Darum gehts
- Kantone wollen gegen Fan-Gewalt personalisierte Tickets in den Stadien einführen
- Nationalrat berät Geschäft – Meinungen im Parlament sind gespalten
- Ständerat stimmte im Dezember für Änderung der Rechtsgrundlage
Es sind schockierende Szenen: Nach dem Cuphalbfinal im April 2024 in Winterthur stürmen Servette-Chaoten aus dem Gästeblock auf den Platz – zwei werfen Pyro-Fackeln in Richtung Tribüne. Eine landet mitten im Winterthurer Familiensektor.
Oder im letzten Oktober: Zürcher Chaoten dringen am Bahnhof Hardbrücke in eine S-Bahn, liefern sich mit Rivalen eine Rangelei, einer greift zum Pfefferspray. Sofort verteilt sich das Reizgas im Waggon, Passagiere keuchen und husten, mehrere fliehen aus dem Zug. Kurz darauf ist der Tumult vorbei, die Vermummten ziehen unter Triumphchören Richtung Stadion.
Ständerat dafür, Nationalrat lehnt wohl ab
Davon haben die Kantone die Nase voll. Sie wollen in den Stadien personalisierte Tickets einführen, auch gegen den Willen der Clubs. Und tatsächlich stimmte der Ständerat im Dezember für eine Änderung der Rechtsgrundlage – auf Kosten des Datenschutzes, wie der Bundesrat moniert hatte. Chaoten soll es verboten sein, Tickets zu erwerben, wenn sie in der Hooligan-Datenbank Hoogan registriert sind.
Künftig soll schon beim Ticketkauf ein Datenabgleich zwischen Käufer und der Datenbank möglich sein; die Verkaufsstellen würden Zugriff auf Hoogan erhalten. Personen erst beim Betreten des Stadions zu kontrollieren und Abgleiche mit der Datenbank zu machen, sei illusorisch, argumentieren Befürworter.
Anders im Nationalrat, der das Geschäft am Donnerstag berät. Schon seine vorberatende Kommission wollte von personalisierten Tickets nichts wissen. Zwar müsse die Sicherheit an Sportveranstaltungen gewährleistet sein, und es bestehe auch Handlungsbedarf – die vorgeschlagene Regulierung sei aber nicht zielführend. Das Parlament zeigt sich gespalten.
«Würde viele friedliche Fans abschrecken»
Die Gewalt im Fussball sei seit Jahren rückläufig, betont etwa die Baselbieter Mitte-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter (61) und verweist auf das Gesamtschweizerische Lagebild Sport (GSLS). Und wenn es zu Zwischenfällen komme, geschehe dies meist ausserhalb der Stadien. Daran würden personalisierte Tickets gar nichts ändern.
Komme hinzu: Die Einführung würde zu grossen logistischen Problemen, Wartezeiten und einem massiven Mehraufwand für Clubs führen. Gleichzeitig hat Schneider-Schneiter erhebliche Bedenken bezüglich Datenschutz, wenn sensible Personendaten an externe Stellen herausgegeben würden. Und sowieso: Entscheidend sei nicht, wer ein Ticket kaufe, sondern wer am Stadioneingang stehe. Dort bräuchte es dann also nochmals eine Personenkontrolle, hält Schneider-Schneiter fest: «Ein solch flächendeckender Datenabgleich würde viele friedliche Fans abschrecken.»
Ohnehin sei die Sicherheit um Stadien keine Bundesaufgabe. Vielmehr würden bestehende Instrumente wie Rayon- oder Stadionverbote funktionieren und seien nur konsequenter umzusetzen. Auch könnten Sportclubs schon heute Ausweise kontrollieren, mit Hoogan abgleichen und allenfalls den Zugang verwehren. Dafür brauche es keine Gesetzesänderung.
«Personalisierte Tickets funktionieren, wenn man nur will»
Ganz anders sieht das Parteikollege Reto Nause (54). «Nach wie vor passiert viel zu viel. Es kommt immer wieder zu gravierenden Vorfällen», sagt der Mitte-Nationalrat, der sich als Berner Sicherheitsdirektor 16 Jahre lang intensiv mit Fan-Gewalt befasst hat.
Von Umsetzungsproblemen will er nichts wissen. Das zeige sich etwa beim Anfield-Stadion in Liverpool (GB) mit über 60’000 Plätzen. Oder beim Eishockeystadion des EV Zug. «Personalisierte Tickets funktionieren, wenn man nur will», hält Nause fest. So werde schon beim Ticketkauf deutlich, wer mit einem Stadionverbot belegt ist. «Wir wollen für Chaoten möglichst hohe Hürden schaffen, damit sie möglichst gar nicht erst zum Stadion kommen.»
Um ihre Fans nicht vor den Kopf zu stossen, würden Clubs und Liga aber immer wieder zurückkrebsen. Dabei lässt Nause auch den Datenschutz nicht einfach so gelten: «Dieser darf nicht zum Täterschutz werden.» Und auch hier zeige das Ausland, dass Lösungen möglich seien.
Personalisierte Tickets spalten die Mitte. Gewalt im Fussball dürfte die Politik noch lange beschäftigen.