Darum gehts
- Personenfreizügigkeit mit EU bewährt sich laut Seco-Bericht seit 2002
- EU-Migranten haben höhere Erwerbsquote und arbeiten häufiger Vollzeit als Schweizer
- Rund 1 Million Menschen aus EU/Efta-Raum seit 2002 in die Schweiz eingewandert
Seit 2002 gilt die Personenfreizügigkeit mit der EU. Diese habe sich in all den Jahren bewährt, kommt das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) in seinem neusten Observatoriumsbericht zum Schluss. «Die Leute kommen in die Schweiz, um einem Job nachzugehen», sagte Jérôme Cosandey, Leiter der Direktion für Arbeit, vor den Medien in Bern.
Der Bericht liefert Inputs für die heisse Debatte um die EU-Verträge, welche mit dem Vernehmlassungsstart neu angefacht wurde. Blick nennt fünf spannende Erkenntnisse.
Deutsche, Franzosen, Italiener
Unter dem Strich sind seit der Einführung der Personenfreizügigkeit rund 1 Million Menschen aus dem EU/Efta-Raum in die Schweiz eingewandert. Im Schnitt 43'400 Personen pro Jahr. Den Höchststand erreichte die EU-Nettozuwanderung im Jahr 2008 mit 72'000 Personen. Im letzten Jahr belief sich der Saldo auf 54'000 Personen.
Insgesamt 70 Prozent der Zuwanderung seit 2002 entfallen auf die Herkunftsländer Deutschland (29 Prozent), Frankreich und Italien (je 14 Prozent) sowie Portugal (12 Prozent). Die osteuropäischen Staaten machen zusammen nur etwa einen Fünftel aus.
EU-Migranten arbeiten mehr
Wie viele Menschen kommen, hängt stark von der Wirtschaftsentwicklung ab. Brummt der Wirtschaftsmotor, ist auch der Arbeitskräftebedarf höher. Die grosse Mehrzahl der EU-Staatsangehörigen kommt zum Arbeiten hierher.
Das zeigt die hohe Erwerbsquote von 86,8 Prozent bei den 15- bis 64-jährigen EU/Efta-Zuwanderern. Bei den Schweizern liegt die Quote leicht darunter bei 84,9 Prozent. Weiter sind EU-Angehörige auch öfter Vollzeit erwerbstätig als Schweizer. Und bei Teilzeit sind kleinere Pensen bei EU-Migranten weniger verbreitet.
Es findet keine Verdrängung statt
Eine hohe EU-Zuwanderung in den Arbeitsmarkt heisst nicht, dass dadurch einheimische Arbeitskräfte verdrängt werden. Vielmehr zeichnet sich die Schweiz in den letzten Jahren durch eine insgesamt steigende Erwerbsbeteiligung und tiefe Arbeitslosigkeit aus. Besonders bei den Frauen ist die Erwerbsquote deutlich gestiegen, aber auch bei älteren Arbeitnehmenden.
«Die Zuwanderung schadet der inländischen Erwerbsbeteiligung nicht», kommentierte Arbeitgeber-Direktor Roland A. Müller (62) den Bericht. «Zuwanderung ergänzt also – sie ersetzt nicht.»
Die EU-Migration dient nicht nur der Deckung des stark wachsenden Bedarfs nach hochqualifizierten Arbeitskräften. Vielmehr greifen Schweizer Unternehmen auch bei der Rekrutierung für einfachere Tätigkeiten etwa in Gastgewerbe, Bau und Industrie auf Arbeitskräfte aus dem EU-Raum zurück. In diesen Bereichen lassen sich offene Stellen häufig nicht mehr durch inländische Erwerbspersonen besetzen.
Schweizer verdienen mehr
Generell erzielen EU-Bürger bei ähnlichen Merkmalen im Durchschnitt ähnliche Löhne wie Schweizerinnen und Schweizer. 2022 belief sich der Medianlohn hierzulande auf monatlich 6788 Franken – die Hälfte verdient also mehr, die andere Hälfte weniger.
Bei Schweizern waren es 7164 Franken, bei Ausländern hingegen nur 6089 Franken. Doch auch bei Letzteren gibt es deutlich Unterschiede: Niedergelassenen verdienen 6280 Franken, Grenzgänger 6241 Franken, Kurzaufenthalter hingegen kommen nur auf 4992 Franken.
Ein Teil der Lohnunterschiede ist zwar erklärbar, etwa aufgrund der Tätigkeit oder des Bildungsniveaus. Doch insbesondere im Tessin und im Jurabogen stellt das Seco bei Grenzgängern ein erhöhtes Risiko für Lohnunterbietungen fest.
Umso wichtiger sind im EU-Deal damit die vom Bundesrat beschlossenen Lohnschutzmassnahmen, welche das einheimische Lohnniveau sichern sollen.
AHV gewinnt, ALV verliert
Wer hier arbeitet, liefert auch Beiträge an die Sozialwerke ab, profitiert im Ernstfall aber auch davon. Die Personenfreizügigkeit wirkt sich je nach Sozialversicherung unterschiedlich aus.
Profiteurin ist die AHV. Demnach zahlen EU-Zugewanderte anteilsmässig deutlich mehr in die AHV ein, als sie an Leistungen beziehen. So stemmen sie 27 Prozent der Lohnbeiträge, beziehen aber nur 15 Prozent der Rentengelder.
Umgekehrt sieht es bei der Arbeitslosenversicherung aus. Der Anteil bei den Lohnbeiträgen beträgt 27 Prozent, die Bezüge hingegen 33 Prozent. Letztes Jahr lag die Erwerbslosenquote bei den EU-Staatsangehörigen bei 5,7 Prozent, bei Schweizern hingegen nur bei 3,1 Prozent.
Die Sozialhilfequote von EU-Staatsangehörigen lag mit 2,2 Prozent im Jahr 2023 nur geringfügig über dem Wert der Schweizerinnen mit 1,8 Prozent. Das Seco-Fazit: Für die Sozialwerke ergibt sich insgesamt keine Mehrbelastung.