Verhandlungsexpertin zu Alaska-Gipfel
«Trump spielt das sogenannte ‹Chicken Game›»

US-Präsident Trump und Kremlchef Putin treffen sich am Freitag in Alaska zu Verhandlungen über den Ukraine-Krieg. Verhandlungsexpertin Katharina Weber hat für Blick die Strategien und möglichen Ausgänge des Gipfels analysiert. Ein Moment könnte entscheidend sein.
Publiziert: 16:52 Uhr
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Aktualisiert: vor 38 Minuten
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Am Freitagabend Schweizer Zeit verhandelt US-Präsident Donald Trump (links) mit Russlands Präsident Wladimir Putin.
Foto: AFP

Darum gehts

  • Trump und Putin treffen sich in Alaska zu Verhandlungen
  • Verhandlungsexpertin erwartet Einigung, möglicherweise ohne Berücksichtigung der Ukraine
  • Das 1-zu-1-Treffen zu Beginn könnte zum entscheidenden Moment werden
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Marian NadlerRedaktor News

Ist es der lang ersehnte Durchbruch in den Bemühungen um einen Frieden in der Ukraine? Oder doch nur ein weiteres fruchtloses Treffen – und die russische Aggression geht weiter?

Am Freitag treffen sich US-Präsident Donald Trump (79) und Kremlchef Wladimir Putin (72) in Anchorage im US-Bundesstaat Alaska. So viel steht fest: Die beiden Staatschefs werden sich am Verhandlungstisch gegenüber sitzen. Was am Ende dabei herauskommt, ist noch völlig unklar. Aber wie laufen solche Verhandlungen ab? Blick hat bei Katharina Weber (36) nachgefragt. Sie ist Verhandlungsberaterin und Chefin der Negotiation Advisory Group GmbH in Mannheim (D) samt 40-köpfigem Expertenteam.

«Letztendlich treten beide nur in Verhandlungen, wenn es ihnen beiden etwas bringt», sagt die Deutsche zu Blick. Die entscheidende Frage sei: «Was will Trump aus dieser Verhandlung herausbekommen?» Und weiter: «Er will nur Frieden, wenn er davon auch etwas Konkretes davon hat.»

«Trump spielt das sogenannte ‹Chicken Game›»

Es könne gut passieren, dass Trump am Freitag ohne die Ukraine und deren westlichen Verbündeten eine Entscheidung fällen werde. «Das haben wir schon bei den Verhandlungen hinsichtlich der Zölle gesehen», so Weber. «Trump hat sich so positioniert, dass er für alle anderen entscheiden kann, was den Ausgang des Ukraine-Kriegs angeht.»

Mit Blick auf Trumps Auftreten bei Verhandlungen sagt Weber: «Trump spielt das sogenannte ‹Chicken Game›. Dabei macht man eine exorbitante Forderung und dann ist die Frage: Wer macht den Weg für den anderen frei?» Das Einzige, was man gegen die «Chicken Game»-Taktik tun könne: genauso stark stehenzubleiben. Als Beispiel nennt Weber China, das im Zollstreit nicht nachgab. 

«Trump hat verhandlungstechnisch sehr starke Karten»

Dass Trump, der von Kritikern den Spitznamen Taco-Präsident («Trump always chickens out») verpasst bekommen hat, als Verlierer aus dem «Chicken Game» mit Putin hervorgehen könnte, glaubt Weber nicht. «Das Ziel des ‹Chicken Game› ist, in eine Diskussion zu kommen. Er verschiebt die Verhandlungsmitte damit in seine Richtung, auch damit die andere Seite mit Ideen auf ihn zukommt», erläutert die Expertin.

Bei Putin habe das genau so funktioniert. Der Kremlchef hat nach Angaben des Weissen Hauses um das Treffen gebeten. «Trump hat verhandlungstechnisch sehr starke Karten», ist die Deutsche überzeugt. Dass es schnell eine Einigung geben wird, glaubt sie nicht. 

Trump trifft Putin auf einer Air-Force-Basis
1:27
Ort des Treffens bekannt:Trump trifft Putin auf einer Air-Force-Basis in Alaska

Webers These stützt auch der Ort des Treffens. «Der Ort des Treffens ist immer eine Machtfrage. Wenn man es schafft, dass der andere schon hier einen Schritt auf einen zugehen muss, ist man der Verhandlungsführer.»

Aus verhandlungstechnischer Sicht müsse Trump bedenken, dass Putin nicht als Verlierer aus dem Krieg herausgehen wolle. Die Frage, die sich Trump stellen müsse, sei also: «Wie verliert Putin nicht das Gesicht?»

«Mit einem Kompromiss hat Trump sein erstes Ziel bereits erreicht»

«Trump ist mehr Art of the Deal als Mad Man. Es ist alles sehr durchdacht und immer mit dem Ziel, eine Einigung zu finden», betont Weber. «Mit einem Kompromiss hat Trump sein erstes Ziel bereits erreicht. Die Verhandlungsmitte rückt auf ihn zu und er kann mehr durchdrücken.»

Das ist der entscheidende Moment

Und Putins Karten? «Schwierig wird es für Trump, wenn Putin seine Taktik durchschaut und im ‹Chicken Game› dagegenhält. Dann muss Trump eine Kompromisssituation eingehen, die in der Mitte oder mehr in Richtung Putin liegt.» Wie Putin das erreichen will, weiss Weber indes nicht.

Der entscheidende Moment des Alaska-Gipfels für den Kremlchef könnte das 1-zu-1-Treffen zwischen Trump und Putin gleich zu Beginn werden. Dieses war von russischer Seite angekündigt worden. «Der einzige Grund, ein 1-zu-1-Meeting vorher zu machen, ist es, dass eine bestimmte Information nicht grösser publik wird.» Es gibt laut der Expertin für das Tête-à-Tête nur zwei Optionen: Entweder spricht Putin eine Drohung aus – oder er schlägt einen geheimen Deal vor. Das Treffen der Delegationen im Anschluss verliere dadurch erheblich an Wert. 

Im Vorfeld des Treffens kündigte Trump laut «Financial Times» überraschend an, er werde mit Putin keine Wirtschaftsabkommen verhandeln, solange er keine «Fortschritte» bei der Beendigung des Krieges in der Ukraine sehe. «Ich habe bemerkt, dass er viele Geschäftsleute aus Russland mitbringt, und das ist gut. Das gefällt mir, weil sie Geschäfte machen wollen, aber sie machen keine Geschäfte, bis wir den Krieg beigelegt haben», sagte Trump demnach.

Wie das Treffen tatsächlich ausgeht, wird sich ab 21.30 Uhr Schweizer Zeit zeigen. Dann beginnt das grosse Verhandeln.

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