Darum gehts
- Thomas Zurbuchen spricht über seiner Erfahrungen mit Elon Musk und Donald Trump
- Musk zwischen Genie und Wahnsinn: Der Tech-Milliardär sei genial, aber auch dünnhäutig und impulsiv
- Schweizer Universitäten könnten vom Trump-Chaos profitieren und Spitzenforscher abwerben
Sechs Jahre lang war Thomas Zurbuchen (57) als Forschungsdirektor der Weltraumbehörde Nasa einer der einflussreichsten Wissenschaftler der Welt. Der Berner Oberländer kooperierte in diesem Amt mit drei Präsidenten: Barack Obama (63), Donald Trump (79), Joe Biden (82). Und: Er hat eng mit Tech-Milliardär Elon Musk (53) zussammengearbeitet. 2023 kehrte Zurbuchen, den in den Staaten alle nur «Doctor Z» nannten, als Leiter des Space Center der ETH Zürich in die Schweiz zurück. Wie erlebt er den Bruch zwischen Musk und Trump, den erbitterten Streit zwischen dem reichsten und dem mächtigsten Mann der Welt?
Zurbuchen empfängt Blick im Gebäude der ETH-Erdwissenschaften zum Interview. Noch ist es angenehm kühl in seinem Eckbüro. Doch bald, in den heissen Wochen des Jahres, sei hier an Arbeiten nicht mehr zu denken, sagt er. Dann fliege er jeweils zurück in die USA, wo er ein Häuschen in den Bergen besitzt. Ohnehin pflegt er noch viele Kontakte in Übersee, auch mit Elon Musk und seinem Team. Die Wandlung, die der Tech-Mogul durchlaufen hat, macht dem Schweiz-Amerikaner Sorgen.
Thomas Zurbuchen, Sie kennen Elon Musk gut. Ist er, wie US-Präsident Trump sagt, verrückt geworden?
Es scheint zumindest nicht mehr viel zu fehlen. Alle von uns haben Schwächen, insbesondere Genies wie Elon Musk: Wo es viel Licht gibt, gibt es viel Schatten. Was wir jetzt sehen, ist seine schwächste Seite.
Wie zeigt sich das?
Musk ist ein unglaublich intensiver, vorwärtsgerichteter Denker. Geistig ist er einer der intelligentesten Menschen der Welt. Aber emotional ist er dünnhäutig, sagt und tut manchmal dumme Dinge. Musk kann nicht gut mit Kritik umgehen – und leider auch schlecht mit Macht, wie wir jetzt sehen.
Überrascht Sie das?
Nein. Erfolgreiche Unternehmer haben häufig Mühe mit Strukturen. Bei Elon Musk ist das besonders ausgeprägt. Nur weil sein Team ihn in diesem Bereich stark unterstützt, war er so erfolgreich. Umso erstaunlicher, dass er plötzlich in die Politik wollte.
Dort sind die Strukturen oft besonders starr.
Musk in einer Regierung – das ist wie ein Fisch auf dem Trockenen, wie ein wild gewordener Ochse im Porzellanladen. Dass es mit Trump knallt, war nur eine Frage der Zeit. Egoisten dulden auf lange Zeit keine anderen Egoisten in ihrer Nähe.
Der mächtigste und der reichste Mann der Welt liefern sich öffentlich eine Schlammschlacht. Was sind die Folgen?
Das ist noch unklar. In den ersten 24 Stunden nach dem Bruch ging viel kaputt. Erstens: Jared Isaacman – ein Vertrauter Musks – war als neuer Nasa-Chef vorgeschlagen, wurde dann aber kurzfristig abgesägt.
War das Trumps Rache an Musk?
Davon gehen alle aus. Auch Isaacman selbst.
Sie haben mit ihm gesprochen?
Ja.
Und zweitens?
Es erschienen sofort Medienberichte, in denen Regierungsbeamte Musk anonym beschuldigten, regelmässig Drogen zu nehmen. Seither sind seine milliardenschweren Regierungsaufträge in Gefahr. Ich war ehrlich gesagt erstaunt, wie direkt und aggressiv Musk Donald Trump öffentlich attackiert hat. Dass der Präsident zurückschiesst, war klar.
