US-Justiz veröffentlicht 13'000 Akten
Entkommt Trump dem Epstein-Gespenst?

Bill Clinton, Michael Jackson und andere Prominente tauchen in den neu veröffentlichten Unterlagen auf. Interessant ist, wer darin kaum vorkommt.
Kommentieren
Donald Trump, Melania, Jeffrey Epstein und Ghislaine Maxwell im Club Mar-a-Lago am 12. Februar 2000.
Foto: Getty Images

Darum gehts

Die Zusammenfassung von Blick+-Artikeln ist unseren Nutzern mit Abo vorbehalten. Melde dich bitte an, falls du ein Abo hast.
RMS_Portrait_135 (1).jpg
Robin BäniRedaktor

Jeffrey Epstein verfolgt Donald Trump (79) wie ein Schlossgespenst im Weissen Haus. Seit Monaten beteuert der US-Präsident, er habe kein enges Verhältnis zum verurteilten und 2019 verstorbenen Sexualstraftäter gepflegt. Vom mutmasslichen Missbrauchsring mit minderjährigen Mädchen habe er nichts gewusst, beteiligt sei er sowieso nie gewesen. Beweise, die Trump ernsthaft belasten, gibt es bislang keine. Ebenso gibt es keine vollumfängliche Transparenz. Trumps Regierung hat die Akten zum Fall unter Verschluss gehalten. Bis jetzt.

Diese Woche hat das US-Justizdepartement einen Teil der Epstein-Files veröffentlicht. Nicht freiwillig, sondern unter massivem Druck des Kongresses. Eine parteiübergreifende Allianz verabschiedete im November ein Gesetz, das Trumps Administration zur Freigabe aller Akten verpflichtet. Die Abgeordneten setzten Justizministerin Pam Bondi eine Frist von 30 Tagen. Am Freitag ist diese verstrichen, und die Behörden lieferten nur teilweise. Zahlreiche Dokumente sind weiterhin unzugänglich. Dafür hat die Trump-Administration über 13’000 Unterlagen offengelegt, darunter Ermittlungsakten, Telefonaufzeichnungen, Reiseberichte und Fotos.

1/7
Donald Trump, Melania, Jeffrey Epstein und Ghislaine Maxwell im Club Mar-a-Lago am 12. Februar 2000.
Foto: Getty Images

Was dieses Konvolut noch alles beinhaltet, wird sich erst in den kommenden Tagen und Wochen zeigen. Journalisten und Datenanalysten weltweit wühlen sich derzeit durch die Papiere. Weitere Tausende Akten sollen «in den kommenden Wochen» folgen, verkündete der stellvertretende Generalstaatsanwalt Todd Blanche auf Fox News. Erste Auswertungen von grossen US-Medien wie CNN, der «New York Times» und dem «Wall Street Journal» ermöglichen jedoch vorläufige Schlüsse.

Epstein und die Mächtigen

Auffällig ist, wie breit Epsteins Netzwerk war – wie viele berühmte Persönlichkeiten er in seinen Bann ziehen konnte. Von den Rockstars Michael Jackson (1958–2009) und Mick Jagger (82) über den Sprachwissenschaftler Noam Chomsky (97) bis zum Starjournalisten Walter Cronkite (1916–2009). Sie alle verkehrten mit Epstein und sind nun auf Fotos zu sehen, die sie neben dem Sexualstraftäter posierend zeigen. Hinweise darauf, dass die Prominenten von den illegalen Aktivitäten wussten oder daran beteiligt waren, liefern die Akten nicht. Doch sie offenbaren Epsteins Fähigkeit, die Aufmerksamkeit der Reichen und Mächtigen auf sich zu ziehen.

Besonders oft erscheint Bill Clinton (79). Auf einem Foto liegt er sichtlich zufrieden im Whirlpool, die Hände hinter dem Kopf verschränkt. Auf einem anderen sitzt er in einem Privatjet, den Arm um eine Frau gelehnt, deren Gesicht unkenntlich gemacht ist. Dann wiederum sieht man ihn Schulter an Schulter mit Epstein, wie sie beide lachen und ein exotisches Seidenhemd tragen. Trumps Umfeld hat es sich denn auch nicht nehmen lassen, in den sozialen Medien zu betonen, wie häufig Clinton zu sehen ist.

