weil sie eine Chance auf Realisierung sehen», sagt Schulze. Gepaart mit den Ankündigungen von Frankreich, Grossbritannien und Spanien, im September einen palästinensischen Staat anzuerkennen, rückt auch die Zwei-Staaten-Lösung wieder in Griffnähe.
Am 9. September findet die nächste Uno-Generalversammlung statt. Dort soll das Dokument offiziell angenommen werden. Bis dahin dürften weitere unterzeichnende Staaten dazukommen. Lange sprachen im Nahen Osten die Waffen – Kriege in Syrien, dem Gazastreifen, Libanon und im Iran –, doch nun könnte die diplomatische Ebene wieder stärker in den Fokus rücken.