Was kann Karin Keller-Sutter bei Trump besser machen? Ex-Präsidialberaterin packt aus
«Botschaften, die in einem Tweet Platz haben»

Véronique Haller hat als Präsidialberaterin von Alain Berset an zig Telefonaten mit Staatschefs teilgenommen. Ein Gespräch über Psychologie, den Faktor Frau – und warum Keller-Sutter Trump das Gefühl geben sollte, ein toller Verhandler zu sein.
Publiziert: 10:09 Uhr
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Aktualisiert: 15:38 Uhr
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Véronique Haller hat als Präsidialberaterin an vielen Telefonaten und Treffen mit Staatschefs teilgenommen.
Foto: Raphaël Dupain

Darum gehts

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Raphael RauchBundeshausredaktor

Blick: Wann ist ein Gespräch erfolgreich?
Véronique Haller: 80 Prozent sind Psychologie, 80 Prozent Geografie – und 20 Prozent Inhalt.

Das macht 180 Prozent!
In der Spitzendiplomatie gelten eigene Gesetze. Die Fakten wurden von der Verwaltung bereits im Vorfeld geklärt. In der Welt der Wirtschaft zählt das Ergebnis: Wachstum, Gewinne, Marktanteile. Die Weltpolitik dagegen ist keine Zahlenkunde. Es geht um Macht und Symbolik. Staatsoberhäupter handeln nicht, sie verkörpern.

Was heisst das?
Staaten handeln nicht nach Effizienz, sondern nach einer eigenen Logik aus Machtansprüchen, Geschichte und gegenseitiger Anerkennung. Deshalb ist das Atmosphärische das A und O. Ich habe mit Alain Berset jeweils genau besprochen, welche Melodie ein Gespräch haben sollte: in welchem Tonfall, in welcher Lautstärke, mit welcher Botschaft am Anfang.

Was meinen Sie mit Geografie?
Das betrifft physische Treffen und nicht unbedingt ein Telefonat. Der Raum selbst spricht mit: Wie sind die Stühle angeordnet? Wo steht der Tisch, wo die Flagge? Warte ich vor dem Raum auf den Präsidenten – oder hole ich ihn ab und wir laufen gemeinsam den Gang entlang? Solche Details können die Dynamik verändern.

Sie waren Alain Bersets Präsidialberaterin. Wie hat er sich auf schwierige Gespräche vorbereitet?
Die zentralen Botschaften hatte er klar vor Augen. Er hat aber akribisch versucht, sich in den Kopf seines Gegenübers hineinzuversetzen. Er wollte Anekdoten kennen, um das Eis zu brechen. Er wollte wissen, was seine Gesprächspartner wirklich beschäftigt – nicht nur beruflich, sondern auch privat. Das Telefonat endete nicht mit dem Auflegen. Entscheidend war, was anschliessend nach innen und aussen erzählt wurde.

Haben Sie die Gespräche im Vorfeld gescriptet und geübt?
Natürlich, wobei ein Gespräch selten nach Drehbuch abläuft. Beim WEF 2018 in Davos sprang Trump von Thema zu Thema. Darauf waren wir vorbereitet, und wir haben uns Stichworte und Sätze zurechtgelegt. Viele Präsidenten blättern in schwierigen Momenten nervös im Dossier und suchen eine Antwort – dabei ist das nie die Lösung. Die Macht von Pausen wird unterschätzt.

Das Amt des Bundespräsidenten ist in der Schweiz ein Wanderpokal. Ein Nachteil?
Sagen wir es so: Wir haben keine geübten Bundespräsidenten! Man braucht Übung, um staatsmännisch aufzutreten. Unser System will keine Machtkonzentration. Dabei ist Vertrauen das eigentliche Kapital in der Spitzendiplomatie. Der kanadische Ex-Premier Justin Trudeau hat einmal zu Alain Berset gesagt: «Die Schweiz ist nicht greifbar. Jedes Mal kommt jemand anderes.»

Welchen Fehler könnte Keller-Sutter beim Telefonat mit Trump gemacht haben?
Trump geht es um Macht, ums Gewinnen. Er will alles im Griff haben und reagiert stark auf der persönlichen Ebene. Stimmt die Chemie nicht, haben Sie verloren.

Hätte Keller-Sutter einen Joker vorbereiten müssen?
Trump wollte sofortige finanzielle Zugeständnisse und keine rationale Diskussion. Die Schweiz arbeitet nicht mit Jokern, sondern mit abgestimmten Positionen. Doch in der Instant-Diplomatie aus Washington ist genau das die Nagelprobe.

Hätte Seco-Staatssekretärin Helene Budliger Artieda beim Telefonat dabei sein sollen?
Das Telefonat ist die Bühne der Bundespräsidentin. Wer mithört, ist zweitrangig. Die Arbeit mit Vertretern aus anderen Departementen geschieht in der Vorbereitung und Nachbearbeitung. So ist es in Bern üblich – trotz Kollegialregierung.

