Darum gehts
Man hat sich ein erfreulicheres Ende von 2025 gewünscht. Mit einem ersten Schritt Richtung Frieden, den Donald Trump (79) mit Wladimir Putin (73) und Wolodimir Selenski (47) aufgleisen wollte. Die Hoffnung darauf war nach mehreren Verhandlungen – zuletzt am Sonntag in Mar-a-Lago – wenigstens am Aufflackern.
In den letzten Stunden vor Jahresschluss scheint alles anders zu kommen. Der Kreml-Herrscher bläst zum grossen Propaganda-Krieg, der auch eine Eskalation auf dem Schlachtfeld auslösen könnte. Das Schlimme daran: Trump scheint auf die Jammer-Taktik Putins hereinzufallen.
Moskau kritisiert «Staatsterrorismus»
Ursprung der jüngsten Auseinandersetzung ist eine Meldung aus dem Kreml. Am Montag behauptete Moskau, dass die russische Luftabwehr 91 ukrainische Drohnen abgeschossen habe, die Putins Waldai-Residenz in Nowgorod zerstören wollten. Putins Chefberater Juri Uschakow (78) sprach von ukrainischem «Staatsterrorismus» und kündigte schwere Vergeltung an.
Gleichzeitig drohte auch Putins Scharfmacher, der ehemalige Staatspräsident und heutige Vize-Chef des Sicherheitsrates, Dmitri Medwedew (60), Selenski mit dem Tod und der anschliessenden Präsentation des Körpers in einem Museum mit Missbildungen.
Beweise für den Angriff gibts keine. Kiew dementiert und bezeichnet die Meldung als «typisch russische Lüge». Auch das stets gut informierte Institute for the Study of War (ISW) schreibt, dass die Umstände des mutmasslichen Angriffs nicht mit den typischen Mustern der Ukrainer übereinstimmten.
Putin lässt Wohnbauten beschiessen
Die Frage stellt sich, warum Putin so empört ist, wenn es der Feind auf ihn selber abgesehen hat. Auch Selenski wurde seit dem russischen Überfall auf die Ukraine am 24. Februar 2022 schon mehrmals Ziel eines Attentats. Man spricht von rund einem Dutzend Anschlägen, die von den ukrainischen und einmal von den polnischen Behörden vereitelt werden konnten.
Man kann sich auch fragen, ob ein Angriff auf eine Putin-Residenz tatsächlich eine Eskalation durch die Ukraine bedeuten würde. Denn man kann davon ausgehen, dass Putins Zentralen bestens gegen Anschläge aller Art gesichert sind. Viel besser etwa als die Wohnblöcke in Kiew, die Putins Armee am Samstag mit einem Raketen- und Drohnenteppich von über 500 Geschossen überzogen hat. Das massive Bombardement forderte Tote und Verletzte. Abertausende müssen wegen zerstörter Energieinfrastruktur bei nächtlichen Temperaturen von aktuell minus 10 Grad frieren. Es sind Menschen, die mit Krieg nichts zu tun haben wollen.
Daher: Putins Empörung über einen möglichen Angriff auf seine Residenz ist gespielt. Theater ist ebenfalls, dass er Trump vorjammert, dass ihn Selenskis Drohnen töten wollten.
Trump glaubt Putin
Diese Propaganda-Taktik ist nichts Neues. Das Neue und Schlimme daran ist, dass Donald Trump darauf hereinzufallen scheint. Jedenfalls erwiderte er auf die Nachricht über den angeblichen ukrainischen Angriff, dass ihn das «sehr wütend» mache.
Der US-Präsident glaubt also nicht jenem Mann, der seit bald vier Jahren sein Land gegen blutrünstige Invasoren verteidigt und der auf den Rückhalt der meisten Demokratien weltweit zählen kann: Selenski. Nein, Trump schenkt jenem Mann Glauben, der ihm für Deals mehr nützen kann: Putin.
Um den Frieden steht es schlecht
Immerhin: In Trumps Partei beurteilt man Putins Wehklagen differenziert. Der republikanische Abgeordnete Don Bacon (62) aus Nebraska massregelt den US-Präsidenten auf X öffentlich: «Präsident Trump und sein Team sollten sich zunächst über die Fakten informieren, bevor sie Schuldzuweisungen vornehmen. Putin ist bekannt dafür, dass er unverhohlen lügt.»
Warum gerät der sonst so hart auftretende Putin in seinem brutalen Krieg auf einmal derart ins Wehklagen und petzt im Weissen Haus? Es ist sein altes Muster: Er signalisiert gegenüber Trump Verhandlungsbereitschaft, lässt es jedoch im entscheidenden Moment wieder eskalieren.
Putin braucht eine Ausrede, um Selenski als Friedensverhinderer anzuprangern und sich die Legitimation für sein wahres Ziel zu verschaffen: Es geht Putin nicht um Frieden, sondern um den Krieg zur Unterwerfung der Ukraine. Das hat er mit seiner erfolgreichen Jammer-Offensive nun erneut bewiesen.