In diesem Punkt scheinen sich Trump und Musk zu ähneln.
Nicht nur in diesem. Beide sagen gerne, was sie denken, und haben eine unglaublich starke Meinung von sich selbst – sowie über andere.
Sie sagen, Elon Musk könne nicht gut mit Macht umgehen. Angesichts seiner Machtfülle ist das doch beängstigend!
Absolut. Das macht auch dem US-Militär und dem Verteidigungsministerium Angst. Wenn der Chef der wichtigsten Raketenfirma plötzlich unzuverlässig ist, gefährdet das die Sicherheit von Amerika. Deshalb versucht man jetzt intensiv, für Raketenstarts Alternativen zu SpaceX aufzubauen.
Ohne SpaceX könnten die USA viel weniger militärische oder Geheimdienst-Satelliten in die Umlaufbahn schiessen.
Wenn ein Unternehmen auf einem so wichtigen Sektor dominiert, entsteht eine ungesunde Abhängigkeit. Die kommerzielle Entwicklung der Weltraumbranche ist im Allgemeinen gut. Früher kostete ein Satellit 20 Millionen Dollar, heute 2 Millionen. Das Problem ist die marktführende Position von SpaceX.
Sie entstand, nachdem Sie als Nasa-Direktor die kommerzielle Entwicklung der Raumfahrt stark vorangetrieben haben. War das aus heutiger Sicht ein Fehler?
Nein. Es gibt nicht nur SpaceX, sondern fünf, sechs weitere Firmen, die Satellitenkommunikation entwickeln und teilweise Milliarden an Fördermitteln erhalten haben.
Weshalb sind diese Unternehmen denn nicht konkurrenzfähig?
Auch ich frage mich: Wieso ist Elon allen so weit voraus? Andere Firmen müssten auch gut sein. Nicht nur in Amerika. Ihr Problem ist: SpaceX ist momentan nicht nur technisch überlegen. Musk hat auch die besten Leute.
SpaceX kontrolliert mehr als 7000 Satelliten. Musk könnte Kriege stärker beeinflussen als viele Regierungen, wie sich auch zu Beginn des Angriffs auf die Ukraine zeigte.
Musk bekam selbst Angst, als ihm seine Rolle im Ukraine-Krieg bewusst wurde. Seine Leute haben ihn eindringlich vor weiteren Schritten gewarnt. Stellen Sie sich Russlands Reaktion vor, wenn ein US-Unternehmer der Ukraine ermöglicht hätte, Drohnen über dem gesamten russischen Gebiet mit GPS zielgenau zu navigieren. Musk hat Starlink nicht zur Steigerung seiner Macht gebaut – aber sie erwuchs aus dieser Infrastruktur, die wirtschaftlich wichtig und interessant ist.
Macht ihn das gefährlich?
Ich weiss es nicht. Wirklich nicht!
Sie zögern. Weshalb?
Weil auch Worte gefährlich sein können. Andererseits glaube ich nicht, dass Elon über einen «roten Knopf» verfügt. Entscheidend sind Sicherheitssysteme, die Fehler verhindern. Denn Fehler machen wir alle. Beim Autofahren helfen technische Hilfsmittel, oder der Beifahrer macht uns auf die Gefahr aufmerksam.
Und bei Starlink?
Dort arbeiten hervorragende Leute. Sie denken oft anders als Musk – und ich bin sicher, sie würden ihn stoppen, wenn es nötig wäre. Musk sollte sich, statt Politik zu machen, wieder auf das konzentrieren, was er so gut kann wie kaum jemand sonst: grosse Lösungen für die Menschheit entwickeln. Ich sehe darin eine Lektion für uns alle, etwas demütiger zu sein. Nur weil wir auf einem bestimmten Gebiet herausragend sind, heisst das nicht, dass wir in allem gut sind.
Sie kennen auch Donald Trump persönlich ...
… viel weniger gut als Elon Musk.
Mit seinem Budgetvorschlag für 2026 will Trump die Forschungsgelder zusammenstreichen, auch bei der Nasa.
Stimmt der Kongress diesem Budgetvorschlag zu, ist das eine Katastrophe für die Wissenschaft – nicht nur in Amerika, sondern global. Es ist die Forschung, die Lösungsansätze für unsere drängendsten Probleme aufzeigt. Forschung ist zentral für die Gestaltung der Zukunft.
