Darum gehts
- Bundesrat lehnt besseren Schutz für Schiedsrichter ab, trotz Gewaltvorfällen
- SVP-Nationalrat Lukas Reimann enttäuscht, verweist auf Italien als Vorbild
- 29 Parlamentarier fordern gesetzliche Massnahmen zum Schutz der Schiedsrichter
Der Fall schlug hohe Wellen. 4:2 hatten die C-Junioren des SC Schöftland AG Ende Mai gegen den FC Villmergen gewonnen. Zu viel für einen verärgerten Spielervater: Nach der Niederlage verpasste der Prügel-Papi dem Schiedsrichter einen linken Haken. Die Folge war ein landesweites Stadionverbot bis Juli 2028.
Das ist kein Einzelfall. Angepöbelt, bespuckt, geschlagen: «Wochenende für Wochenende sind Schiedsrichter auf Sportplätzen und in Turnhallen unseres Landes Anfeindungen ausgesetzt», beklagt SVP-Nationalrat Lukas Reimann (42, SG). Zwar unternehmen die Sportverbände einiges, um ihre Schiedsrichter zu schützen. So sind etwa zur Abschreckung teilweise bereits Bodycams im Einsatz.
Keine Anpassung für bestimmte Opfergruppe
Das aber scheint nicht zu reichen, weshalb sich Bundesbern einschaltete. Mit gleich 29 Mitstreitern aus allen Parteien hatte Reimann den Bundesrat aufgefordert, die Schraube anzuziehen und die nötigen gesetzlichen Massnahmen zu prüfen, um Schiedsrichter gerade auch gegen physische Übergriffe besser zu schützen.
Der Bundesrat aber will davon nichts wissen. Zwar sei er sich des Problems bewusst und verurteile solche Übergriffe. Er findet aber, dass die strafrechtlichen Grundlagen reichen, um mögliches Fehlverhalten zu verfolgen und zu bestrafen. Das Strafgesetz bestrafe viele Handlungen, gerade gegen Leib und Leben sowie Ehrverletzungen. Eine Anpassung für eine bestimmte Opfergruppe wie Schiris sei nicht nötig. Auch hätten Verbände und Vereine Möglichkeiten, fehlbare Spielerinnen und Spieler oder ganze Teams zu sanktionieren.
Von der ablehnenden Antwort zeigt sich SVP-Nationalrat Reimann sehr enttäuscht. «Ich habe sicher 30 Mails von Schiedsrichtern bekommen, die sich bedankt haben, dass sich jemand dem Thema annimmt», sagt er. «Das zeigt doch, dass das Bedürfnis gross ist.»
Italien stellt Schiris mit Polizisten gleich
Zudem hätten die bestehenden Gesetze Gewaltvorfälle ja offensichtlich nicht verhindert. Auch gebe es kaum Strafverfahren, weil Verbände Schiedsrichter davon abhalten sollen. Um das Problem also wirklich zu bekämpfen, brauche es griffigere Massnahmen.
Reimann verweist auf Italien, wo erst kürzlich ein Artikel im Strafgesetzbuch geändert wurde, der bisher Angriffe auf Polizisten und Ordnungskräfte regelte. Neu fallen auch Schieds- und Linienrichter unter diesen Schutz. Zwischenfälle können damit als Angriff auf einen «Beamten der öffentlichen Sicherheit» gewertet und streng bestraft werden. Es drohen Haftstrafen zwischen drei und fünf Jahren.
Auch viele Bundesparlamentarier wollen das Gesetz verschärfen lassen. Die Vorstellungen reichen von der Einordnung als Offizialdelikt, bei dem eine Strafanzeige gar nicht mehr nötig ist, bis zum Lizenzentzug fehlbarer Spieler. Auch sei zu prüfen, ob die Vereine stärker in die Pflicht genommen werden können. Vorstellbar seien etwa Meldepflichten mit Sanktionen wie Liga-Ausschluss im Unterlassungsfall. «Die Strafen müssen spürbar sein», so Reimann, «sonst ändert sich nichts.»
Der SVP-Nationalrat will auf jeden Fall am Ball bleiben. Seinen Vorstoss ziehe er sicher nicht zurück, da er im Parlament gute Chancen habe. «Das Bedürfnis ist gross», sagt Reimann. «Schade, dass der Bundesrat gar kein Interesse hat.»