«Sterblichkeitsrate bei fast 100 Prozent»
Kriegsseuche in der Ukraine auf dem Vormarsch

Ukrainische Ärzte berichten von Gasbrand-Fällen an der Front. Diese lebensbedrohliche bakterielle Infektion, bekannt aus dem Ersten Weltkrieg, breitet sich aufgrund der schwierigen Evakuierungsbedingungen im modernen Drohnenkrieg alarmierend schnell aus.
Kommentieren
1/5
Ein verletzter ukrainischer Soldat wird in der Region Donezk medizinisch versorgt.
Foto: keystone-sda.ch

Darum gehts

  • Gasbrand im ukrainischen Kriegsgebiet – seltene bakterielle Infektion kehrt zurück
  • Drohnenkrieg erschwert Evakuierung und Behandlung verwundeter Soldaten
  • Unbehandelt liegt die Sterblichkeitsrate bei Gasbrand bei fast 100 Prozent
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
RMS_Portrait_AUTOR_862.JPG
Georg NopperRedaktor News

Mediziner berichten von Fällen von Gasbrand im ukrainischen Kriegsgebiet. Dabei handelt es sich um eine Krankheit, die eigentlich mit den Schützengräben des Ersten Weltkriegs in Zusammenhang gebracht wird und heute kaum noch vorkommt. Wie «The Telegraph» schreibt, ist die bakterielle Infektion aufgrund der harten Realitäten des ukrainischen Grabenkriegs zurück.

Militärärzte berichten, dass die Evakuierung verwundeter Soldaten im modernen Drohnenkrieg manchmal fast unmöglich geworden ist. Die Bedingungen führen angeblich dazu, dass sich die Infektion mit alarmierender Geschwindigkeit ausbreitet. Gasbrand ist lebensbedrohlich und wird durch das Bakterium Clostridium, insbesondere Clostridium perfringens, verursacht. Die Bakterien vermehren sich im toten Gewebe von Wunden und produzieren dabei Gase und giftige Substanzen, die Muskelgewebe in rasantem Tempo zerstören. Patienten verspüren aufgrund des Gases, das sich unter der Haut bewegt, ein knisterndes Gefühl.

Schadensbegrenzungsoperationen in Bunkern und Kellern

«Wir sehen Verletzungsfolgen, die noch kein Mensch in Kriegszeiten gesehen hat», sagt ein ausländischer Freiwilliger, der als Sanitäter in der Region Saporischschja im Einsatz steht. Die Behandlung von Gasbrand ist schwierig. Selbst in den besten Spitälern ist eine Genesung keineswegs garantiert. Geschweige denn im Schützengraben oder in einem behelfsmässig eingerichteten Keller. Lindsey Edwards, Dozentin für Mikrobiologie am King’s College London: «Es handelt sich um eine extrem lebensbedrohliche Infektion: Unbehandelt liegt die Sterblichkeitsrate bei fast 100 Prozent.»

Die Drohnenkriegsführung hat die Menschen in den Untergrund getrieben, wie der Freiwillige Alex erzählt. «Wenn man sich ins Freie begibt, wird man von einer Drohne getötet. Das ist keine Übertreibung.» Die medizinische Versorgung finde derzeit grösstenteils in Bunkern und Kellern verlassener Gebäude statt – den einzigen Orten in den umkämpften Regionen, die für Drohnen unerreichbar sind. Laut Alex sind diese unterirdischen Einrichtungen schlecht ausgestattet, um die Komplikationen zu behandeln, die zu Gasbrand führen. «Sie führen sogenannte Schadensbegrenzungsoperationen durch.»

Ukrainer schalten russischen Flugabwehrwerfer aus
0:56
Bei Krim-Angriff der Ukrainer:Russische Flugabwehr wird zerstört

«Viele schaffen es einfach nicht»

Das bedeutet im Grunde genommen, dass in den ersten 24 bis 48 Stunden nur die unmittelbarsten, lebensbedrohlichen Verletzungen von Soldaten im Kampfgebiet versorgt werden. Die Einrichtungen sind oft nicht steril. Selbst die Lieferung von Ausrüstung sei extrem schwierig, da Konvois und Fahrzeuge häufig angegriffen würden. Viele der verletzten Soldaten würden nicht rechtzeitig evakuiert «und schaffen es einfach nicht», so Alex. 

Seit dem Ersten Weltkrieg haben sich die medizinischen Behandlungsmethoden bei Gasbrand erheblich verbessert. Insbesondere durch eine frühzeitige und gründliche Wundreinigung, verbesserte Desinfektionsmittel und die Einführung von Antibiotika.

Normalerweise umfasst die Behandlung von Gasbrand eine chirurgische Entfernung des infizierten Gewebes und die Verabreichung sehr starker Dosen Antibiotika. «Man würde auch testen, welche Antibiotika am wirksamsten sind», sagt Mikrobiologin Edwards. «All das ist natürlich in einem Feldlazarett mitten im Nirgendwo nicht möglich.»

Was sagst du dazu?
Heiss diskutiert
    Meistgelesen