Darum gehts
- Cassis verteidigte umstrittene Gaza-Stiftung trotz Bedenken von Völkerrechtsexperten
- EDA-Gutachten warnte vor möglicher Beihilfe zu Kriegsverbrechen durch Unterstützung
- Am 14. August 2025 verfügte ESA Aufhebung der Genfer Zweigstelle
Tagelang verteidigte Ignazio Cassis (64, FDP) die umstrittene Gaza Humanitarian Foundation (GHF). Immer wieder rief der Aussenminister dazu auf, der Organisation eine Chance zu geben. Bei der Stiftung handelt es sich um eine private Organisation ehemaliger US-Soldaten und Geheimdienstler, die im Gazastreifen Lebensmittel verteilen. Die GHF sollte anstelle des von Israel abgelehnten Uno-Hilfswerks UNRWA die Hungerkatastrophe im Herrschaftsbereich der Hamas bekämpfen helfen.
Verpolitisierung der humanitären Hilfe
Viele arabische, aber auch westliche Staaten jedoch sahen in der Stiftung eine unzulässige Politisierung der humanitären Hilfe. Als 22 europäische Staaten die GHF schriftlich kritisierten, verweigerte Cassis seine Unterschrift – und rechtfertigte sich Anfang Juni im Westschweizer Fernsehen RTS wie folgt: «Dieser Brief klagt eine Stiftung an, die vielleicht etwas Gutes hätte tun können. Man muss genau ansehen, was die Stiftung macht, und sie nicht von vornherein verurteilen, bevor Israel die Möglichkeit hat, etwas zu unternehmen.»
Was Cassis verschwieg: Eine Analyse seiner eigenen Experten kam zu einem völlig anderen Ergebnis. Laut Völkerrecht ist Israel als Besatzungsmacht verpflichtet, humanitäre Hilfe im Gazastreifen zu leisten. Würde Jerusalem diese Aufgabe an die GHF delegieren, widerspräche dies dem Völkerrecht. Mehr noch: Dadurch, dass die in Genf ansässige Stiftung von Schweizer Boden aus gesteuert werden sollte, könnte sich Bern der «Beihilfe zu Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit» schuldig machen. Die Absichten der GHF seien «mit den Verpflichtungen der Schweiz aus dem humanitären Völkerrecht unvereinbar».
Verbot, Hunger als Kriegswaffe zu benutzen
Konkret kritisierten die Völkerrechtler des EDA, Israel verstosse mit der Einschaltung der GHF gleich gegen mehrere Regeln des humanitären Völkerrechts – etwa gegen das Verbot, Hunger als Kriegswaffe zu benutzen oder die Zivilbevölkerung zwangsweise umzusiedeln. Die Schweiz könnte sich strafbar machen. «Jede Unterstützung der von Israel vorgeschlagenen Umstrukturierung könnte ein Risiko der internationalen strafrechtlichen Verantwortlichkeit für Beihilfe zur Begehung von Kriegsverbrechen oder sogar Verbrechen gegen die Menschlichkeit mit sich bringen», heisst es im geheimen EDA-Gutachten, das Blick mithilfe des Öffentlichkeitsgesetzes eingesehen hat.
Aus welchem Grund Cassis die Bedenken seiner Völkerrechtler in den Wind schlägt, wollte der EDA-Chef nicht sagen.
Die umstrittene Stiftung mit Hauptsitz in Delaware (USA) ist zwar immer noch aktiv, allerdings nicht mehr von Schweizer Boden aus. Ihre Genfer Zweigstelle erfüllt verschiedene rechtliche Grundlagen nicht – sie verfügt über keinen Stiftungsrat mit Schweizer Wohnsitz und auch nicht über eine Bankverbindung in der Schweiz. Kurz nachdem die Eidgenössische Stiftungsaufsicht (ESA) Ende Mai aktiv geworden war, teilte die GHF mit, sie sei nie in der Schweiz aktiv geworden, die Genfer Zweigstelle wolle man schliessen.
«Stiftung effektiv aufgelöst»
«Am 14. August 2025 verfügte die ESA die Aufhebung der Genfer Zweigstelle der Gaza Humanitarian Foundation GHF», teilt die Stiftungsaufsicht mit. «Am 15. September 2025 ist die Einsprachefrist abgelaufen. Damit wird die Stiftung effektiv aufgelöst. Die Löschung des Eintrags im Handelsregister obliegt dem Handelsregisteramt des Kantons Genf.»