Massiver Korruptionsskandal in der Ukraine
Wie gefährlich wirds für Wolodimir Selenski?

An die 100 Millionen Dollar sollen korrupte Beamte und Berater in der Ukraine in ihre eigenen Taschen umgeleitet haben. Der neue Korruptionsskandal ist unangenehm für Selenski. Er zeigt aber: Die Ukraine kommt im Kampf gegen ihren zweitgrössten Feind rasch voran.
Publiziert: 14:53 Uhr
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Aktualisiert: vor 18 Minuten
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Wolodimir Selenski muss sich schon wieder mit einem Korruptionsskandal im eigenen Lager herumschlagen.
Foto: IMAGO/ZUMA Press Wire

Darum gehts

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Samuel SchumacherAusland-Reporter

Zwei gefeuerte Minister, ein ins Ausland entflohener Drahtzieher und wohl gegen 100 Millionen Dollar in die privaten Taschen mächtiger ukrainischer Schattenfiguren: Einen besseren Skandal hätten sich Wolodimir Selenskis (47) Kritiker nicht wünschen können.

Doch wer jetzt vorschnell mit dem Finger auf den ukrainischen Präsidenten zeigt und «Korruption» ruft, hat nicht verstanden, was in der Ukraine in diesen Tagen gerade passiert. Der neueste Skandal ist ein klares Anzeichen dafür, dass Selenski seinem Ziel einen grossen Schritt nähergekommen ist.

Was ist passiert: Ein Netzwerk von einflussreichen Beamten soll über Jahre hinweg Energielieferanten und Konstruktionsfirmen zu Bestechungsgeldern in der Höhe von 10 bis 15 Prozent des jeweiligen Auftragswertes gedrängt haben. Wer nicht zahlte, kriegte keine Aufträge mehr. Fünf Personen wurden verhaftet, sieben weitere angezeigt, zwei Kabinettsmitglieder (Energieministerin Swetlana Gyntschuk und Justizminister Herman Haluschtschenko) mussten zurücktreten.

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Wolodimir Selenski muss sich schon wieder mit einem Korruptionsskandal im eigenen Lager herumschlagen.
Foto: IMAGO/ZUMA Press Wire

Das Mastermind des korrupten Netzwerks war Timur Minditsch (46), Mitgründer von Selenskis einstiger Filmproduktionsfirma Kvartal 95 und bis vor kurzem ein enger Vertrauter des Präsidenten. Er ist kurz vor Bekanntwerden des Skandals ins Ausland geflohen.

Zusammenarbeit mit dem FBI

Für Selenski ist das unangenehm. Bereits im Sommer kam er unter massiven innenpolitischen Druck, als er mit einem Gesetz die Unabhängigkeit der ukrainischen Anti-Korruptionsbehörden einschränken wollte. Zudem ist es nicht das erste Mal, dass enge Mitarbeiter des Präsidenten über ihre korrupten Praktiken stolpern. Erst diesen Sommer musste der stellvertretende Premierminister Oleksij Tschernyschow (48) den Hut nehmen wegen Veruntreuung.

Selenski selbst hat sich bis heute nichts zuschulden kommen lassen. Im Gegenteil: Dass die Welt von den jüngsten korrupten Machenschaften im Untergrund des Kiewer Machtapparats erfahren hat, ist nicht nur ein Beweis für die Existenz der Korruption selbst, sondern vor allem ein Beleg dafür, dass Kiew die klebrigen Überreste des alten sowjetischen Klientelismus mit Transparenz anpackt. Dass Selenski und sein Team Licht ins Dunkel der eigenen Unterwelt bringen, sollte kein Grund dafür sein, sie selbst als unseriöse Schattenfiguren zu missverstehen – im Gegenteil.

Der Skandal kam nur dank dem unermüdlichen Einsatz der Anti-Korruptionsbehörde Nabu ans Licht, die – übrigens in enger Zusammenarbeit mit dem amerikanischen FBI, das in Kiew ein eigenes Büro unterhält – mehr als 1000 Stunden abgehörte Telefonate analysierte und Anfang Woche 70 Razzien in der Ukraine durchführen liess.

Orban wettert – ausgerechnet

Für die Ukraine ist der Kampf gegen die Korruption fast so überlebenswichtig wie der Widerstand gegen die russischen Angreifer. Die EU hat klargemacht, dass ein Beitritt nur dann infrage kommt, wenn das Land radikal durchgreift beim Beamtengemauschel.

Dass ausgerechnet Ungarns Regierungschef Viktor Orban (62) jetzt von einer «Kriegszeit-Mafia mit Verbindungen zu Selenski» redet und sagt, Ungarn werde kein Geld mehr in dieses korrupte Chaos schicken, ist fast schon zynisch angesichts der jüngsten Auswertung von Transparency International, das Orbans Heimatland als das korrupteste in der gesamten EU brandmarkt.

Die EU und die USA halten Selenski weiter die Stange. EU-Chefin Ursula von der Leyen (67) hat eben eine weitere Überweisung von mehr als fünf Milliarden Euro an die Ukraine zur Aufrechterhaltung des öffentlichen Dienstes bekanntgegeben. Und US-Präsident Donald Trump (79) ist es letztlich egal, wer sich in der Ukraine woran bereichert, solange die Nato ihn für seine Waffenlieferungen bezahlt.

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