Darum gehts
- Ringier reicht Strafanzeige gegen Fake-Artikel und Deepfake-Videos ein
- Betrüger nutzen gefälschte Blick-Artikel und KI-manipulierte Videos von Politikern
- Ein 70-jähriger Rentner verlor 32'000 Franken durch den Betrug
Täuschend echte Artikel im Look von Blick. Gefälschte Interviews mit Prominenten. Deepfake-Videos mit Bundesrätinnen. Und am Ende: Schweizerinnen und Schweizer, die Tausende Franken an Betrüger verlieren. Jetzt zieht Ringier, zu dem auch Blick gehört, die Reissleine – und reicht Strafanzeige bei der Bundesanwaltschaft ein.
Was Ringier vorliegt, ist kein Einzelfall mehr – sondern ein international operierendes System, das mit technischen Mitteln, Geldgier und skrupelloser Dreistigkeit arbeitet. Das Ziel: Schweizerinnen und Schweizer, die auf unseriöse Anlageversprechen hereinfallen sollen – im guten Glauben, es handle sich um eine Empfehlung der Blick-Redaktion.
Ein gefälschtes Gesicht, eine echte Katastrophe
Im Zentrum der Strafanzeige stehen Dutzende sogenannter «Fake-Artikel», die in sozialen Netzwerken wie Facebook und X (vormals Twitter) geschaltet wurden – immer als Werbung. Darin sieht man etwa Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter, wie sie in einem Video eine «geheime Investitionsplattform» erklärt. Der Artikel ist im typischen Blick-Layout gehalten, das Blick-Logo prominent zu sehen, und oft mit dem echten Namen einer Journalistin versehen.
Was nicht gesagt wird: Das Video wurde mittels KI manipuliert – Stimme und Lippenbewegung der Bundesrätin gefälscht, Aussagen frei erfunden. Weder Keller-Sutter noch unsere Journalistin haben jemals etwas mit diesen Inhalten zu tun gehabt. Für Ringier ist das nicht nur ein klarer Fall von Identitätsmissbrauch, sondern eine Gefahr für die Glaubwürdigkeit aller Medien.
Fake-News, Call-Center, Krypto-Betrug – die fiese Masche funktioniert!
Aber nicht die verletzten Markenrechte sind das grösste Problem, sondern, dass unsere Leser auf den Betrug hereinfallen und ihr Erspartes in den Sand setzen. Zuletzt passierte es Robert N.* (70) aus Luzern. Der Rentner überwies den Ganoven 32'000 Franken. «Wahrscheinlich sehe ich das Geld nicht wieder», sagte er Mitte Mai dem Blick. Es war eben dieses manipulierte Video von Keller-Sutter, das den Luzerner verführte. Das Fake-Ad sah er auf Instagram.
Das Muster hinter dem Betrug ist immer ähnlich: Leserinnen und Leser sehen einen reisserischen Artikel. Darin wird eine Investitionsplattform beworben – mit angeblich garantierten Gewinnen von mehreren Tausend Franken pro Tag. Wer seine Kontaktdaten hinterlässt, wird kurz darauf angerufen – von professionellen Call-Centern im Ausland. Die Anrufer geben sich als Finanzberater aus, drängen auf schnelle Einzahlungen und versprechen traumhafte Renditen. Oft setzten die Betrüger die Opfer unter massiven psychischen Druck.
Die Ringier AG geht in ihrer Anzeige von einer kriminellen Organisation aus – mit Sitz unter anderem in Georgien, Israel, Zypern oder der Karibik. Recherchen von Investigativplattformen wie OCCRP und SRF zeigen: Hinter dem Betrug stehen professionelle Netzwerke, die Call-Center betreiben, Webseiten erstellen und mit Online-Werbung gezielt Menschen in der Schweiz ansprechen.
Doch Ringier zielt mit der Anzeige nicht nur auf die Täter – sondern auch auf die Plattformen, die den Missbrauch ermöglichen. Konkret steht Facebook (bzw. die Konzernmutter Meta) in der Pflicht: Das Unternehmen hätte die Möglichkeit, Anzeigen mit gefälschtem Blick-Logo und irreführenden Inhalten zu erkennen – und trotzdem tauchten die Fake-Artikel wiederholt in Schweizer Feeds auf.
«Mit dieser Strafanzeige wollen wir nicht nur gegen die direkten Täter vorgehen. Wir senden auch eine klare Botschaft an Social-Media-Unternehmen wie Meta, mehr Verantwortung zu übernehmen», sagt Ringier-Rechtsanwalt Serafin Oberholzer. «Meta & Co. verfügen nämlich über die technischen Möglichkeiten, um solche Fake-Anzeigen zu erkennen und zu verhindern.»
Dass es juristischen Druck braucht, zeigte kürzlich ein Urteil in Deutschland. Dort hat ein Gericht Meta zur Löschung identischer Deepfake-Inhalte verpflichtet – ohne dass es einen neuen Hinweis durch die Opfer braucht. Meta wollte sich auf Blick-Anfrage nicht äussern.
Wachsam bleiben
Solange die Betrüger aber noch aktiv sind, hilft nur eines: Wachsam bleiben! Blick wird nie direkt für Krypto-Investments werben. Sei misstrauisch, wenn jemand mit grossen Renditen wirbt. Und vor allem: Lass dich am Telefon nicht unter Druck setzen! Am besten bespricht man Investments mit dem Bankberater. Der ist billiger als der Anwalt danach.
*Name bekannt
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