Ausschreitungen in den USA
Auch der Bund kann die Armee gegen Demonstranten einsetzen – und hat es schon getan

US-Präsident Trump sorgt für einen weiteren Tabubruch und setzt das US-Militär gegen Proteste in Los Angeles ein. Doch auch der Bund darf die Armee gegen die eigene Zivilbevölkerung aufbieten. Dabei kam es auch schon in der Schweiz zu Toten.
Publiziert: 10.06.2025 um 17:10 Uhr
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Aktualisiert: 10.06.2025 um 20:52 Uhr
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Trotz Einsatz des Militärs halten in Los Angeles die Proteste gegen die Migrationspolitik der US-Regierung an.
Foto: Getty Images

Darum gehts

  • Militäreinsätze gegen Demonstranten in der Schweiz sind möglich, aber umstritten
  • Armee hat weitreichende Kompetenzen bei Einsätzen zur inneren Sicherheit
  • 1932 in Genf: 13 Tote und 65 Verletzte bei Armeeeinsatz gegen Demonstranten
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.

«Sie spucken, wir schlagen.» Mit aller Härte geht US-Präsident Donald Trump (78) gegen die Proteste in Los Angeles vor. Nicht nur die Nationalgarde, auch Marineinfanteristen hat er aufbieten lassen – gegen den Willen Kaliforniens. Gouverneur Gavin Newsom (57) spricht von einem «schwerwiegenden Verstoss gegen die Souveränität des Bundesstaats». Trump aber will keinen Widerstand gegen seine umstrittene Migrationspolitik zulassen.

Auch das Schweizer Militär wird regelmässig zu zivilen Einsätzen im Inland befohlen. Zuletzt nach dem Bergsturz in Blatten VS. Aber auch während der Covid-Pandemie, am Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos oder bei Botschaftsbewachungen kommt die Armee zum Einsatz – teilweise ohne die nötige Ausbildung, aber mit scharfer Munition. Aber wie in den USA bei Protesten – gegen Teile der eigenen Bevölkerung?

13 Tote, 65 Verletzte

Tatsächlich zählt etwa der Landesstreik von 1918 zu den dunkeln Kapiteln der Schweizer Armee. Sie wurde eingesetzt, um Streikende zu zerstreuen, wobei es in Grenchen SO zu Schüssen gekommen war, die drei Zivilisten das Leben kosteten.

Noch trauriger die Bilanz einer Demonstration von 1932 in Genf: SP-Aktivisten hatten gegen ein faschistisches Treffen in der Stadt protestiert. Aus Angst um die öffentliche Ordnung hatte die Genfer Regierung die Armee zu Hilfe gerufen. Der Einsatz junger Rekruten und unerfahrener Offiziere sowie falsche Befehle führten zu einer Tragödie. Rekruten eröffneten das Feuer auf die antifaschistischen Demonstranten. Traurige Bilanz: 13 Tote, 65 Verletzte.

Das ist lange her. Doch auch heute kann das Parlament oder in dringenden Fällen auch der Bundesrat alleine die Armee auf Antrag der Kantone aufbieten, «wenn die Mittel der zivilen Behörden zur Abwehr schwerwiegender Bedrohungen der inneren Sicherheit nicht mehr ausreichen». So schreibt es die Bundesverfassung vor.

Waffeneinsatz «als letztes Mittel»

Dabei haben die Truppen gemäss Militärgesetz weitreichende Kompetenzen. Sie können Personen anhalten, kontrollieren, durchsuchen und bis zum Eintreffen der Polizei kurzfristig festhalten. Und sie können notfalls auch «in einer den Umständen angemessenen Weise» körperliche Gewalt, Hilfsmittel oder «als letztes Mittel» auch ihre Waffe einsetzen.

«Einen solchen Einsatz hat es in der Schweiz seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben, und die Hürden für die Anordnung sind heute sehr hoch», betont das Staatssekretariat für Sicherheitspolitik (Sepos). Und die Verantwortung bleibe bei den zivilen Behörden, die den Einsatzauftrag in Absprache mit dem Verteidigungsdepartement festlegen würden.

Militäreinsätze gegen Demonstranten waren allerdings durchaus ein Thema. So etwa 1973 während der Proteste gegen den Bau eines AKW in Kaiseraugst AG. Der Bundesrat erwog damals, das besetzte Gelände von der Armee räumen zu lassen. SP-Bundesrat Willi Ritschard (1918–1983) wehrte sich jedoch und drohte mit seinem Rücktritt, wenn Soldaten eingesetzt würden.

Und 2020 sorgte die Armee für Irritation, weil sie in einer Übung den Einsatz gegen Klimademonstranten geprobt hatte. Kurz nach einem Besuch von Aktivistin Greta Thunberg (22) in Lausanne probten die Soldaten unter dem Namen «Nostro Clima» das fiktive Szenario einer Strassenschlacht mit gewaltbereiten Umweltaktivisten.

Proteste halten trotz Präsenz der Nationalgarde an
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