Trumps Geringschätzung der Wissenschaft zeigt sich auch in seinem Kampf gegen die Elite-Universitäten.
Gut möglich, dass das einen Einfluss hat. Für Trump und sein Team liegen die Themen Sicherheit und Verteidigung in der finanziellen Verantwortung der Administration, alles andere ist weniger wichtig. Bezüglich der US-Universitäten gibt es aber echte Probleme, die gelöst werden müssen. Enge jüdische Freunde von mir erzählen zum Beispiel, wie schwierig es für ihren Nachwuchs ist, eine Elite-Uni zu besuchen. Es ist inakzeptabel, dass jemand mit jüdischer Herkunft benachteiligt, teilweise sogar mit Gegenständen beworfen wird, wie es den Kindern meiner Bekannten passiert ist. Ich frage mich, wieso das die Unis nicht von sich aus korrigiert haben!
Sie sind schweizerisch-amerikanischer Doppelbürger. Mischen Sie sich in die US-Politik ein?
Was die Forschung betrifft, sehe ich mich als amerikanischer Bürger dazu verpflichtet. Ich habe noch viele Verbindungen in die USA, auch zur Politik. Im Juli werde ich im Capitol an einem Anlass vor Abgeordneten und deren Staff sprechen und den Wert der Forschung betonen. Ich bin nicht gegen sinnvolle Einsparungen, im Gegenteil. Aber man räumt kein unordentliches Zimmer auf, indem man eine Handgranate auf den Tisch wirft.
Sie sind 2023 in die Schweiz zurückgekehrt. Hatten Sie auch ein Jobangebot von Elon Musk?
Ja.
Wie haben Sie reagiert?
Das Angebot von Musk war eines von vielen. Ich habe mich gar nicht auf Diskussionen eingelassen.
Wirklich nicht?
Ich will nur Jobs annehmen, wenn ich überzeugt bin, die beste Besetzung zu sein. Bei den meisten Angeboten war das nicht der Fall – auch nicht bei SpaceX.
Ihr Mandat an der ETH läuft in einem Jahr aus. Können Sie sich vorstellen, in der Schweiz zu bleiben?
Absolut. Wir sind mit dem Space Center erfolgreich unterwegs, dank der Teams, aber auch dank der Unterstützung von ETH und Politik. Die Schweiz ist ein Erfolgsmodell. Wir sollten alles dafür tun, hervorragende Leute für unsere Programme anzuziehen.
Wie meinen Sie das?
Wir wollen nicht gute, sondern die besten Leute. Vier der sechs Top-Kandidaten, die ich in den letzten sechs Monaten rekrutiert habe, waren Europäer, die in den USA gearbeitet haben und zurückwollten. Wir stellen heute Leute ein, die wir vor zwei, drei Jahren wahrscheinlich nicht bekommen hätten. Stabilität ist ein Schweizer Trumpf – mein Appell an Unternehmen und Universitäten lautet deshalb: Nutzt ihn!
Die Schweiz sollte sich das Trump-Chaos zunutze machen und den USA Spitzenforscher abjagen?
Aus Schweizer Sicht sollten wir immer Spitzenleute rekrutieren, unabhängig davon, was der Grund für ihr Interesse ist. Und unsere besten Firmen und Universitäten sollten versuchen, jene Talente zurückzuholen, die vor Jahren ausgewandert sind.
Sie sind das beste Beispiel dafür!
Wir sollten Leute zurückgewinnen, die in der Schweiz hervorragend ausgebildet wurden, aber in den USA und anderswo Karriere gemacht haben.
Sie haben Dutzende Weltraummissionen verantwortet. Musk sagte einmal, er möchte auf dem Mars sterben. Gilt das auch für Sie?
Wenn wir den Mars erreichen, wird es dort sehr einsam sein. Die Auserwählten werden ihre Familien nicht mitnehmen können. Ich möchte lieber bei meiner Familie sterben als alleine. Tod ist, wie die Geburt, nicht nur eine persönliche Sache. Wir treten in eine Gemeinschaft ein und wieder aus. Sterben auf dem Mars – für mich wäre das eine himmeltraurige Sache.