Sie waren dabei, als Karin Keller-Sutter 2018 als Ständeratspräsidentin Trump in Davos traf. War damals die Chemie zwischen den beiden besser?
Es gab nur einen flüchtigen Handschlag, der vielleicht eine Sekunde lang dauerte. Mein Gefühl war: Trump hat sich nicht für Keller-Sutter interessiert. Die Begegnung war zu kurz, als dass Trump sie wirklich wahrgenommen hätte.

Welche Rolle könnte der Faktor Frau im Telefonat gespielt haben?
Karin Keller-Sutter ist eine sehr erfahrene Politikerin, sie lässt sich nicht einschüchtern. Trump liebt die Welt der Alpha-Typen. Es ist möglich, dass er sie als belehrend empfand, weil sie eine Frau ist. Allerdings äussert sich Trump auch über Männer herablassend, wenn sie ihm nicht passen.

Was sollte der Bundesrat jetzt machen?
Der Bundesrat muss Geschlossenheit zeigen und klar kommunizieren: Wir sind offen für Verhandlungen, aber nicht erpressbar. Zugleich muss sich der Bundesrat überlegen, wie er seine Aussenpolitik künftig ausrichten will. Spätestens seit Januar 2025 sind die USA nicht mehr Hüterin des Westens. Alle westlichen Länder sind überfordert und ringen darum, wie sie mit der neuen Willkür in Washington umgehen sollen.

Donald Trump könnte der Schweiz auch Währungsmanipulation oder Trittbrettfahrerei bei der Sicherheitspolitik vorwerfen. Müssen wir uns auf noch mehr gefasst machen?
Trump kann mit allem kommen – wir müssen uns auf diese Szenarien vorbereiten und dürfen nichts ausschliessen.

Bundesrat Guy Parmelin war nun in Washington. Der US-Handelsminister sagte, die Schweiz solle wie Japan 550 Milliarden Dollar in die USA investieren, um die US-Zölle auf 15 Prozent zu senken – wobei die Trump-Regierung bestimmen solle, wohin das Geld fliesse. Was denken Sie darüber?
Kurzfristige Milliarden-Deals sind wie ein Blitz am Himmel. Spektakulär, aber nur dazu da, politischen Druck auszuüben. Die Schweiz ist nicht Japan. Unser politisches System kennt keine milliardenschweren Investitionsprogramme. Offenheit im Handel und Verlässlichkeit sollten weiterhin unsere Logik in der Suche nach einem Deal bleiben.

Wie findet man heraus, ob man wirklich einen Deal hat – oder ob Trump nochmals alles kaputtmachen könnte?
Ein Deal mit Trump gilt erst, wenn er ihn auf Social Media verkündet hat. Je mehr er den Deal als seinen persönlichen Erfolg verkaufen kann, desto stabiler dürfte das Ergebnis sein. Mit Trump bleibt also immer ein Restrisiko.

Sollte Keller-Sutter nicht mehr mit Trump telefonieren, sondern ihn persönlich treffen?
Ob Telefon oder persönliches Treffen, das hängt von Trump und der Strategie des Bundesrats ab. Warten, bis sich der Staub gelegt hat? Das kann klug sein, aber genauso klug ist es, Flexibilität zu zeigen. Entscheidend ist, dass die Bundespräsidentin mit prägnanten Botschaften auftritt, die sie wiederholen kann und in einem Tweet Platz haben. Ich würde versuchen, Trump mit einem persönlichen Detail das Gefühl zu geben, ein toller Verhandler zu sein.

Zum Schluss noch zu Ihnen: Sie wollten die Agentur Furrerhugi übernehmen, haben diese aber überraschend verlassen. Warum?
Ich war Mitglied der Geschäftsleitung und Teil des internen Nachfolgeprozesses, in dessen Rahmen wir eine mögliche Übernahme prüften. Im Laufe der Verhandlungen stellten Lisa Kneubühler und ich fest, dass unsere Vorstellungen zur strategischen Ausrichtung der Agentur nicht mit denjenigen der Gründer übereinstimmen. Für mich war es der richtige Zeitpunkt, um ein neues Kapitel aufzuschlagen und ein eigenes Unternehmen zu gründen.

Sie sind Sportlerin aus Leidenschaft, Markus Ritter gilt als Olympia-Gegner. War Lorenz Furrer gut beraten, Ritters Bundesrats-Kampagne zu übernehmen? Er hat verloren.
Als Sportlerin habe ich meine persönlichen Ansichten zu Olympia. In jedem Fall ist eine Kandidatur kein Einzelkampf, sondern Teamsport. Da bringt jeder seine Stärken und Strategien ein. Ob es die richtige Taktik war, können nur die beteiligten Spieler selbst beurteilen.

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