Mindestens vier Tote nach Angriffen auf Kiew
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298 Drohnen und 69 Raketen:Mindestens vier Tote nach Angriffen auf Kiew

Wie Russland den Drohnenkrieg gewinnt
«Nach den Angriffen hassen wir Russen noch mehr»

Drei Nächte in Folge hat Russland nun die Ukraine mit massiven Luftschlägen attackiert. Mit Drohnenschwärmen, Raketen und Marschflugkörper tötet Putin viele Ukrainer, zerstört Infrastruktur – und verbreitet Angst und Schrecken.
Publiziert: 26.05.2025 um 19:41 Uhr
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Aktualisiert: 27.05.2025 um 08:32 Uhr
Ukrainische Feuerwehrleute bei Löscharbeiten an brennenden Häusern nach einem russischen Angriff in der Region Kiew am 25. Mai.
Foto: imago/UPI Photo

Darum gehts

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Daniel JungRedaktor News

Die jüngsten russischen Luftangriffe auf die Ukraine stellen die bisher schwersten Attacken seit Kriegsbeginn dar. Drei Nächte in Folge haben die russischen Streitkräfte das Nachbarland mit Raketen, Marschflugkörpern und Drohnen massiv bombardiert. Am Sonntag wurden zwölf Menschen getötet und knapp 80 verletzt.

Am Montag sprach Ukraine-Präsident Wolodimir Selenski von 355 unbemannten Flugobjekten und neun Marschflugkörpern in der Nacht zuvor. Blick erklärt, was die Angriffe mit der ukrainischen Bevölkerung machen und wie es im Drohnen-Wettstreit zwischen Russland und der Ukraine steht. Stimmen aus Kiew zeigen Hass, Verzweiflung und Erschöpfung. «Beim Morgenkaffee finden wir jeweils heraus, ob alle Verwandten und Freunde noch leben.»

«Wir hassen die Russen noch mehr»

«Das Wochenende war ganz schwierig», sagt Dina Didenko (46), Deutschlehrerin in Kiew. Es gab Drohnen, Raketen, Detonationen – stundenlang. «Wir haben zwei Nächte im Parkhaus verbracht, sind ganz erschöpft.» Sie und ihre Familie wollen aber nicht weg, denn Kiew sei ihr Zuhause, hier sei ihr Leben.

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Bei den Angriffen werden unter anderem im Iran produzierte Schahed-Drohnen eingesetzt (hier Typ 136, ausgestellt im US-Kapitol).
Foto: Getty Images

«Nach den Angriffen hassen wir Russen noch mehr und sind fertig mit unseren Kräften.» Sie glaube aber weiterhin an die Stärke der ukrainischen Armee. Zweifel hat sie jedoch gegenüber dem Rest der Welt, denn dieser schaue weiterhin zu. «Wie lange eigentlich noch?», fragt die Deutschlehrerin.

«Körperlich unversehrt, aber seelisch gebrochen»

Auch die Bankangestellte Nataliia Woronina (37) aus Kiew, Mutter eines drei Monate alten Babys, ist angespannt. «Die Menschen, die mir nahestehen, sind Gott sei Dank körperlich unversehrt, aber seelisch gebrochen.»

Der Krieg habe grosse Auswirkungen auf die Bevölkerung. «Viele weigern sich, Kinder zur Welt zu bringen, Familien werden zerstört, weil die Männer in der Armee sind», sagt die Mutter.

Bald 1000 Drohnen pro Nacht?

«Ich habe drei Nächte nacheinander nicht geschlafen», sagt Medienproduzent Yevhen Semekhin (38), der gemeinsam mit seiner Frau Alina (30) und Tochter Nina (1) in einem Landhaus in der Nähe von Kiew lebt. Aus dem Fenster kann er beobachten, wie die Ukrainer russische Schahed-Drohnen und ballistische Raketen abschiessen. «Beim Morgenkaffee finden wir jeweils heraus, ob alle Verwandten und Freunde noch leben.»

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In der Ukraine werde erwartet, dass die Luftangriffe in der nächsten Zeit noch zunehmen. «Bald werden 1000 Schahed-Drohnen jede Nacht Ukrainer in ihren Häusern angreifen», befürchtet Semekhin.

Trump fast so unbeliebt wie Putin

«Seit Herbst 2024 vergeht in Kiew kaum eine Nacht ohne Luftalarm», sagt der politische Korrespondent Denis Trubetskoy (32) in Kiew. Den Menschen sei es anzumerken, dass sie nicht ausgeschlafen und genervt sind. Dabei sei US-Präsident Donald Trump (78) inzwischen beinahe so unbeliebt wie Wladimir Putin (72). Positiv an Trumps Handeln sei einzig, dass es «einen Schub in Sachen Einigkeit» ins Land gebracht habe.

Hat die Ukraine im Bereich der Kampfdrohnen ihren Vorsprung gegenüber Russland eingebüsst? «Dieser Krieg ist im technologischen Bereich ein Kopf-an-Kopf-Rennen», sagt Trubetskoy.

Bei Langstreckendrohnen war Russland lange durch die Lieferungen von Schahed-Drohnen aus dem Iran im Vorteil. «Doch inzwischen hat auch die Ukraine diesen Bereich stark aufgebaut», sagt der Politbeobachter. So konnte die Ukraine zuletzt etwa mit Drohnen den Flugverkehr in Moskau stören.

Was Kurzstreckendrohnen anbetrifft, lag die Ukraine lange vorn. Doch Russland setzt seit Ende 2024 massiv Drohnen ein, die per Glasfaser-Kabel gesteuert werden. Diese können kaum abgefangen werden. «Hier muss die Ukraine gerade stark nachholen», sagt Trubetskoy.

Die Strategie hinter den Luftangriffen

Dass Putin gerade jetzt, wo über Frieden verhandelt wird, den militärischen Druck erhöht, überrascht Trubetskoy nicht. «Das ist eine klassische Strategie von Putin, die er schon im Donbass-Krieg im Sommer 2014 und im Februar 2015 während der Minsker Gespräche eingesetzt hatte.» Damals wurde die Ukraine zu unvorteilhaften Friedensbedingungen gezwungen. Durch die massive Zerstörung ziviler Infrastruktur sollen auch jetzt die ukrainische Regierung geschwächt und die Bevölkerung demoralisiert werden.

Die aktuellen Verhandlungen würden lediglich «für einen Zuschauer gespielt», nämlich für Trump. Moskau bestehe knallhart auf unrealistischen Maximalforderungen. Dabei sei Putin in einer komfortablen Position, weil er profitieren würde, sollten sich die USA sich aus der Angelegenheit verabschieden. «Wir stehen jetzt vor der russischen Sommeroffensive», sagt Trubetskoy. Wegen der schwankenden US-Unterstützung könne Russland darauf grosse Hoffnungen setzen.

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