Darum gehts
- Schweizer Landwirtschaft am Scheideweg: Wohin nach 2030? Agrarreform wird diskutiert
- Biolandwirt Valentin Birbaum baut erfolgreich Wassermelonen im Seeland an
- Kopenhagen kauft für öffentliche Küchen zu 85 Prozent bei Biobauern ein
Im Seeland wachsen auch Wassermelonen. Bei Biolandwirt Valentin Birbaum (28) tun sie das sogar auf freiem Feld. «Ich wollte es einfach mal versuchen», sagt er. Geklappt hat es wunderbar. Rund zwei Tonnen der süssen Früchte gedeihen jährlich auf dem Hofacker. Kilopreis: 4.50 Franken. «Es lohnt sich», sagt Birbaum.
Es ist nicht die einzige Kuriosität. Auf einem der Felder des Hofs Faver in Wallenbuch FR ernten Mitglieder des Vereins «TaPatate!» Bohnen. Das gehöre dazu, wenn man ein Gemüseabo abschliesst, erzählt Birbaum. Solidarisch, ökologisch, innovativ: So sehe die Rettung für die gebeutelten Landwirtinnen und Landwirte aus, finden Umwelt- und Agrarorganisationen. Doch reicht das, um zu überleben?
Hört der Bund auf die Bauern?
Die Schweizer Landwirtschaft ist am Scheideweg. Die grosse Frage: Wohin soll sie nach 2030? In Bern wird die grosse Agrarreform diskutiert. Doch das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) steht von allen Seiten unter Druck. Entladen hat sich das bereits mehrfach – zumindest bei den konventionellen Landwirtinnen und Landwirten.
Die Kritik: Der Bund lässt die Bauern im Stich. Schlechte Arbeitsbedingungen, wenig Nachwuchs und zu wenig Grenzschutz. Darüber hinaus würde Bern mehr Pflanzenschutzmittel verbieten als zugelassen werden. Das ist laut den Protestlern das exakte Gegenteil von dem, was der Bund eigentlich wolle – nämlich die pflanzliche Ernährung fördern.
Mit den meisten Punkten sind auch Biobauern wie Birbaum einverstanden. Die Pestizide brauche es aber nicht. «Wir erhalten mit unseren Methoden langsam, aber sicher denselben Ertrag wie beim konventionellen Anbau», so Birbaum. Statt die Gemüseäcker stark zu bearbeiten, setzt das Hofteam etwa auf das Mulchen: Die Pflanzen werden auf Böden aufgezogen, die mit einer dicken Schicht organischem Material bedeckt sind. Diese hält die Erde feucht, fruchtbar – und frei von Unkraut.
Neue Methoden gegen den Klimawandel
Dafür hat der Biolandwirt extra eine Maschine aus Deutschland importiert. Trotzdem: Auf dem Hof werde noch vieles von Hand gemacht. «Wenn wir aber konsequent weiter in zukunftsfähige Anbaumethoden investieren, können wir die Ertragseinbusse minimieren, die der Klimawandel mit sich bringen wird», sagt Birbaum.
Der Hof Faver hat bereits mehr als drei Jahrzehnte überstanden. Der Biobetrieb hat sich ganz der regenerativen Landwirtschaft verschrieben. Die Böden sollen geschont, die Kulturen möglichst vielfältig und naturnah angebaut werden.
Aufgebaut hat ihn Valentin Birbaums Vater René – im Oktober soll der Hof endlich vollständig dem Sohn gehören. «Wir werden jedes Jahr etwas grösser», sagt der Landwirt. Die Gebäude breiten sich auf dem Weiler aus wie Wurzeln: Lagerräume, Fahrzeugschuppen und ein Hofladen. Das Hofeinkommen wird auch durch drei Mietwohnungen aufgebessert. Bald soll auf dem Areal zudem eine Rüststation entstehen. Ein Glasgebäude, wie Birbaum sagt. «So können wir alles hier bei uns aufbereiten und direkt an die Abnehmerinnen und Abnehmer liefern.»
Direktverkauf soll die Lösung sein
Die Richtung ist klar: Weg von den Detailhändlerinnen und Gastronomienetzwerken, die die Bauern mit tiefen Abnahmepreisen unter Druck setzen. Der Hof Faver liefert an Quartierläden und drei Restaurants. «Und es kommt immer mehr dazu», sagt Birbaum. Der eingeschlagene Weg komme allen zugute: «Unsere Bioprodukte unterbieten im Direktverkauf die Preise der grossen Händlerinnen und Händler.» Man sei also konkurrenzfähig – wenn auch auf tiefem Niveau.
Grosses Geld verdient es sich damit aber nicht. Die Löhne der Beschäftigten würden gemeinsam je nach ihrer Lebenssituation festgesetzt, so Birbaum. «Aber natürlich würde ich gern besser bezahlen.» Vieles beruht auf dem Hof Faver noch auf Solidarität statt Wirtschaftlichkeit – zum Beispiel die Freiwilligenarbeit der Mitglieder des Vereins «TaPatate!», der dem Hof angeschlossen ist.
Die Organisationen, die sich für eine nachhaltige Landwirtschaft einsetzen, hoffen daher auf die grosse Agrarreform. «Der Bund muss endlich Rahmenbedingungen schaffen, damit sich die ökologische Landwirtschaft lohnt», sagt Daniel Seifert (37), Projektverantwortlicher der Stiftung Biovision. «Und es braucht grosse Abnehmer. Der Bund sollte da, zusammen mit den Kantonen und Städten, mit gutem Beispiel vorangehen.» Kantinen der öffentlichen Hand sollten etwa vermehrt nachhaltig einkaufen.
«Bundesamt kennt die guten Beispiele»
Seifert nennt als Beispiel Kopenhagen: Die Stadt in Dänemark kauft für ihre öffentlichen Küchen zu 85 Prozent bei Biobauern ein. «Das BLW kennt die guten Beispiele», sagt Seifert.
Ob sich der Bund die dänische Hauptstadt als Vorbild nimmt, steht noch in den Sternen. Sowieso zeigen die Entscheide des Bundesrats und des Parlaments in eine andere Richtung: Mit der jüngst verabschiedeten Revision der Schweizer Pestizidverordnung sollen Pflanzenschutzmittel aus der EU vereinfachter zugelassen werden.
Dazu kommt, dass sich der Nationalrat bald mit einem Vorstoss des neuen Mitte-Chefs Philipp Matthias Bregy (47) befassen wird. Dieser will in Nachbarländern zugelassene Pestizide automatisch auch hierzulande erlauben – und so den konventionellen Gemüseanbau ankurbeln.
Den Bauern fehlt die Zeit für Politik
Der Entscheid zeigt: Wenn es um die Agrarpolitik geht, zeigt sich weiterhin besonders der Bauernverband mächtig. Bei ihren Forderungen zur künftigen Agrarpolitik weiss Biovision aber auch Bio- und IP-Bauern wie Valentin Birbaum hinter sich.
Zusammen mit 18 weiteren Organisationen setzt sich die Stiftung in der «Agrarallianz» für eine nachhaltigere Landwirtschaft ein. Die Stimme des Zusammenschlusses drohe allerdings bei der Behandlung zu wenig Gehör zu erhalten, so Seifert.
Den meisten Bäuerinnen und Bauern selbst fehlt gleichzeitig ganz einfach Zeit und Musse, sich mit dem politischen Prozess zu befassen. «Ich hoffe schon auf die Politik, die sozialen Kosten einzubeziehen», sagt Birbaum. Er selbst habe mit dem Hof aber bereits mehr als genug zu tun.