Darum gehts
- Israel wirbt massiv für den eigenen ESC-Beitrag trotz Neutralität des Events
- Regierungsagentur schaltet Videos zur Abstimmungsanleitung in 35 Nationen
- Youtube-Kanal sammelte 8,3 Millionen Aufrufe für israelischen Beitrag
Mit einem grossen Spektakel wurde vor einer Woche das Finale des 69. Eurovision Song Contests in Basel gefeiert. Gewonnen hat der Österreicher JJ (24) mit dem Titel «Wasted Love», am meisten Publikumsstimmen erhielt aber die Israelin Yuval Raphael (24) mit dem Lied «New Day Will Rise». Die Teilnahme Israels wurde von Protesten begleitet, gerade deshalb herrscht vielerorts Verwunderung über ihr gutes Abschneiden. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu (75) bezeichnete Raphael nach dem Event als «wahre Gewinnerin».
Israel hat zuvor massiv die Werbetrommel für seinen Beitrag gerührt. Obwohl die European Broadcasting Union stets betont, dass der ESC ein neutraler Event sei und dort Rundfunkanstalten und nicht Nationen antreten, hat es sich eine israelische Regierungsagentur zur Aufgabe gemacht, mit grossem Aufwand um Stimmen für die eigene Nation zu weibeln.
Israel warb im grossen Mass für Yuval Raphael
Gemäss einer Recherche von Eurovision News Spotlight, einer Nachrichtenabteilung der EBU, hat diese Agentur alleine am Tag des ESC-Finales 73 Videos auf einem Youtube-Kanal aufgeschaltet, die in 35 Nationen ausgespielt wurden. Im Video gab es eine Anleitung in der jeweiligen Landessprache, wie man bis zu 20 Mal für den israelischen Beitrag abstimmen kann – 20 Stimmen sind das Maximum pro Telefonleitung oder Kreditkarte.
Der Youtube-Kanal @Vote4NewDayWillRise publizierte zwischen dem 6. und 16. Mai 89 Videos und sammelte 8,3 Millionen Aufrufe. Der Kanal gehört offiziell nicht zur Regierung, aber sie hat für die Verbreitung der Videos in Form von Werbung bezahlt. Weitere Videos mit über 25 Millionen Aufrufen seien vom Account bereits gelöscht worden. Auch Botschaften Israels stellten ähnliche Aufrufe auf ihre sozialen Medien. Sogar am Times Square in New York wurde Werbung geschaltet.
Auch andere Acts werden beworben
Dass für ESC-Beiträge geworben wird, ist nicht ungewöhnlich. Auch die Malteserin Miriana Conte (24) und die Griechin Klavdia (22) schalteten Anzeigen auf sozialen Medien, der Estländer Tommy Cash (33) Plakatwerbungen in Italien. Allerdings wurden diese Aktionen von den Acts selbst, von der Plattenfirma oder von der jeweiligen Rundfunkanstalt getätigt.
Kritiker bemängeln nun, dass mit der Einmischung der israelischen Regierung die Neutralität des Anlasses nicht gegeben sei. Und auch die ESC-Organisatoren beobachten die Lage: Die EBU werde sich im Juni mit dem Abstimmungsergebnis und der Bewerbung der Acts durch die Delegationen und verbundenen Parteien befassen. «Diese Art von Werbung ist nach unseren Regeln erlaubt und dient dazu, die Künstler zu feiern, ihren Bekanntheitsgrad zu erhöhen und künftige Karrieren in Gang zu setzen», schreibt Martin Green, ESC-Direktor, in einem Brief an die Fan-Community. «Aber wir möchten sicherstellen, dass diese Werbung die natürliche Mobilisierung von Gemeinschaften und Diasporas, die wir bei allen Abstimmungen des Unterhaltungspublikums beobachten, nicht unverhältnismässig beeinträchtigt.» Green betont auch, dass es beim diesjährigen Voting keine Ungereimtheiten gab.
Nemo und JJ wollen Israel nicht am ESC
Sicher ist: Auch wenn die Teilnahme Israels den Event in Basel nicht so überschattete wie im Vorjahr jenen von Malmö, ist das Thema längst nicht gegessen. Nachdem Nemo (25) bereits Anfang Mai den Ausschluss Israels forderte, befürwortet auch der diesjährige ESC-Gewinner JJ diesen Schritt: «Ich würde mir wünschen, dass der ESC nächstes Jahr in Wien stattfindet, ohne Israel», sagte er zur spanischen Tageszeitung «El País». Der ORF und die EBU distanzierten sich. JJ selbst stellte danach nochmals klar, dass er «jegliche Form von Gewalt gegen Zivilisten überall auf der Welt» verurteile. «Sei es gegen Israelis oder Palästinenser.»
Mittlerweile hat sich auch der österreichische Bundespräsident Alexander Van der Bellen (81) geäussert. «Ich bin dagegen, eine Einzelperson bzw. einen Künstler für das Verhalten einer Regierung verantwortlich zu machen», so Van der Bellen in der «Kronen Zeitung».
EBU in Zwickmühle
Blick wurde ein Interview mit dem ESC-Gewinner in Aussicht gestellt. Doch nach der vorgängigen Auflage, weder Fragen zu Israel stellen noch die getätigten Aussagen dazu im Text verwenden zu dürfen, wurde auf das Gespräch verzichtet.
Die EBU befindet sich nun in einer Zwickmühle. Bleibt Israel im Wettbewerb, dürfte künftig entweder Israel gewinnen – oder jene Nation, die bei den Jurys am meisten Punkte holt. So wie heuer Österreich und im letzten Jahr die Schweiz.