Darum gehts
Die Lage ist zwar sehr fragil, dennoch könnte sich im Nahen Osten – zumindest aus westlicher Sicht – innert Kürze vieles zum Guten wenden. Sicherheitsexperte Peter Neumann (50) vom King’s College London jubelt auf X: «Irre, aber wahr: Wenn Waffenruhe hält, hätte Trump erreicht, woran 2 Jahrzehnte westlicher Politik gescheitert sind.»
Lange hatte sich die internationale Gemeinschaft im Nahen Osten vergeblich um eine Friedenslösung bemüht. Nach dem Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023, bei dem rund 1200 Menschen getötet und 250 in den Gazastreifen verschleppt worden waren, hat der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu (75) mit dem Support von US-Präsident Donald Trump (79) die harte Tour eingeschlagen. Hat der viel kritisierte Hardliner doch alles richtig gemacht?
Mit eigenen Angriffen und dank des amerikanischen Schlags gegen den Iran in der Nacht auf Sonntag hat sich Israel innerhalb knapp zwei Jahren viel Luft verschaffen können. Die Erfolgsbilanz seit Oktober 2023:
Hamas gebodigt: Mit der Grossoffensive im Gazastreifen ist es der israelischen Armee gelungen, die Hamas militärisch praktisch auszuschalten. Der Preis mit Zehntausenden von zivilen Opfern ist allerdings enorm hoch. Und auch nach der militärischen Zerschlagung dürfte die Terrororganisation ideologisch weiter existieren und könnte sich neu formieren.
Hisbollah geschwächt: Im Rahmen der Operation «Northern Arrows» hat Israel rund 80 Prozent des Raketenarsenals zerstört und mehrere Anführer getötet. Finanzielle Sorgen sowie innenpolitischer Druck im Libanon haben die Terrororganisation ebenfalls geschwächt.
Assad gestürzt: Der Sturz des syrischen Diktators Bashar al-Assad (59) Ende 2024 hat Israel eine strategische Gelegenheit eröffnet: Es hat die militärische Präsenz in den Golanhöhen ausgebaut und sie als «für immer Teil Israels» erklärt.
Iranische Bedrohung eliminiert: Durch die Vernichtung oder zumindest Beschädigung der iranischen Atomanlagen hat Israel seinen Erzfeind massiv geschwächt. Teheran wird es schwerfallen, wieder Milizen im Ausland aufzubauen. Sogar das islamistische Regime in Teheran ist ins Wanken geraten.
Kommt der Schlag zurück?
Mit diesen Erfolgen hat Israel das für das Land wohl wichtigste Ziel erreicht. Marcel Berni (37), Strategieexperte an der ETH-Militärakademie, sagt gegenüber Blick: «Israels Existenzrecht dürfte so schnell nicht wieder infrage gestellt werden.»
Berni gibt aber zwei Punkte zu bedenken: Die Mittel und Wege, die Israel eingesetzt hat, seien im Westen und auch im Globalen Süden nicht immer gut angekommen. Weiter könnte sich laut Berni der Iran nun erst recht vom Schritt zur Atombombe ermutigen lassen.
Keine anhaltende Lösung
Die Frage ist auch, wie nachhaltig die militärischen Erfolge sein werden. Eckart Woertz, Direktor am Giga-Institut für Nahost-Studien in Hamburg, bezweifelt deren Nutzen. Er sagt gegenüber Blick: «Es gibt nach wie vor keinen Ansatz für eine politische Lösung, weder der palästinensischen Frage noch der iranischen Nuklearfrage.»
Das Nuklearprogramm der Iraner sei zwar zurückgeworfen worden. Gleichzeitig habe sich aber der Anreiz, eine nukleare Abschreckung zu erwerben, erhöht. Woertz: «Je nachdem, welche Fraktion sich in Iran durchsetzt, besteht die Gefahr, dass der Iran mittelfristig Atomwaffen erwirbt und aus dem Nonproliferationsvertrag aussteigt, so wie das Nordkorea 2003 getan hat.»
Dieser Atomwaffensperrvertrag verpflichtet seine Mitglieder – abgesehen von den fünf Atommächten China, Frankreich, Grossbritannien, Russland und USA – zum Verzicht auf Atomwaffen. Iran hatte den Vertrag 1968 unterzeichnet, also noch zur Zeit von Schah Reza Pahlavi (1919–1980).
Hat Netanyahu also trotz seines militärischen Erfolgs doch nicht alles richtig gemacht? Woertz Antwort ist deutlich: «Herr Netanyahu wird vom internationalen Strafgerichtshof wegen Kriegsverbrechen gesucht. Das sagt eigentlich alles.»