Darum gehts
- Haferproduktion in der Schweiz eingebrochen, ausser im Bio-Bereich
- Schweizer Bauern profitieren nicht vom Hafer-Trend trotz steigender Nachfrage
- 2023 wurden 8366 Tonnen Speisehafer geerntet, 2024 keine Ernte beim konventionellen Anbau
Hafer boomt: Veganer trinken Hafer- statt Kuhmilch, die Flöckli gelten als gesunder Superfood. Nur die Schweizer Bauern haben nichts vom Trend. Die Speisehafer-Produktion ist 2024 komplett eingebrochen, ausser im Bio-Bereich. Das zeigen neue Zahlen: Waren 2023 noch 8366 Tonnen geerntet worden, so gab es im vergangenen Jahr keine Ernte mehr beim konventionellen Anbau. «Mangels Absatz in der Verarbeitung und im Handel haben wir den Vertragsanbau ab der Ernte 2024 bis auf weiteres pausiert», sagt der Schweizer Agrarriese Fenaco auf Anfrage von Blick.
Die fehlende Ernte hat Auswirkungen in den Regalen der Detailhändler: Diese verkaufen zu grossen Teilen nur noch Bio-Flöckli aus der Schweiz. Der Rest wird importiert.
Bauer Markus Dietschi (50) aus Selzach SO hat ein Jahr lang Hafer angebaut. Dann war wieder Schluss. «Es gibt keinen Markt dafür», sagt er. Heute ist Futterhafer für ihn noch «ein Notnagel», wenn er auf einem Feld andere Pflanzen nicht säen kann. «Es gibt mir zu denken, dass es um Lebensmittel einen Hype gibt, aber Schweizer Bauern nichts davon haben», sagt der Landwirt, der für die FDP im Solothurner Kantonsrat politisiert.
Nicht nur Hafer geht es so
Der Grund für die Flöckli-Misere? Die Produktionskosten sind in der Schweiz deutlich höher als im Ausland, Grenzschutz durch Zölle gibt es kaum. Und die Konsumentinnen und Konsumenten wollen offenbar nicht höhere Preise für Schweizer Hafer bezahlen, wie es etwa bei Migros und Coop heisst. Zudem sei es aufgrund des Klimas nicht einfach, «eine konstant hohe Qualität zu produzieren», fügt die Migros-Medienstelle an.
Hinzu kommt: Die anfängliche Euphorie ist verflogen, man erhoffte sich ein noch stärkeres Wachstum von Hafermilch und Co.
Das nötige Know-how für den Anbau wäre weiterhin vorhanden, sagt Christophe Eggenschwiler vom Label IP Suisse, die Produkte wären an Lager. Dennoch musste man nun eine Anbaupause einlegen. Es fehlen «starke Partner in der Wertschöpfungskette». Laut Eggenschwiler ist Hafer kein Einzelfall. Ähnlich sei es bei Quinoa, Hartweizen für Schweizer Teigwaren, Braugerste fürs einheimische Bier oder Proteinpflanzen für vegetarische Fleischersatzprodukte. Auch sie haben keinen Grenzschutz, aber höhere Produktionskosten in der Schweiz – und leiden entsprechend.
Bundesbern fernab der Realität?
Brisant ist die Hafer-Misere für die Bauern noch aus einem anderen Grund: Der Bund will, dass die Schweizerinnen und Schweizer künftig öfter vegetarisch essen. Die Bauern sollen deshalb auch mehr pflanzliche Lebensmittel produzieren. «Das bleibt eine Illusion, wenn sich die Rahmenbedingungen nicht ändern», sagt Martin Rufer (48), Direktor des Schweizer Bauernverbands. «In Bundesbern rufen die Ämter nach mehr Pflanzenbau. Aber in den letzten Jahren ist das Gegenteil passiert, die Produktion nimmt ab», so Rufer. «Es besteht ein riesiger Kontrast zwischen den Vorstellungen der Bundesverwaltung und dem, was in der Realität passiert.»
Die Schweizer Produktion werde durch Importware verdrängt. Neben dem Preis habe dies auch mit der Witterung und dem Klimawandel zu tun, die neue Schädlinge brächten. Aber ebenso auch mit Pflanzenschutzmitteln, die wegfallen oder nicht zugelassen werden. «Aktuell sind rund 700 Gesuche hängig, die Mittel werden aber nur schleppend bewilligt», sagt Rufer.
Auch der Verband Bio Suisse spricht von einem «agrar- und ernährungspolitischen Widerspruch». Die Ziele der Agrarpolitik seien «schwierig bis unrealistisch, zumal das Risiko für die Produzentinnen und Produzenten in diesen Kulturen viel grösser ist». Immerhin: Der Absatz von Bio-Hafer hat sich bis 2023 kräftig entwickelt, ist aber im letzten Jahr laut provisorischen Zahlen auch wieder zurückgegangen.
Damit Bauern auf den pflanzlichen Anbau setzen können, bräuchte es laut Rufer neben Massnahmen bei Pflanzenschutzmitteln und robusteren Sorten auch angepasst Zölle auf importierte Produkte – dort, wo diese beispielsweise trotz Freihandelsabkommen möglich sind.