Darum gehts
- Weniger Sterneköchinnen: Gründe und Herausforderungen in der Spitzengastronomie
- Frauen entscheiden sich oft für andere Berufe mit besserer Work-Life-Balance
- Frauenanteil für Kochlehre liegt bei 30 Prozent, Tendenz fallend
Die Frage, die eine Blick-Leserin gestellt hat, taucht immer häufiger auf: «Warum gibt es nicht mehr Sterneköchinnen?» Oft in diesem fordernden Ton: Hallo? Wir leben im 2025. Zeit, dass mehr Frauen in Spitzenrestaurants die Chefinnen sind! Begleitet wird diese Forderung von konkreten Vorwürfen. Frauen werden zu wenig beachtet, zu wenig gefördert und von patriarchalen Strukturen klein gehalten. Sind wirklich dies die Gründe, weshalb es an der Kochspitze so wenige Frauen hat? Nein. Meine witzige Antwort lautet: Weil Frauen schlau genug sind, sich diesen Stress nicht anzutun. Es gibt genug andere Berufe, in denen sie weit weniger arbeiten müssen für mehr Geld und mehr Status. Und abgesehen davon, 99 Prozent der männlichen Köche sind ja auch keine Sterneköche.
In dieser typischen Genderfrage treffen Wunschdenken und Realität aufeinander. Kaum eine Branche sucht so dringend motivierte Menschen wie die Gastrobranche. Und die wäre um jede Frau froh, die sich mit voller Leidenschaft diesem schönen Beruf widmet. Der Frauenanteil für eine Kochlehre liegt übrigens bei 30 Prozent. Tendenz trotz Talentförderung leider fallend. Danach steigen auch viele wieder aus. Laut einer Branchenumfrage sind die Gründe dafür: unregelmässige und lange Arbeitszeiten, keine freien Wochenenden, fehlende Wertschätzung und tiefe Löhne. Viele Menschen wollen heute allgemein weniger arbeiten, mehr Freizeit geniessen und trotzdem genug Geld verdienen. Deshalb will auch kaum jemand mehr eine handwerkliche Lehre machen, Bäckerin oder Metzger werden.
Und Gastrobetriebe verdienen schlicht zu wenig, um so hohe Löhne zu zahlen wie etwa in den Sektoren Marketing, Banken oder IT. Die Leute, die eine höhere Frauenquote in der Spitzengastronomie fordern, haben vermutlich auch ein falsches Berufsbild. Sterneköchin ist kein geschützter Titel. Sterne und Punkte werden von Verlagen vergeben, die Restaurants testen. Das heisst, wer an der Spitze kocht, ist auf Wohlwollen angewiesen und somit auch öffentlichem Druck ausgesetzt. Es kann also nicht jemand «von Amtes wegen» oder durch «bessere Strukturen» zur Sterneköchin erkoren werden. Abgesehen davon wird nicht die Person mit Sternen und Punkten ausgezeichnet, die die Küche führt – sondern das Restaurant.
Eine Frau kann studieren und wird dann Juristin oder Ärztin. Mit entsprechend grossen Chancen auf Karriere und hohes Einkommen. Sie kann aber nicht diplomierte Sterneköchin werden. Und es ist auch nicht so, dass der Alltag von Spitzenköchen besonders glamourös wäre. Diese Menschen geben alles für ihre Passion und ackern schnell einmal mehr als 60 Stunden pro Woche. Und das mit einem enormen Personal- und Kostendruck. Ja, es wäre toll und bestimmt bereichernd, wenn es mehr Sterneköchinnen gäbe. Aber ob eine Frau dieses Ziel verfolgen möchte, sollte sie selbst entscheiden dürfen. Bestimmt nicht branchenfremde Leute, die sich nur wichtig machen und höhere Quoten fordern. Was helfen würde? Mehr Wertschätzung, weniger Polemik, bitte.