Russland bläst zur Sommeroffensive in der Ukraine – kommt es jetzt zur Entscheidungsschlacht?
So sieht der Masterplan hinter Putins Grossangriff aus

Die russische Sommeroffensive hat begonnen. In Rekordzahlen schiessen die Angreifer Raketen und Drohnen in die Ukraine. Der grosse Knall steht aber wohl erst noch bevor. Klar ist: Den Ukrainern steht ein schlimmer Sommer bevor.
Publiziert: 11.06.2025 um 15:42 Uhr
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Aktualisiert: 11.06.2025 um 17:54 Uhr
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Die russischen Bomben treffen auch die Hauptstadt Kiew.
Foto: imago/Ukrinform

Darum gehts

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Guido FelderAusland-Redaktor

Trotz zaghafter Annäherungen am Verhandlungstisch tobt der Krieg in der Ukraine weiter. Und er hat sogar an Intensität zugenommen. Ob russische Angriffe mit Raketen oder Drohnen: Fast täglich gibt es Rekordzahlen.

Es ist unverkennbar: Die Russen haben zur angekündigten Sommeroffensive geblasen. Obwohl sie durch den raffinierten Angriff der Ukrainer auf russische Flugplätze am 1. Juni einen Dämpfer erlitten haben, dürfte es für die Ukraine ein sehr schwerer Sommer werden – einer, der zur Kriegsentscheidung führen könnte.

Laut ukrainischem Geheimdienst und Militärexperten bereitet Russland die entscheidende Phase seines Zermürbungskrieges vor: eine grossangelegte Sommeroffensive, die als «letzter Vorstoss» gilt, um die Moral der Ukraine zu brechen. Die aktuellen Drohnenangriffe sind dabei nur das «Vorspiel zum nahenden Hauptereignis».

Wie «The Independent» schreibt, strebt der russische Präsident Wladimir Putin (72) mit der Offensive einen «symbolischen Sieg um fast jeden Preis» an. Der Erfolg dieser Offensive könnte entscheidend sein für die weitere Kriegsentwicklung und die Chancen auf einen Waffenstillstand.

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Das Gebiet um die Stadt Kostjantyniwka wird zurzeit besonders intensiv unter Beschuss genommen.
Foto: Anadolu via Getty Images

Russen senden Drohnenschwärme

Im Nordosten hat Russland rund 50’000 Soldaten zusammengezogen, um bei Sumy eine Pufferzone von rund zehn Kilometern einzurichten. Es ist die Gegend, wo die ukrainische Armee noch bis vor kurzem auf der russischen Seite bei Kursk Gebiete erobert, aber inzwischen wieder verloren hat.

Erfolge haben die Russen auch in der Oblast Donezk erzielt, wo sie bis zur westlichen Nachbar-Oblast Dnipropetrowsk vorgedrungen sind. Zentren wie die Städte Dnipro und Sumy rücken immer näher. Vor allem die kleine Industriestadt Kostjantyniwka ist heftig umkämpft. Laut ukrainischen Angaben werfen die Russen hier täglich bis zu 25 Lenkbomben ab.

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Im Gebiet von Kostjantyniwka sorgt zudem die neue russische Drohnen-Einheit Rubikon für Unruhe. Sie operiert mit Drohnenschwärmen, die vor allem die Hauptversorgungslinie der ukrainischen Truppen unter Beschuss nehmen. Wegen ihrer speziellen Funkfrequenz können sie kaum abgehört und abgefangen werden.

Einkesselung im Nordosten

Für Marcel Berni, Stratege an der ETH-Militärakademie, ist es offensichtlich: «Die Russen haben am Boden die Oberhand – allerdings nehmen sie dabei hohe Verluste in Kauf.» Interessant sei, dass Russland nun auch die Oblaste Sumy und Dnipropetrowsk angreife. Berni: «Langfristig dürfte den Russen vorschweben, die ukrainischen Kräfte im Nordosten einzukesseln.»

Beide Parteien versuchen nun, günstige Kampfpositionen einzunehmen. Ralph D. Thiele, Vorsitzender der deutschen Politisch-Militärischen Gesellschaft und Präsident von Eurodefense Deutschland, meint gegenüber Blick: «Es ist in Kürze mit grösseren Offensiven zu rechnen.»

Russland braucht weitere Nordkoreaner

Laut dem estnischen Militärblogger Artur Rehi, der die Ukraine mit Hilfslieferungen unterstützt und dem auf YouTube über 700’000 Abonnenten folgen, hatte Russland einen der grössten Angriffe auf zivile Ziele vorbereitet. Doch hätten die Ukrainer mit ihren Angriffen auf Militärflugplätze diese Pläne vereitelt. Bei diesen Bombardements sind rund 40 russische Maschinen zerstört oder beschädigt worden.

Noch immer ist Russland bei Artilleriemunition, Raketen und Drohnen deutlich überlegen. «Russlands Kriegswirtschaft brummt und liefert mehr als der gesamte Westen», meint Thiele. Nur beim Personal scheint es zu hapern. Wie das Institute for the Study of War (ISW) schreibt, wollen die Russen bei Diktator Kim Jong Un (41) weitere Nordkoreaner anwerben, die sowohl für die Front als auch für andere Arbeiten eingesetzt werden sollen. Laut Schätzungen dürften zurzeit gegen 15’000 nordkoreanische Soldaten für Putins Armee im Einsatz stehen.

USA schwenken um

Weiter ins Hintertreffen könnte die Ukraine auch kommen, weil sie die USA als Partner verlieren könnte, meint Thiele. Denn Kiews Zündeln an der russischen nuklearen Triade könnte zu weiteren Eskalationen führen. Thiele: «Trumps Einschätzung, dass Selenski für den Weltfrieden ebenso gefährlich ist wie Putin, könnte sich auf die materielle US-Unterstützung auswirken.» Bereits würden für die Ukraine bestimmte Drohnenkontingente nach Israel umgelenkt.

Die Experten sind sich einig: Das Erfolgsmoment steht zurzeit auf der Seite der Russen. Für die Ukrainer könnte es ein schwieriger Sommer werden. Sogar einer, der zu einer Entscheidung führen wird.

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