Darum gehts
- Frauen-EM in der Schweiz verläuft entspannt, mit geringeren Sicherheitskosten
- Familienorientiertes Publikum führt zu weniger sicherheitsrelevanten Vorfällen
- Sicherheitskräfte sind trotzdem bereits für Anlass
Keine Polizeiketten, keine Helikopter, kein Tränengas – ist das wirklich ein internationales Fussballturnier? Während bei der Männer-EM in Deutschland ganze Innenstädte abgeriegelt und der Grenzschutz ausgebaut wurde, geht es bei der Frauen-EM in der Schweiz erstaunlich entspannt zu und her. Was läuft hier anders, und täuscht das Sicherheitsgefühl?
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Die Sicherheitskosten für die in diesen Tagen startende Europameisterschaft hierzulande belaufen sich für die Organisatorin Uefa auf rund 8,5 Millionen Euro. Mit diesem Geld deckt der europäische Fussballverband die Sicherheit in den Stadien ab. Bei der Euro 2024 in Deutschland waren diese Kosten rund fünfmal so hoch, und das bei vergleichsweise höheren Lohnkosten in der Schweiz.
«Das Publikum an Spielen der Frauen-EM ist tendenziell familienorientierter, was zu einem geringeren Risiko sicherheitsrelevanter Vorfälle führt», heisst es bei der Uefa auf Anfrage. Dies habe direkte Auswirkungen auf die Organisation der Sicherheitsmassnahmen und die damit verbundenen Kosten. Erwartet werden über 130'000 Gäste aus dem Ausland, das entspricht der Einwohnerzahl der Stadt Bern.
Wo sind die «Hoolifrauen»?
«Mir ist kein Begriff wie ‹Hooligirls› oder ‹Hoolifrauen› bekannt. Die Fans des Frauenfussballs zeigen, dass sie einen Sieg feiern oder eine Niederlage verkraften können, ohne dabei Schlägereien anzuzetteln», frohlockt auch Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter (61) gegenüber Blick über den entspannten Anlass.
Doch warum ist das so? Die Studienlage zum Thema Zuschauergewalt im Frauenfussball ist dürftig. Insofern können Experten nur Mutmassungen anstellen: Einer der relativ simplen Hauptgründe könnte sein, dass Frauenfussballspiele aufgrund der deutlich geringeren Zuschauerzahlen im Ligabetrieb bisher nicht wirklich als Massenphänomen betrachtet werden konnten, sagt Alain Brechbühl, Gewalt-Forscher der Universität Bern. «Damit einhergehend fehlen relevante Aspekte, die als wichtige Faktoren für das Auftreten von Gewalt rund um Männer-Fussballspiele betrachtet werden können.»
So etwa das Existieren von organisierten Fangruppen, die vorherrschende Rivalität zwischen solchen Fangruppen, die durch die grosse Menschenmasse gewährleistete Anonymität oder sozialpsychologische Dynamiken, die sich aus der Interaktion zwischen Fans und Sicherheitskräften ergeben, schätzt Brechbühl. «Darüber hinaus wird die Gewalt rund um Männerfussballspiele dominant von jungen Männern ausgeübt, wobei klassische Männlichkeitsideale wie Stärke, Macht und Durchsetzungsfähigkeit betont werden.»
Vieles werde also davon abhängen, wie sich die Zahlen und Zusammensetzung der Anhängerschaft rund um Frauenfussballspiele entwickeln und wie letztlich damit umgegangen wird, so Brechbühl.
Basel spähte nach Portugal
Alles in allem gehen auch die kantonalen Polizeikorps von einem friedlichen Turnier aus. Basel schickte im Mai extra eine Delegation an den Final der Women’s Champions League in Lissabon. Dort habe sie sich ein Bild von der Situation rund um den Frauenfussball-Grossanlass gemacht, sagte die Basler Sicherheitsdirektorin Stephanie Eymann (45) an einer Medienkonferenz. Man habe gesehen, dass eine versöhnliche Stimmung geherrscht habe. Fanmärsche aus verschiedenen Lagern seien kombiniert worden, Anhänger unterschiedlicher Teams hätten zusammen gefeiert.
Doch die Kantone und Städte, die für die Sicherheit um die Stadien und besonders um die Fanzonen besorgt sind, nehmen den Anlass nicht auf die leichte Schulter. Da es sich um einen Grossanlass handle, gelte in Basel während des Turniers grundsätzlich eine erhöhte Gefährdungslage, erklärte Eymann vor dem Turnier. Man setze daher auf eine stärkere Polizeipräsenz.
Bundespolizei an der Seitenlinie bereit
Auch in Genf wird das Gefahrenpotenzial ernst genommen: Im Mai wurde mit rund 100 Statisten vorsorglich die Evakuierung des Stade de Genève im Fall eines Terroranschlags geprobt. Die Übung diente dazu, die Koordination zwischen Medizinern, Feuerwehrleuten, der Polizei und privaten Sicherheitsfirmen zu trainieren. Der Genfer Sicherheitsbeauftragte für das Turnier sagte, man müsse sich gemäss der veränderten Bedrohungslage in Europa vorbereiten.
Diese hat auch die Bundespolizei Fedpol im Auge: Bei der Vorbereitung auf einen solchen Grossanlass sei man auf verschiedene potenzielle Szenarien vorbereitet, unter anderem auf Cyberattacken, Geiselnahmen, Terroranschlag oder Drohungen, heisst es dort auf Anfrage. Ebenfalls zur Seite steht die Bundespolizei den Bundesräten und politischen Amtsinhabern, die aus dem Ausland erwartet werden und hierzulande ihre Teams anfeuern wollen.