Jetzt ist er untergetaucht
Dieser Selenski-Kumpel soll 80 Millionen Franken veruntreut haben

Timur Minditsch, ein enger Vertrauter von Präsident Selenski, steht im Zentrum eines Korruptionsskandals in der Ukraine. Ihm wird vorgeworfen, ein Schmiergeldsystem im Energiesektor entworfen zu haben, das umgerechnet 80 Millionen Franken veruntreut haben soll.
Publiziert: 14:53 Uhr
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Aktualisiert: 15:16 Uhr
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Timur Minditsch soll der führende Kopf hinter dem aktuellen Korruptionsskandal in der Ukraine sein.
Foto: Zvg

Darum gehts

  • Korruptionsskandal in der Ukraine erschüttert Selenskis Umfeld und führt zu Rücktritten
  • Timur Minditsch, Selenskis Freund, steht im Fokus der Korruptionsermittlungen
  • Minditsch und Komplizen sollen rund 80 Millionen Franken veruntreut haben
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Marian NadlerRedaktor News

Ein weitreichender Korruptionsskandal erschüttert in diesen Tagen die Ukraine. Der Skandal reicht bis in das engste Umfeld von Präsident Wolodimir Selenski (47). Energieministerin Switlana Hryntschuk (40) und Justizminister Herman Haluschtschenko (52), der zuvor Energieminister gewesen war, mussten ihre Posten räumen.

Nach den Rücktritten im Kabinett steht jetzt mit Timur Minditsch (46) ein langjähriger Freund und Geschäftspartner des ukrainischen Präsidenten im Fokus der Ermittler. Einer der grössten Korruptionsskandale seit Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine könnte Selenski gefährlich werden. Blick beantwortet die wichtigsten Fragen zur Person hinter dem «System Minditsch».

Wer ist Timur Minditsch?

Timur Minditsch ist Unternehmer und Filmproduzent. Laut «New Voice of Ukraine» ist er verheiratet und hat drei Kinder. Selenski und er waren vor dem Krieg Geschäftspartner und gemeinsame Eigentümer eines Produktionsstudios namens Kwartal 95.

Während des Präsidentschaftswahlkampfs 2019 soll Selenski ein von Minditsch bereitgestelltes gepanzertes Auto genutzt haben. 2021 feierte der Präsident nach Angaben des investigativen Journalismusprojekts «Schemes» seinen Geburtstag in Minditschs Wohnung. Übereinstimmenden ukrainischen Medienberichten zufolge soll Minditsch erheblichen Einfluss auf Personalentscheidungen in der Regierung gehabt haben, etwa bei der Ernennung von Herman Haluschtschenko zum Energieminister.

Was wird Minditsch konkret vorgeworfen?

Dem Geschäftsmann wird vorgeworfen, der führende Kopf hinter einem Schmiergeldsystem im strategisch wichtigen Energiesektor zu sein. Umgerechnet rund 80 Millionen Franken sollen Minditsch und seine Komplizen in die eigene Tasche gesteckt haben. Kern des Systems war die systematische Erpressung von Schmiergeldern in Höhe von 10 bis 15 Prozent des Vertragswerts von Auftragnehmern des staatlichen Atomkonzerns Energoatom, wie die Nachrichtenagentur RBK-Ukraina berichtet.

Die illegalen Gelder sollen über ein als «Waschsalon» bezeichnetes Büro in Kiew gewaschen worden sein. Nach Angaben des Nationalen Antikorruptionsbüros der Ukraine (Nabu) soll das Geld durch ein Netzwerk ausländischer Firmen geschleust worden sein. Das Büro wird laut RBK-Ukraina mit der Familie des pro-russischen Ex-Abgeordneten Andrij Derkatsch (58) in Verbindung gebracht. Die «Ukrajinska Prawda» berichtete, dass sich auch das US-amerikanische FBI für die Geldströme interessiere.

Wie konnte Minditsch ins Ausland flüchten?

Minditsch verliess die Ukraine am Montag. Am Vorabend war er noch in Kiew gesehen worden, nur wenige Stunden, bevor die Nabu-Razzien begannen. 

Nach Angaben des Grenzschutzes erfolgte seine Ausreise legal. Zu diesem Zeitpunkt lagen weder Reisebeschränkungen gegen ihn vor, noch gab es Anweisungen von Strafverfolgungsbehörden, ihn aufzuhalten, berichtete RBK-Ukraina. Als Vater von drei minderjährigen Kindern war er demnach nach geltendem Kriegsrecht ausreiseberechtigt. Die Spezialisierte Antikorruptions-Staatsanwaltschaft (Sapo) hat jedoch eine interne Untersuchung eingeleitet, um ein mögliches Datenleck zu prüfen, das Minditsch vor den Razzien gewarnt haben könnte. Laut der NGO Nashi Hroshi befindet sich unter den im Zuge der Razzien festgenommenen Personen auch ein enger Verwandter Minditschs.

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Gemäss dem ukrainischen Nachrichtenportal Censor besitzt Minditsch neben der ukrainischen auch die israelische Staatsbürgerschaft. Ob er sich nach Israel abgesetzt hat, ist unklar. Das ukrainische Ministerkabinett soll dem Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrat vorgeschlagen haben, Sanktionen gegen Minditsch zu verhängen.

In welche weiteren Skandale war Minditsch verwickelt?

Der frühere Parlamentsabgeordnete Jaroslaw Schelesniak (36) bezichtigte Minditsch, bis Ende 2024 wirtschaftlich Begünstigter der russischen Firma New Diamond Technology gewesen zu sein. New Diamond Technology soll 2024 umgerechnet rund 400'000 Franken in den russischen Staatshaushalt eingezahlt haben. Belegt sind die Vorwürfe nicht. 

Minditsch soll Geschäftsbeziehungen zu Ihor Kolomojskyj (62) unterhalten haben. Der ukrainische Oligarch, der lange als enger Freund Selenskis galt, sitzt aktuell wegen Unterschlagung von umgerechnet fast einer Milliarde Franken in U-Haft. 

Auch die Zusammenarbeit mit Julija Drosdowa, über die die investigative Plattform Bihus.info berichtete, erscheint zwielichtig. Seit 2019 erhielt die Firma immer wieder millionenschwere Aufträge vom staatlichen Parlamentsfernsehen Rada.

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