Darum gehts
- Bundesrat lehnt Kopftuchverbot an Schulen ab, beruft sich auf Religionsfreiheit
- Kopftuch wird als Ausdruck der Unterdrückung muslimischer Mädchen diskutiert
- Studie aus Frankreich zeigt verbesserte Integration nach Kopftuchverbot seit 2004
Der Bundesrat bleibt bei seiner Meinung: Er will Schülerinnen unter 16 Jahren das Tragen von Kopftüchern in öffentlichen Schulen nicht verbieten. Das geltende Recht stelle ausreichend sicher, dass alle Mädchen am Schul-, Sport- und Schwimmunterricht teilnehmen können.
Mit Mitstreitern aus mehreren bürgerlichen Parteien hatte Mitte-Ständerätin Marianne Binder (67, AG) einen neuen Anlauf genommen. Der Bundesrat sollte ein Verbot prüfen. Gar nicht so einfach, immerhin garantiert die Bundesverfassung die Religionsfreiheit. Genau deshalb sollte die Regierung abklären, ob sich hier religiöses Recht nicht staatlichem unterzuordnen hat.
Ausdruck der Unterdrückung und Diskriminierung
Denn für Binder ist das Kopftuch kein Zeichen der Religionsfreiheit. Vielmehr sei es Ausdruck der Unterdrückung und Diskriminierung muslimischer Mädchen.
Angeführt von SP-Justizminister Beat Jans (61) hält der Bundesrat hingegen fest, dass sowohl das Schulwesen als auch die Regelung des Verhältnisses zwischen Kirche und Staat verfassungsmässig in die Zuständigkeit der Kantone fallen.
In einzelnen Fällen hätten kantonale Behörden Kopftuchverbote für Schülerinnen ausgesprochen. Dies habe dem Bundesgericht die Gelegenheit gegeben, die Rechtslage zu klären. In einem Grundsatzentscheid von 2015 hätten die Richter in Lausanne festgehalten, dass sich ein generelles Verbot von Kinderkopftüchern an öffentlichen Schulen nicht verfassungskonform ausgestalten lässt.
Kleidervorschriften ohnehin nur zurückhaltend einsetzen
Dem Bundesrat ist wichtig, dass sich der Staat und somit auch die Schule gegenüber allen Schülerinnen und Schülern bezüglich religiöser Symbole neutral verhält. Daher lehnt die Landesregierung ein generelles Verbot von Kinderkopftüchern an öffentlichen Schulen ab.
Viele Kantone hielten in ihren Wegleitungen unkomplizierte und praktikable Lösungsansätze zu religiösen Fragestellungen und kultureller Vielfalt fest, erklärt der Bundesrat weiter: So könne ein Mädchen zum Beispiel am Schwimmunterricht teilnehmen, indem es einen Ganzkörperbadeanzug und eine Schwimmkappe trägt. «In einer freiheitlichen Gesellschaft sollten Kleidervorschriften ohnehin nur zurückhaltend eingesetzt werden», so der Bundesrat.
Die Befürworter stützen sich unter anderem auf eine Studie aus Frankreich. Diese hatte untersucht, wie sich das seit 2004 geltende Verbot des Kopftuchs auf die Integration an Schulen ausgewirkt hat. Ihr Fazit: Es habe nicht nur zu einer verbesserten Integration, sondern auch zu besseren Schulabschlüssen muslimischer Schülerinnen geführt.
Ausdiskutiert ist das Thema wohl noch lange nicht. Auch wenn die Kantone für die Volksschule zuständig sind, könnte bald die Bundespolitik gefragt sein. Das Egerkinger Komitee, bekannt für Initiativen gegen Minarette und Burkas, liebäugelt mit einem neuen Volksbegehren. Mögliches Ziel: Kopftücher sollen an allen Schulen verschwinden – bei Lehrerinnen und Schülerinnen.