Was diese Fotos zu bedeuten haben, bleibt offen. Das Justizministerium hat keine Erklärung geliefert, keinen Kontext. Zudem ist längst bekannt, dass sich Clinton in Epsteins Umfeld bewegte. Ermittlungen gegen ihn gab es nie. Selbst Trumps Stabschefin Susie Wiles sagte in einem Interview diese Woche, Trump habe Clinton «zu Unrecht» mit Epsteins kriminellen Machenschaften in Verbindung gebracht.

«Dons bester Freund»

Clintons Sprecher Angel Urena ging noch weiter. Er deutete an, das Weisse Haus habe die Veröffentlichung der Fotos gezielt inszeniert, um von Trumps eigener Beziehung zu Epstein abzulenken. «Hier geht es darum, sich vor dem zu schützen, was als Nächstes kommt, oder vor dem, was sie für immer zu verbergen versuchen werden», schrieb Urena auf der Plattform X.

Tatsächlich ist es bemerkenswert, wie selten Trumps Name in den neu publizierten Akten erscheint. Und das, obwohl er und Epstein über Jahre hinweg engen Kontakt pflegten, wie die «New York Times» diese Woche einmal mehr nachgezeichnet hat. In den 1990er- und frühen 2000er-Jahren bewegten sich beide in denselben Kreisen, feierten auf denselben Partys. Eine Frau, mit der die Zeitung gesprochen hat, erinnert sich, Epstein habe sich als «Dons bester Freund» vorgestellt.

Es ist daher nicht auszuschliessen, dass Trump mit der jetzigen Veröffentlichung versucht, das Narrativ rund um die Epstein-Affäre zu seinen Gunsten zu verschieben. Weg von sich, hin zu Clinton und anderen Mitgliedern der gesellschaftlichen Elite. Es könnte der Versuch sein, die Kontrolle zurückzugewinnen. Denn das Thema ist ihm zuletzt entglitten. Sieben von zehn Amerikanern glauben inzwischen, dass die Regierung Informationen über Epstein zurückgehalten hat. Das hat eine Reuters-Ipsos-Umfrage Anfang Dezember gezeigt.

Kann sich Trump aus der Affäre ziehen?

Ob Trump das Ruder herumreissen kann, ist allerdings fraglich. Denn die freigegebenen Akten sind lückenhaft. Zum einen, weil das Justizministerium (noch) nicht alles offengelegt hat, zum anderen, weil zahlreiche Unterlagen stark geschwärzt wurden, teils ganze Dokumente. Komplett unlesbar sind beispielsweise 119 Seiten mit Aussagen vor dem Geschworenengericht.

Zwar darf die Regierung Informationen zurückhalten, unter anderem um Opfer zu schützen, Kinderpornografie zu zensieren oder laufende Ermittlungen nicht zu gefährden. Doch eine Auswertung von CNN legt nahe, dass die Behörden teils mehr schwärzten als gesetzlich nötig. Zudem sollen die Schwärzungen inkonsistent sein. Was in gewissen Dokumenten verborgen sei, lasse sich teils in anderen einsehen.

Bei Trumps Kritikern verstärkt sich daher der Eindruck, er versuche sich aus der Affäre zu ziehen, indem er andere ins Licht zerrt. Aber lässt sich das Schlossgespenst so vertreiben? Zweifel sind angebracht.

Was sagst du dazu?
Liebe Leserin, Lieber Leser
Der Kommentarbereich von Blick+-Artikeln ist unseren Nutzern mit Abo vorbehalten. Melde dich bitte an, falls du ein Abo hast. Noch kein Blick+-Abo? Finde unsere Angebote hier:
Hast du bereits ein Abo?
Heiss diskutiert
    Meistgelesen