Wie bei «Love Roulette»
Ist eine Beziehungspause eine gute Idee?

Der Schweizer Film «Love Roulette» ist gerade in den Kinos angelaufen. Die Handlung: Charlie und Tom fragen sich vor ihrer Hochzeit, ob sie etwas verpasst haben in der Liebe, und legen eine Beziehungspause ein. Eine gute Idee? Jein, sagt eine Expertin.
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In «Love Roulette» spielen Yvonne Eisenring und Max Hubacher Charlie und Tom, ein glückliches Paar. Wäre da nur nicht das Gefühl, etwas zu verpassen.
Foto: Mirjam Kluka

Darum gehts

  • Beziehungspausen können eine Liebe stärken oder das Ende einleiten
  • Distanz schafft Perspektive und ermöglicht Selbstreflexion in Beziehungen
  • Paartherapeutin nennt 4 sinnvolle und 3 riskante Aspekte von Beziehungspausen
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Sandra CasaliniRedaktorin Gesellschaft

Charlie und Tom beschliessen eine Beziehungspause von sechs Monaten, in der alles erlaubt ist, was für Singles erlaubt ist. Bedingung: Man erzählt einander alles. Dies die Handlung des Schweizer Films «Love Roulette», der gerade im Kino anlief. Kann eine Pause eine Liebe wirklich stärken oder retten, oder ist sie der Anfang vom Ende? Paartherapeutin Liana Simovic nennt die Chancen und die Gefahren.

Liana Simovic ist ausgebildete Sexologin, Paartherapeutin und Erziehungswissenschaftlerin mit Praxis in Winterthur. Sie berät auch online.
Foto: zVg

Chancen

Distanz kann Perspektive schaffen
Eine Pause könne helfen, Zugang zu den eigenen Bedürfnissen zu finden, sagt Liana Simovic. «Distanz bedeutet nicht automatisch Entfremdung. Sie kann auch Klarheit, Ruhe und die Möglichkeit zur Selbstreflexion bringen. Ausserdem braucht es auch für das Begehren in Beziehungen manchmal etwas Abstand.»

Realitätscheck
Noch nie hatten wir so viele Möglichkeiten auf dem Datingmarkt. Beziehungen fühlen sich manchmal an wie eine Option von vielen: austausch- und optimierbar. Viel ist die Rede von FOMO (Fear of Missing Out), also der Angst, etwas zu verpassen. Dann entsteht gemäss Liana Simovic eine heikle Dynamik in einer Beziehungspause: «Oft ist diese ein Vorwand, um Unsicherheiten oder ungelösten Beziehungsthemen auszuweichen, statt sich mit ihnen auseinanderzusetzen.» Gleichzeitig könne eine Beziehungspause helfen, die FOMO realistisch zu prüfen: «Manche merken, dass sie die Erfahrung gar nicht brauchen, andere gewinnen daraus Erkenntnisse über eigene Bedürfnisse – zum Beispiel in Sexualität oder Kommunikation – und bringen diese in ihre bestehende Beziehung ein.»

Lernen für den Neustart
Was man aus einer Beziehungspause lernen kann? Liana Simovic: «Dass Liebe auch in Phasen mit weniger Kontakt oder Nähe bestehen und wachsen kann. Dass Krisen gemeinsam gemeistert werden können. Dass Beziehungen flexibel sind und sich ändern dürfen. Dass Paare wiederentdecken können, was sie aneinander schätzen, und eigene Muster erkennen und verändern.»

Communitiy-Aufruf: Habt ihr Erfahrungen mit einer Liebespause?

Gefahren

Zu viel Offenheit tut selten gut
«Alles wissen zu wollen, ist selten ein Zeichen von Intimität oder Nähe, sondern oftmals von Angst. Um die Unsicherheit zu beruhigen, wird radikale Transparenz vorausgesetzt», so die Paartherapeutin. Es ist aber heikel: «Details über Sexualität oder Dates sind selten hilfreich. Sie erschaffen Bilder, die sehr resistent bleiben können.» Wichtiger sei, über die Bedeutung der Gefühle zu sprechen und zwischen Ehrlichkeit und «Oversharing» zu unterscheiden: das teilen, was der Beziehung dient, und ehrlich darin sein, dass anderes weggelassen wird.

Neue Gefühle entstehen
Eine Pause öffnet Türen – auch zu neuen Gefühlen mit neuen Menschen. «Das ist normal, denn Distanz und neue Kontakte aktivieren Teile in uns, die im Beziehungsalltag eventuell eingeschlafen waren», erklärt die Expertin. Eine Verliebtheit bedeute aber nicht automatisch, dass die bestehende Beziehung vorbei sei. Man sollte hinschauen, was fehlt. «Erst diese Reflexion klärt, ob eine Beziehung endet oder ob sie eine Veränderung braucht.»

Die Pause wird später zum Druckmittel
Auch wenn die Regeln während der Pause klar waren – das Wissen über die Erfahrungen des oder der anderen kann über längere Zeit schmerzhaft sein. In einem Streit tauchen dann häufig alte Erinnerungen auf, die unbewusst genutzt werden, um gegenwärtige Unsicherheiten zu klären. «Dadurch wird die Vergangenheit zum Druckmittel, und die Beziehung bleibt in einer Schuldspirale gefangen», warnt Liana Simovic. Dem lasse sich entgegenwirken, indem Gefühle statt Schuld im Mittelpunkt stehen und Verantwortung übernommen wird – ohne in endlose Rechtfertigungen zu geraten.

Fazit

Beziehungspausen sind sinnvoll, wenn:
– beide wirklich zustimmen,
– Erwartungen und Regeln klar sind,
– der Nutzen der stabilen Beziehung mitgedacht wird,
– Unsicherheiten und schmerzhafte Gefühle offen angesprochen werden.

Und sie sind riskant, wenn:
– eine Person die Pause nur widerwillig akzeptiert,
– sie als verkleidete Trennung dient,
– FOMO als einziges Motiv dahintersteht.

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