Darum gehts
Philippe Marques Pinto sieht aus wie viele Söldner in der Ukraine: Glatze, Kampfmontur, ernster Blick. Doch sein Fall ist besonders. Im Rekrutierungsvideo des ukrainischen Verteidigungsministeriums steht der Brasilianer vor einer Backsteinmauer, blickt ernst in die Kamera und erzählt von seinen Einsätzen als Flugabwehr-Soldat an der Front. Zu Hause in Rio de Janeiro habe er als «Sicherheitsfachmann» gearbeitet, bevor er 2023 zum Kämpfen in die Ukraine kam.
Das Video zeigt nur die halbe Wahrheit. In den Favelas der brasilianischen Millionenmetropole hat sich Pinto einen Namen als Anführer der Gang «Comando Vermelho» («Rotes Kommando») gemacht, einer brutalen Bande von Drogendealern und Schutzgelderpressern. Pinto reiste nicht aus Überzeugung in die Ukraine, sondern mit einem perfiden Plan. In Brasilien starben deswegen bereits erste Menschen.
Der Brasilianer sei in die Ukraine gekommen, um vor Ort neue Kriegstechniken und den Umgang mit Drohnen zu erlernen: Fähigkeiten, die er zu Hause in Rio im Kampf gegen die Gesetzeshüter einsetzen wolle. Das bestätigt die brasilianische Polizei gegenüber der ukrainischen Newsplattform «Kyiv Independent».
Einer von Pintos Söldner-Kollegen bestätigte gegenüber dem brasilianischen Fernsehen, Pinto sei seit 2023 mehrfach aus der Ukraine nach Brasilien zurückgekehrt, um in der Heimat die erlernten Kampftechniken an seine «Roten Kommando»-Kartellkollegen weiterzugeben.
Drohnenkrieg in den Favelas
Philippe Marques Pinto ist kein Einzelfall. Lateinamerikanische Kartelle nutzen den Ukraine-Krieg seit geraumer Zeit zur Schulung ihrer eigenen Mitglieder, wie das französische Portal «Intelligence Online» aufdeckte. Die Kartelle schicken sie als Söldner an fremde Fronten, wo sie an teils modernstem Kriegsgerät ausgebildet werden. Wissen, das ihnen in ihren eigenen blutigen «Kriegen» gegen Gesetz und Ordnung in ihren Heimatländern zugutekommt.
Wie tödlich der Wissenstransfer von der ukrainischen Front in die Favelas ist, beweist eine brutale Polizeiaktion gegen das «Rote Kommando» in einer Favela in Rio de Janeiro Ende Oktober, bei der mehr als 100 Menschen ums Leben kamen. Im Gefecht zwischen den Kartellmitgliedern und der Polizei soll es zu Angriffen mit Drohnen gekommen sein, mit denen die Gangster selbstgebaute Mini-Bomben auf die Ordnungshüter abwarfen.
Eine Taktik, auf die ukrainische und russische Spezialeinheiten seit Jahren setzen. Schätzungsweise 70 Prozent der getöteten Soldaten an der Ukraine-Front sterben inzwischen bei Drohnenangriffen.
Die ukrainische Armee, in deren Reihen Tausende Kolumbianer, Brasilianer und Mexikaner kämpfen, ist inzwischen vorsichtig bei der Zulassung ausländischer Soldaten zum Drohnentraining. Das bestätigt der brasilianische Söldner Everson Neves gegenüber dem «Kyiv Independent». Die Armee habe erkannt, worauf manche Latino-Söldner in Wahrheit aus sind.
Wie die Schweiz profitieren könnte
Glücklicherweise sind es nicht nur die Drogenkartelle, die ihre Leute von den ukrainischen Spezialisten im Umgang mit Drohnen schulen lassen. Dänemark etwa hat bereits ukrainische Offiziere eingeladen, die den Dänen zeigten, was sie in bald vier Jahren Krieg über Drohnentechnik und -abwehr gelernt haben.
Die ungeklärten Drohnen-Sichtungen, die diesen Herbst in halb Europa für Flughafen-Sperrungen sorgten, zeigen: Das Thema ist auch bei uns hochaktuell. Auch die Schweizer Armee könnte beim Thema Drohnen noch viel dazulernen.