Darum gehts
- Russland droht Finnland, Rechtfertigungsstrategien wie bei Angriff auf die Ukraine
- Medwedew wirft Finnland vor, sich auf einen Angriff vorzubereiten
- Finnland habe in seiner Vergangenheit die russische Kultur zerstört und Völkermord begangen
Seit dem Angriff auf die Ukraine im Jahr 2022 verfolgt der Kreml eine gezielte Desinformationsstrategie. Zentrale Narrative: der Vorwurf des Nationalsozialismus, der Vorwurf von Genoziden an Russischsprachigen in der Ukraine und die Behauptung, der «kollektive Westen» habe den Krieg begonnen.
Mit solch perfiden Äusserungen versucht Russland, seine Invasion in der Ukraine zu rechtfertigen. Doch nun scheint der Vizechef des russischen Sicherheitsrats, Dmitri Medwedew (59), dasselbe Spiel mit Finnland zu treiben. Wie die Denkfabrik Institute for the Study of War (ISW) berichtet, habe Medwedew Finnland offen gedroht.
Vorwurf, Finnland bereite sich auf einen Angriff vor
In einer Kolumne für die Kreml-Nachrichtenagentur Tass schrieb Medwedew am Montag, dass Finnland nicht «vergessen» dürfe, dass eine Konfrontation mit Russland «für immer zum Zusammenbruch der finnischen Staatlichkeit führen könnte». Sein Vorwurf: Seit dem Nato-Beitritt befinde sich Finnland auf Konfrontationskurs mit Russland.
Das spitzt er noch zu: «Finnland bereitet scheinbar einen Brückenkopf für einen Angriff auf uns zu.» Der vorgebliche Grund für diese Behauptung: ein neu eröffnetes regionales Nato-Hauptquartier für Landstreitkräfte in Finnland, nahe der Grenze zu Russland.
Zur Erinnerung: Finnland war nach dem Zweiten Weltkrieg nicht der Nato beigetreten, um den grossen Nachbarn nicht zu provozieren. Erst als die Welt beobachten konnte, wozu Russland mit der Ukraine fähig ist, entschlossen sich die Finnen zum Beitritt. Der finnische Generalstabschef Vesa Virtanen (59) sagte im Blick-Interview: «Wir sind bereit, jeden Quadratmeter unseres Landes zu verteidigen.»
Finnland habe russische Kultur zerstört
Zudem macht Medwedew eine historische Verbindung Finnlands zur Nazi-Vergangenheit Deutschlands auf. Denn Finnland habe in den 1940er-Jahren die Grenzen in Gebiete im heutigen Russland erweitern wollen. Der Vizechef des Sicherheitsrats sieht hierin eine tief verankerte aggressive Haltung Finnlands, dessen Regierung er als «russophob» bezeichnet.
Seine Behauptung: Finnische Behörden hätten in der Vergangenheit versucht, die «historische und kulturelle Identität» der ethnischen Russen auszulöschen und einen Völkermord an der slawischen Bevölkerung zu begehen. Und nun würde die Nato Finnland als «Sprungbrett für einen Angriff» auf Russland nutzen.
Auch der Ukraine wurde Genozid vorgeworfen
Diese Behauptungen weisen starke Parallelen zu den Desinformationen auf, die der Kreml im Ukraine-Krieg streute. So lautete einer der Vorwürfe, dass die Ukraine im Donbass Genozid an Russischsprachigen begehe und sich Russland durch den Angriff der Ukraine nur schützen wolle.
Was ist an diesen Behauptungen dran? Sie sind falsch. Zwar führte Finnland zwischen 1941 und 1944 tatsächlich an der Seite von Nazi-Deutschland Krieg gegen die Sowjetunion. Der Grund? Finnland wollte nur die Gebiete zurückholen, die die Sowjets beim brutalen Überfall im Winterkrieg 1939/40 erobert hatten. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurden grosse Teile dieser verlorenen Gebiete der Sowjetunion zugesprochen. Rund 400’000 Finnen mussten ihr Haus dem Feind überlassen und umsiedeln.
Russland schütze sich vor dem «westlichen Imperialismus»
Medwedews Drohung gegen Finnland füge sich in die Kreml-Strategie ein, Nato-Staaten zu bedrohen oder künftige russische Aggressionen zu rechtfertigen, schreibt das ISW. Bereits im März behauptete der russische Präsidentenberater Nikolai Patruschew (74), dass Finnland versucht habe, die slawische Bevölkerung «auszurotten».
Und auch Putin selbst drohte Finnland im Dezember 2023 mit der Behauptung, die Nato habe Finnland in das Bündnis «hineingezogen» und dass es «Probleme» mit Finnland geben würde. Die Rechtfertigung, dass sich Russland vor einem «westlichen Imperialismus» schützen müsse, kam bereits während des Angriffs auf die Ukraine auf.
Der Kreml geriert sich dabei als Kämpfer für die Freiheit und als Bewahrer «traditioneller Werte». Verstärkt geht dies einher mit Vorwürfen einer LGBT-Propaganda des Westens.